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2016-02-01 Schauspielkritik:

Zum laprofth-Geburtstag in Shakespeare vereint


Landesverband RLP freier Profitheater und Theater Koblenz zeigen gemeinsame Umsetzung von Sonetten
 
 
ape. Koblenz. Zwei Dutzend Mitwirkende von 16 Theatergruppen aus ganz Rheinland-Pfalz nebst fünf Schauspielern des Theaters Koblenz haben sich zusammengetan – um im 400. Todesjahr Shakespeares mit dessen Würdigung zugleich angemessen den 25. Geburtstag des Landesverbandes professioneller freier Theater (laprofth) zu begehen. Das Projekt unter dem Titel „Shakespeare – Liebe, Tod und Traum” wurde bei der offiziellen Feierstunde vor der Premiere am Samstag von allen Rednern als „Wagnis” bezeichnet, besser: gelobt. Denn derartiges  Zusammenwirken von freier Szene mit einem öffentlich-rechtlichen Theater hat in Deutschland noch immer Seltenheitswert.



Resultat auf der Bühne hinter dem Eisernen Vorhang des Koblenzer Theaters? Selbst William Shakespeare hätte wohl Freude an den so unterschiedlichen szenischen Umsetzungen und Interpretationen einer Auswahl seiner Sonette. Ihm waren sie schließlich alle noch vertraut, lieb, wert: die Spielformen von hoher Dramatik über doppelbödige Narretei und deftige Comedia dell'arte bis zu Volkstheater, versonnener Clownerie oder burleskem Puppenspiel. Eben dies ist das weite Spektrum der Mitgliedsgruppen von laprofth, die hauptberuflich durchs Land ziehen und Theater nicht zuletzt dorthin bringen, wo es keines gibt.

Das würdigt auch der neue rheinland-pfälzische Kulturminister Konrad Wolf beim Festakt. Dass ihn seine erste offizielle Begegnung mit der Kulturszene des Landes ins Koblenzer Theater und zu laprofth führe, sei zwar Zufall, ihm aber durchaus angenehm. Freundlich verspricht er für seine Amtsführung allfällige Gesprächsbereitschaft. Perspektivische Aussagen zur Landeskulturpolitik bleiben erwartungsgemäß aus – nur wenige Tage nach Übernahme des Kulturressorts, das dem Minister bis dato ebenso fremd ist wie seinem Staatssekretär Salvatore Barbaro.

Tiefrot ist die quadratische Bodenfläche inmitten eines Zuschauerkarrees, die als Bühne für die 110-minütige, von Wolf E. Rahlfs konzipierte und künstlerisch betreute Produktion dient. Darauf liegen zu Beginn schwarz gewandete Gestalten wie schlafend (Kostüme: Franziska Smolarek). Rot und Schwarz sind die durchgängigen Grundfarben, die den Abend in optischer Hintergründigkeit zusammenhalten. Hier die Liebe, da der Tod; beide zum Zwischenreich der Träume vereint. Ein junger Mann erkundet in schmunzeln machender Neugier und Unschuld die Schlafenden, findet an deren Leibern Zettel mit Sonett 71 darauf und setzt es staunend zusammen.

Im Mannskostüm aber steckt eine Frau, Magdalena Pircher. Damit und mit den Versen von 71 findet das Shakespeare-Spiel der Geschlechterwirrungen und Liebesirrungen seine Verwurzelung in der Menschen Ganzheit aus Zerrissenheiten. Pircher gehört zum Koblenzer Hausensemble wie vier andere Figuren auch, die dem Spiel seinen Rahmen und zugleich ein Spannungsgefüge geben: der Tod (Isabel Mascarenhas), mal düster dräuend, mal wuchtig daherstampfend; im halbtransparenten Festkleid die dunkle Lady der Liebesbegierden und -abgründe (Dorothee Lochner); neckisch mit Flügelchen und Grinsegesicht Cupido (Christof Maria Kaiser), Schelmenengelchen der verspielt-lüstlichen Liebelei. Fünfter im Bunde ist die von der Seite bissig kommentierende, persiflierende, vergackeiernde Handpuppe Wölfi von Stephan Siegfried. Mit deren oft hintergründiger Witzelei haben wir einen vortrefflichen Shakespeare-Narren im Spiel.

Als Cupido in der zweiten Szene mit Sonett 154 Liebespfeile und „heißatmende Begier” um sich schießt, ist's aus mit dem Schlaf. Aufgeregt stürzen sofort alle durch-, über-, ineinander und von der Bühne herunter. Es folgt nun der Vorbeizug von Traumszenen. Darin setzen Mitglieder von laprofth einzeln oder in Gruppen meist mit den ihnen eigenen theatralischen Mitteln Shakespeare-Sonette in Bühnenspiel um. Die Vielfalt der Darstellungsformen ist per se ein Faszinosum. Die anfängliche Irrititation darüber, dass unter anderem Clowns, Jongleure, Puppen- und Marionettenspieler, Stimmakrobaten, Pantomimen oder Musikkabarettisten sich der berühmten, tiefschürfenden und höchst kunstvollen Gedichte annehmen, schwindet rasch.

Wenn etwa Sigi Karnath aus Bad Kreuznach als Clownin mit einem Skelett tanzt, Schnaps trinkt und via Sonett 57 fragt „Bin ich dein Sklave?” macht das nicht nur Spaß, sondern stößt in ungeahnte Deutungstiefen vor. Wenn Silvia Sauer aus Mainz mit Stimmkunst und Loop-Technik  „Sirenentränen trinkt”, wird die Atmosphäre von Sonett 119 buchstäblich hörbar. Wenn die Pfälzer Monika Kleebauer, Hedda Brockmeyer und Billy Bernhard tragikomisch mit sicht- und unsichtbaren Luftballons spielen, wird daraus plötzlich intensives Ausloten der Spannung zwischen Lust und Leid in Sonett 44.

So geht es fort, 21 Szenen zu 21 Sonetten. Man könnte die Produktion schlicht als vom Theater Koblenz künstlerisch und vom Land finanziell unterstützte Leistungsschau der freien Profitheaterszene auffassen. Doch ist aus der wohlüberlegten Zusammenführung von Vielgestaltigkeit wie auch unterschiedlichen Spielniveaus mehr entstanden: ein ungewöhnlicher, ein poetischer Shakespeare-Abend von eigener Logik und eigenem Wert. 

Andreas Pecht

Die nächsten und zugleich letzten Vorstellungen sind am
25. Mai sowie 6. und 10. Juni
Karten: >>www.theater-koblenz.de/

Infos über laprofth: >>www.laprofth.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Pressemedium außerhalb dieser website am 23. Mai 2016)

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Zuvor publizierte Artikel zum laprofth-Jubiläum:

2016-05-01
Probenbesuch bei Projektgruppe Nord - Vorbereitung auf laprofth-Jubiläum mit Sonetten von Shakespeare


2016-02-24
Gemeinschaftsprojekt freier Theaterprofis aus RLP mit Theater Koblenz zum 25. von "la profth" (Gespräch mit Astrid Sacher und Markus Dietze)


                                     
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