Koblenz denkt wieder ganz groß

Quergedanken Nr. 149

ape. „Bescheidenheit ist eine Zier”, sagt weiser Volksmund. „Doch besser geht es ohne ihr”, schiebt bauernschlaues Volksmaul seit jeher nach. Koblenz hatte sich seit der BUGA 2011 in tugendsamer Zierde geübt. Lediglich die Neueinrichtung des Zentralplatzes war kurzzeitig für ein paar auswärtige Schlagzeilen gut. Nun aber währt, so scheint es, manchem Einheimischen die Bescheidenheit lange genug. Gleich zwei erstaunliche Ideen machen hierorts neuerdings die Runde. Beide zielen darauf ab, der kleinen Großstadt mal wieder einen Schub deutschland- und womöglich europaweiter oder gar noch weiterer Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Jetzt heißt die Devise: „Nicht kleckern, sondern klotzen”. Die eine Idee wird bereits von städtischer Seite ventiliert und lautet: Koblenz möge sich um den von der Europäischen Union für jeweils ein Jahr vergebenen Titel „Kulturhauptstadt Europas” bewerben. Die andere Idee ist von Privatseite ins Spiel gebracht und geht so: Man wolle den Künstler Christo bitten, das Kaiserdenkmal und/oder das ganze Deutsche Eck so interessant und schön zu verhüllen wie 1985 den Pariser Pont Neuf oder 1995 den Berliner Reichstag.

Das sind bemerkenswerte Einfälle, gewiss verbunden mit den schönsten Träumen. Und natürlich gilt, wie überall im Leben, auch dafür: „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt” sowie ganz praktisch „Fragen kost' nix”. Allerdings möchte es schon ratsam sein, vorab die Haken und Ösen zu bedenken, auf die man sich da womöglich einlassen muss. Sonst könnt's einem gehen wie mit dem Unesco-Welterbestatus, den viele Mittelrheiner bloß als prima Tourismuswerbung verstanden. Nachher war/ist das Gemaule groß über die Pflichten, die mit der Ehre verknüpft sind – von Seilbahn über Brücke bis Windräder und mehr geht vieles nur noch recht umständlich, manches gar nicht.

Was die zwei neuen Ideen betrifft, könnte man zu dem Schluss gelangen: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben” oder „Den letzten beißen die Hunde”. Nach dem EU-Rotationsverfahren wäre Deutschland 2025 dran, die Kulturhauptstadt zu stellen. Während Koblenz eben erst auf den Gedanken kommt, eine Antragstellung vielleicht zu prüfen, haben Chemnitz, Dresden, Magdeburg, Nürnberg, Kassel, Stralsund ihren Hut mit ehrgeizigen, innovativen, provokanten Kunstkonzepten längst in den Ring geworfen. Klar, Koblenz könnte nachziehen. Etwa mit dem Performance-Vorschlag „Das Leiden hiesiger Theaterbesucher”: Zwei Dutzend der jetzigen Sitze im städtischen Theater werden ausgebaut und laden auf der Löhrstraße alle Welt zum schmerzhaften Probesitzen ein. Oder: Man schreibt einen Kunstwettbwerb aus zum Thema „Die Botschaften eines Parkleitsystems, das gar nichts sagt”.

Bei Christo wäre Eile geboten. Denn der ist 82 Jahre alt und die meisten seiner späteren Aktionen bedurften Jahrzehnte der Vorbereitung. Die Vorarbeit am eben wegen Trump verworfenen Projekt, den Arkansas River auf 11 Kilometern mit einem Tuch zu überdecken, begann 1992. Favorisiert wird jetzt von Christo ein seit 1977 in Planung befindliches Wüstenprojekt, aus 410 000 Ölfässern eine altägyptische Grabstätte nachzubilden. Ob dem Manne da für seine letzten Jahre der Sinn ausgerechnet nach einem Kaiserwickel in Koblenz steht? Sowieso wäre das nach Christo-Maßstäben etwas mickrig. Think big!: Eck einpacken, den ganzen Ehrenbreitstein ebenfalls, beide verbinden mit einem Stofftunnel um die Seilbahn. Mindestens.

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
25./26. Woche im Juni 2017)

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