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2016-11-16 Ausstellungsbesprechung:


Geheimnisse in den Abbildern
des Jeff Cowen


Ludwig Museum Koblenz widmet dem Fotokünstler eine erste Einzelausstellung


 
ape. Koblenz. „Kunst ist nie fertig, sie wird lediglich sich selbst überlassen”, sprach dereinst Leonardo da Vinci. Die betrachtende Welt und Nachwelt erst „vollendet” mit ihrem Urteil, woran der Künstler irgendwann mehr oder minder zufrieden einfach aufgehört hat, zu arbeiten. Gilt das auch für die Fotografie? Henri Cartier-Bresson meinte noch, im richtigen Moment des Fotografierens, im „Klick”, vollende und  erschöpfe sich der kreative Akt. Die Folgearbeit in der Dunkelkammer sei nur technisches Handwerk, um dessen Ergebnis sichtbar zu machen. Diese Position wurde zumindest von den Fotokünstlern bald verworfen. Und seit Verbreitung der Digitalfotografie weiß jedes Kind: Die Nachbearbeitung des „Klicks” ist eine gestalterische Dimension per se. 



Das Ludwig Museum Koblenz präsentiert in Kooperation mit dem Amsterdamer Huis Marseille Museum for Photography jetzt die erste museale Einzelausstellung mit Arbeiten von Jeff Cowen. Der Mann stammt aus New York, lebt ihn Berlin und gilt als Sonderling unter den zeitgenössischen Fotokünstlern. Warum? Weil er, erstens, von Digitalfotografie nichts wissen mag, stattdessen wieder analog fotografiert und die Bilder in der Dunkelkammer entwickelt. Weil für ihn, zweitens, das Foto nur Ausgangspunkt für einen anschließend handwerklich-künstlerischen Bearbeitungs- und Gestaltungsprozess ist. Woraus, drittens, Werke resultieren, die wie Gemälde und/oder Collagen nach Ästhetik- oder Bedeutungsebenen jenseits der Realitätsoberfläche tasten.

Die rund 60 Exponate im Ludwig Museum sind für eine Fotoschau ziemlich opulent. Sie haben mal Plakatgröße, reichen mal bis zur Gemäldedimension von fast zwei Metern in der Breite oder Höhe. Sie muten aus einigen Schritten Entfernung auch wie malerische Arbeiten an. Und näher herangetreten, stellt sich meist heraus: Cowen ist seinen Fotos tatsächlich mit Pinsel, Spachtel, Wasser- oder Ölfarbe, bisweilen sogar mit Schere und Kleber zu Leibe gerückt. Kaum eine Arbeit, die keine Mischform wäre – seien es eigens hinzugefügte oder dem Original entrissene, hernach wieder bei- oder aufgeklebte Fragmente, seien es bloß von Hand gemalte Rahmungen.

Viele Werke scheinen bereits auf der fotografischen Ebene „gestört”. Weiße Sprenkel, zerfließende Flecken, Streifen, Unschärfen, Schattenwürfe, Mehrfachbelichtungen, Verbrennungen lassen vor allem in den Themenfeldern „Natur”, abstrakte „Struktur” sowie „Stillleben” an schadhaftes Filmmaterial, Belichtungs- oder Entwicklungsfehler denken. Doch aus den Bildkompositionen etwa von verfremdeten Wald-, Park- und Blumenaufnahmen lässt sich rasch erkennen: Das ist so gewollt, ist Folge von Cowens gezielter physikalischer und chemischer Beeinflussung der Bilder im Zuge des Entwicklens und Nachbearbeitens.

Etwas weniger „gestört” erscheinen einige Exponate aus der Reihe „Statua”. Dabei ist das Bildsujet selbst schon Träger der größte „Störung”, denn die Reihe befasst sich nicht zuletzt mit beschädigten historischen Skulpturen. Des Künstlers Nachbearbeitung nimmt diesen Bildern einerseits die finale Schärfe der fotografischen Dokumentation. Andererseits haucht er den steinernen Monumenten so eine geheimnisvolle Lebendigkeit ein – die weggebrochene Nasen, Arme oder andere Brüche geradezu als Determinanten skulpturaler Schönheit wirken lassen. Rätselhafte respektive den Blick des neugierigen Betrachters fordernde und weitende Mehrschichtigkeit ist sowohl in der handwerklichen Ausarbeitung wie bei den ästhetischen Dimensionen Wesensmerkmal von Cowens Oeuvre.

In der Abteilung „Porträts” konzentriert sich dies alles auf das Geheimnis anrührender Schönheit im fraulichen Antlitz. Eine selbstvergessene Luisa hält ihr Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne entgegen. Zwei sich nur in der Lichtgebung minimal unterscheidende Aufnahmen zeigen eine schlafende Charlotte lächelnd entspannt ins Gras gebettet. Schließlich das Doppelporträt „Camille”: Ernst und in Gedanken versunken schaut die junge Frau auf dem einen Bild in die Ferne. Dann plötzlich, auf dem anderen, wendet sie die Augen, und nur die Augen direkt dem Betrachter zu – wie Mona Lisa oder das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge. Ernst schaut sie ihm fragend, deutend, verstehend in die Tiefen der Seele.

Andreas Pecht

Bis 22. Januar 2017
Infos: >>www.ludwigmuseum.org/
                                                                                  

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