Schwampel-Reggae und Stehwalzer

Quergedanken Nr. 8

Endlich hatten wir gewählt – und nun haben wir den Salat. Dennoch: War das nicht ein toller Abend neulich, der 18. September? Am Unterhaltungswert gab´s nichts zu mäkeln. Götterdämmerung mit Überraschungsplot, Katharsis mit, je nach Veranlagung, Lach- oder Heulkrämpfen, offenem Ausgang sowie Aussicht auf etliche spannende Fortsetzungen. Dazu Tanzfeten erster Güte: Wahlweise schwampelnde Ampel im Reggae-Rhythmus oder elefantöser Schieber im Stehwalzertakt. Also das ganze Programm zeitgenössischen Entertainments und klassischer Hochkultur rauf und wieder runter. Einen bunteren Abschluss als 2005 hatten Koblenzer Schängelmarkt und Mendelssohn-Tage nie; dank Bundestagswahl am selben Tag.
 
Man soll sich nicht lustig machen, wenn die Lage ernst ist! Auch recht, dann eben die nachgezogene Grundsatz-Polit-Analyse: Das aktive Wahlvolk neigt mit knapper Mehrheit dazu, sich strukturell links von der CDU einzunisten und nach Klügerem zu verlangen als dem Ringelreihen ums güldene Globalisierungs-Kalb. Obwohl die Roten selbst diesbezüglich eigentlich nur warme Worte zu bieten haben, erstreckt sich von Godesberg bis zur Ostsee  neuerdings Rotland, wird an der Saar zwar noch schwarz regiert, aber durchaus andersfarbig gedacht. Und von Hessen aus zieht´s Herrn Koch mächtig ´gen Berlin, weil die Landsleute daheim zu wackeln begonnen haben. Das Parlament der Republik besteht jezto aus fünf Fraktionen und die großen Parteien sind beide so furchtbar groß nicht mehr.

Und? Geht davon das Abendland unter? Koblenz lebt schließlich auch noch, obwohl im Rat fünf Fraktionen sitzen und die Stadt gegen eine Oppositionsmehrheit regiert werden muss. Natürlich, die Dinge nehmen bisweilen einen etwas gemächlichen Lauf. Bevor ein neues Stadion in Angriff genommen wird, muss erstmal die TuS weiter aufsteigen; und das kann dauern. Von der Idee einer Verkehrsreform bis zur Vision, gar zum Ausbau eines S-Bahn-Netzes am Mittelrhein braucht´s seine Reifezeit. Die Hiesigen vertreiben sich unterdessen die Jahre bei Umleitungs-Feldversuchen, innerstädtischen Haltepunkten, kurfürstlichen Parkhäusern, transrhenanischen Seilbahnen und dergleichen (Buga sei Dank!) Inspirationen mehr. Wäre das anders, wenn wir nur drei Fraktionen im Rat und nicht diese Mehrheiten hätten? Manche der Rhein-Mosel-Debatten nährt Zweifel. Bleibt die Gewissheit, dass „Entschleunigung“ nicht die schlechteste unter den aktuellen Moden ist. Und am Ende zählt sowieso, was rauskommt.

In gewissem Geschwindschritt allerdings sollte/könnte das Problem  Koblenzer Schloss beseitigt werden. Konkret: die Beutelschneiderei bei Raumvermietung an Kulturveranstalter und  die Quasi-Aussperrung der Karnevalisten. Die republikanischen Bundesinhaber des einstigen Fürsten-Palazzo sticht wohl der Hafer! Herrschaften Obacht – ehedem gab´s Senge von Volkes Mistforke und Dreschflegel, wenn es Schlossherren zu arg trieben. So was regelt man heute anders:  Der Oberbürgermeister macht die Zumutung zur Chefsache, hat er gesagt. Sollte Schuwis diplomatische Mission in Sachen Nutzung des Schlosses durch das Volk jedoch scheitern, wäre es nicht zuletzt an den närrischen Heerscharen, zur Tat zu schreiten. Stürmen, besetzen, Schlüsselübergabe erzwingen – das ganze Besteck eben, das über Generationen Jahr um Jahr so trefflich gepflegt ward. Dann muss es sich, kann es sich im Ernstfall bewähren. Dazu vom sonst passionierten Nicht-Fastnachter ein weder ampelndes noch schwampelndes noch hampelndes, sondern ein herzhaftes Olau!!!
 

 

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