Zum Streit um NPD-Verbot und zum BVG-Urteil

Anmerkungen

ape. Auch auf die Gefahr hin, mich jetzt ziemlich unbeliebt zu machen: Ich habe nie viel davon gehalten, dass man sich bei der Bekämpfung der NPD primär auf das Bemühen um juristisches Verbieten der Partei konzentriert. Solch ein Verbot wäre zwar ein Signal, hätte der NPD auch ein paar organisatorische/finanzielle Schwierigkeiten bereitet, und es hätte das demokratische Gewissen beruhigt. Aber damit wären Neonazis und Neonazismus ja nicht aus der Welt, sondern für die politische Bekämpfung nur noch schwieriger greifbar. Und eben der politische Kampf ist m.E. das alles entscheidende Instrument gegen die braune Brühe und ihr Einsickern ins Denken viel zu vieler Zeitgenossen.

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Der Kampf gegen Neonazismus und nationalchauvenistischen Populismus ist eine politische Aufgabe aller Demokraten und bedarf des aktiven Tuns auf vielen gesellschaftlichen Ebenen. Jeder tue das Seine an seinem Platz und nach seinem besten Vermögen. Es wäre schon einiges gewonnen, wenn Politik und Zivilgesellschaft nicht mehr darauf warten würden, dass Justiz und Polizei ihnen diese Aufgabe(n) abnehmen - sondern beispieslweise den zuletzt fatalen Trend zur Austrocknung von Aufklärungs- , Präventions- und Aussteigerprogrammen oder Schließung von Jugendzentren... offensiv und mit beträchtlichem Mitteleinsatz umkehren würden.

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Spontan kam auch mir jener Teil der Urteilsbegründung zur Verwerfung eines NPD-Verbots wegen Bedeutungslosigkeit dieser Partei ziemlich spanisch vor. Bei genauerer Betrachtung findet sich allerdings folgende rechtsprinzipielle Lage, die als weitgreifender freiheitlicher Grundsatz und hohes Rechtsgut zu bedenken ist: Es darf gemäß Grundgesetz hierzulande zB jeder laut sagen und publizieren, er halte die bestehende Gesellschaftsordnung für schlecht und strebe nach einer anderen. Zu diesem Behuf darf er auch eine Partei gründen und zu Wahlen antreten. Für ein Parteienverbot ist nicht die Gesinnung dieser oder jener Radikalinskis entscheidend, sondern die Frage/Beurteilung: Wie groß ist tatsächlich die Gefahr, die von besagtem "Streben" für die innere Ordnung der Republik ausgeht? Und bezüglich der NPD ist diese Gefahr "derzeit" (BVG) minimal.

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Gegenüber dem Einwand, das BVG-Urteil sende das falsche Signal aus, was man am "Sieg!!!!!!!"-Jubel der NPD-Funktionäre und u.a. der satten Zufriedenheit des völkischen AfD-Fuktionärs Bernd Höcke sehen könne, sei festgehalten: Hätte das BVG die NPD verboten, wären Höcke und Co. halt mit Brandreden gegen die "Unterdrückung der Freiheit durch die vaterlandsverräterischen Eliten" rausgekommen. Die Reaktionen der Rechtsbagage sind kein Maßstab für irgendwas. // Im Übrigen legt das Urteil dem Gesetzgeber ausdrücklich nahe, mal über die Parteienfinanzierung nachzudenken. Sinngemäß: Der Staat müsse verfassungsfeindliche Organisationen nicht auch noch mitfinanzieren.

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M.E. geht die viel größere Gefahr von der AfD aus. Schon deren offizielle Programmziele sind in wesentlichen Zügen weder mit dem bundesrepublikanischen Demokratie- und Gesellschaftsverständnis vereinbar, noch mit den moralischen Grundsätzen des abendländischen Humanismus. Die inoffiziellen Ziele der AfD - wie sie immer wieder in Reden und Internet-Posts etwa von Petry, Storch, Gauland und vor allem dem völkisch-rassistischen Hetzagitator Höcke zum Ausdruck kommen - haben mit bloßem Nationalkonservatismus nur noch wenig zu tun. Sie legen vielmehr immer deutlicher einen Kurs von nazistischem Revanchismus und Streben nach einer großdeutschen Renaissance vor. Nicht jeder Zeitgenosse ist ein Nazi, der jetzt meint, AfD wählen zu müssen - aus Protest gegen soziale Ungerechtigkeit, politisch-wirtschaftliche Verbandelung, Abgehobenheit der EU-Bürokratie oder wildwüchsige Globalisierung. Aber jeder muss sich überlegen, ob er einer Partei folgen will, von der beträchtliche Teile und viele Führungsfiguren dem Nazi-Denken und -Weltbild derart nahe stehen. Protestwähler im genannten Sinne, die auf die AfD setzen, setzen aufs falsche Pferd.

Andreas Pecht

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