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2016-06-14 Schauspielkritik:

Literatur vielleicht doch besser Literatur bleiben lassen?

Franz Kafkas Romanfragment "Das Schloss"
in Bonn als Bühnenstück versucht
 
 
ape. Bonn-Bad Godesberg. Er hat nicht ein einziges Theaterstück geschrieben, gleichwohl taucht er neuerdings sehr häufig in den Spielplänen auf: Franz Kafka. Aus schwer erfindlichem Grund scheinen viele heutige Theatermacher seine literarischen Werke für besonders bühnentauglich zu halten. Unlängst brachte das Staatstheater Mainz eine ansehnliche Theatralisierung von „Der Prozess” heraus, Anfang Juni das Hamburger Thalia eine interessant aufs aktuelle Thema Fremdenfeindlichkeit gebürstete Umsetzung von „Das Schloss”. Mit Letzterem stockt nun auch das Theater Bonn seine weithin beispiellose Überfülle theatralischer Literaturbearbeitungen auf. Nach zweieinhalb sehr langen Stunden möchte man urteilen: Viel gewagt, wenig gewonnen.


Denn es bleiben immer dieselben Fragen, die an Versuche zu richten sind, ursprünglich nur als Lektüre gedachte Werke in Szene zu setzen: Funktioniert das überhaupt und fügt es dem ursprünglichen Lesestoff irgendeinen künstlerischen Neuwert hinzu? Bei Mirja Biels Inszenierung in den Kammerspielen Godesberg findet sich nur schwer eine Antwort auf das Warum und Wozu. Auf die verschneite Drehbühne sind ein Wolkenhorizont, ein gläsernes Grenzhäuschen und ein billiger Flachbungalow gebaut. Am einen Bühnenrand steht ein schrottiger PKW, am andern eine kleine Metallkuppel. Das alles wirkt wie gottverlassene Grenzgegend gleich nach der Wende.

Vom titelgebenden Schloss auf der Bühne keine Spur. Der anonyme Machtapparat im Hintergrund, das sind Parkett, Zuseher, reale Außenwelt. Zumindest lassen ein paar Hinweise diese Deutung zu. Und wir schauen nun quasi von der Warte des allmächtigen Off aus zu, wie der Landvermesser K. sich vergeblich abstrampelt, mit seinen Auftraggebern, also uns, in Kontakt zu treten. Zumindest behauptet er gegenüber den Dorfbewohnern, bei denen er in kalter Nacht gestrandet ist, vom Schloss zwecks Landvermessung engagiert zu sein. Vielleicht ist K. aber auch nur ein Flüchtling, der dies vortäuscht, auf dass man ihm ein Unterkommen im Dorf gewähre.

Diese und manch andere Uneindeutigkeit gehen auf Kafka zurück. Und das Theater ist natürlich gut beraten, sie nicht auflösen zu wollen. Denn das stete Wirken kaum benennbarer und nicht greifbarer Bedrohung ist ein Wesenszug der kafkaesken Literatur. Die ruft im Kopf des Lesers ihre je eigenen Bilder, Stimmungen, Beklommenheiten, Ausdeutungen hervor. Auf der Bühne jedoch braucht es eine kollektiv fassbare Darstellungsoberfläche. Die funktioniert in Bonn, trotz etlicher Brüche und teils arger Längen, recht gut, wo vom äußeren Geschehen erzählt wird. Mehr noch: Es gelingt Biels Inszenierung und dem achtköpfigen Ensemble nebst einigen Kinderstatisten, die normative Zurichtung der Dörfler durch die Schloss-Macht sowie ihre daraus erwachsende Feindschaft gegenüber jedem Abweichlertum und Fremden, durchaus beklemmend umzusetzen.

Allerdings ist das nur die halbe Miete. Die andere Hälfte steckt in der unsichtbaren Dauerpräsenz des Schlosses, vor allem aber im Innern der Hauptfigur K., hier mit großem Engagement gespielt von Hajo Tuschy. Doch bei beidem sperrt sich die Literatur bald einem theatralen Zugriff, der keine Mittel und Wege findet, dem Unsagbaren,  Abstrusen, Vagen in den Tiefen Ausdruck zu verleihen. Womöglich ist es die Krux dieser Inszenierung, dass sie sich erkennbar bemüht, Kafka nahe zu sein, statt einen ganz eigenen, ganz anderen Zugriff auf dessen Stoff zu suchen – oder eben Literatur Literatur bleiben zu lassen.

Andreas Pecht


Infos: >>www.theater-bonn.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Pressemedium außerhalb dieser website am 14. Juni 2016)

                                     

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