Quergedanken Nr. 154
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2017-11-26 Kolumne/Glosse:
 
     
     
          
   Oh du süßes
   Klingeling-
   bimbim
 

 

ape.
Obwohl von Religiosität bekanntermaßen gänzlich unbeleckt, habe ich gar nichts gegen Weihnachten. Der lebensfrohe Grundsatz „man soll die Feste feiern wie sie fallen“ gilt mir viel; sofern es sich nicht gerade um Kaisers oder Führers Geburtstag handelt. Der strenggläubige Einwand sticht nicht, wonach nur derjenige Anrecht auf weihnachtliche Festivität habe, der an die Jungfrauengeburt Christi glaubt. Es ist nämlich so: Just selbige Nacht feierten Menschen schon lange bevor die erste Bibelzeile auf eine Kuhhaut geschrieben ward. Sie begehen diese Weihe-Nacht seit sie wissen, dass es die längste im Jahreskreis ist, dessen Zyklus sich nun, an Mittwinter, wendet. Und das Wissen darum reicht durchaus zurück auf bald 50 000 Jahre ante domini.

Gerne schaue, rieche, schmecke, genieße ich jene zur Weihnacht von den Altvorderen überlieferten Dinge und Gebräuche: die besonderen Spezereien wie Plätzchen, Stollen, Lebkuchen; Adventskranz und Weihnachtsbaum; Kerzenlicht und Feuerschein; das „Ho-hoo“ des Weihnachtsmannes und das „Sapperlott“ des Ruprecht; die Wintergesänge nebst gemeinsamem Schmausen und Süffeln; die kleinen Liebesgaben von jedem an jeden. War es nicht ein schöner Zug des aus dem Nahen Osten eingewanderten Christentums, all diese Traditionen aus älteren und anderen Kulturen zu übernehmen – und sie seinerseits um das Krippenspiel zu bereichern?

„Hör auf! Hör bloß auf mit dem Schmus!“ Freund Walter wirkt – nach dem Genuss der zweiten Grillwurst, einer Tüte gebrannter Mandeln sowie des vierten Bechers Glühwein – sagen wir: unwillig zerzaust. Er meint, das sei zwar nett gedacht und historisch richtig, was ich von mir gebe. „Mit dem Hier und Heute hat dein Gesäusel aber gar nichts mehr gemein.“ Dann umfasst er vom Glühweinstand aus mit unwirscher Geste die ganze Stadt und zischt böse: „Das schreit doch alles nur noch: kaufen! kaufen! kaufen! – fressen! fressen! fressen! –  saufen! saufen! saufen!“  Und das fände er „zum Kotzen, Kotzen, Kotzen!“

Walters Zungenschlag mag etwas deftig sein. Doch schupst er meine Gedanken in Richtung eines seltsam widersinnigen Phänomens. Ob christlich oder sonstwie orientiert: Wir alle verbinden mit  Weihnachten/Mittwinter das Ideal einer ruhigen, stillen, beschützten, friedvollen Zeit – deren Beglückung vor allem dem schlichtem Brauchtum ehedem bäuerlicher und handwerklicher Art entspringt. Unsere Sehnsucht danach ist so groß, dass Reklame, Straßenschmuck,  Schaufensterdekorationen und sowieso jedweder Weihnachtsmarkt diese Art mit erheblichem Bemühen nachäffen. Heraus kommt indes nicht wohlige Schlichtheit, sondern bloß eine absurd banale Schlichtheitsmaske, hinter der sich geschäftsmäßige Tobsucht – inzwischen oft schon im September ausbrechend – kaum noch verbergen lässt.

Die Menschen sind eine eigenartige Spezies (geworden). Ausgerechnet während der kürzesten Tage und längsten Nächte, die sie von Natur und von alters her eigentlich vor allem Geborgenheit, Behaglichkeit, Besinnlichkeit wünschen lassen – ausgerechnet zu dieser Zeit stürzen sie sich heute in die unglaublichsten Turbulenzen. Sofern noch von einem Weihnachtswunder gesprochen werden kann, dann von dem: Mittels süßlichem Klingelingbimbim ist es gelungen, uns derart zu konditionieren, dass wir mit Freuden das genaue Gegenteil von dem tun, wonach wir uns so sehr sehnen. Walter nickt und lallt: „Darauf noch zwei Würste und eine Runde Glühwein!“ 


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
48. Woche im Oktober 2017)
                                            

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