Theater
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2016-05-09 Schauspielkritik:

Marionetten an den Fäden
der Geldgier

Koblenzer Inszenierung von "Volpone" ist
ein gelungener Spaß jmit etwas Hintersinn


 
ape. Koblenz. Theaterfreunde denken beim Namen Ben Jonson nicht an Sprinter oder Boxer, sondern an den Londoner Zeitgenossen und Konkurrenten Shakespeares. Eine schillernde Person, Mitbegründer der satirischen Sittenkomödie, wiederholt zu Kerkerhaft verurteilt wegen spitzzüngig-komödiantischer Majestätsbeleidung. Maskenspiel gehörte ebenso zu seinen Spezialitäten wie die Bloßstellung von Habgier und Heuchelei des betuchten Bürgertums. Das Theater Koblenz hat nun Jonsons Komödie „Volpone oder der Fuchs” aus dem Jahr 1606 als amüsante Mischung beider Spezialtäten herausgebracht.



Diese Art des mit fettem demonstrativem Gestus kalauernden Bühnenspiels ist nicht jedermanns Sache. Doch sie gehört zum Theater wie das derbe Jahrmarktsbrettl uralter und die saftige Commedia dell'arte alter Zeit. Beides lässt sich banal oder kunstvoll machen; Letzteres ist jetzt für die Inszenierung von Frank Alexander Engel in Koblenz zu attestieren. Besonderheit in diesem Fall: Im Unterschied zu gewohnten „Volpone”-Schauspielen sind die beiden zentralen Rollen – Volpone und sein Diener Mosca – hier mit Puppenfiguren besetzt (Puppenspieler/-sprecher Stephan Siegfried und Myriam Rossbach). Mehr noch: Es haben sich alle übrigen, menschlichen, Mitspieler per Ganzkörpermaskerade quasi in Puppen verwandelt.

Der kräftige Rückgriff auf die Commedia dell'arte ist unverkennbar: Die Maske definiert den Typus und im besten Falle auch seine Spielweise. In Koblenz gibt es ziemlich viele beste Fälle. Den ebenso reizend jovialen wie heimtückisch gewieften Notar Voltore vorneweg: Christof Maria Kaiser gibt ihn als fettleibige Gummipuppe, die gleichwohl leichtfüßig tänzelnd den Fallgruben der Erbschleicherei ausweicht. Oder den Wucherer Corbaccio, für den David Prosenc als greises Wrack an Krückstöcken kostümiert ist und wie ein Spinne auf Lauer umeinanderschleicht.

Wiederholt mit Szenenapplaus bedacht wird Claudia Felke, deren frivol-ordinäre Darstellung der Liebesdienerin Putta Alice trefflich zum Outfit aus megabarocker Fleischlichkeit nebst heutig plastininer Busenopulenz passt. Ein Hingucker ist auch die Celia von Isabel Mascarenhas: Die mit unschuldigem Augenaufschlag klimpernde „schöne” Gattin des eifersüchtigen Kaufmanns Corvino (Wolfram Boelzle) verbirgt unterm Madonnenumhang einen für die Sünde geschaffenen und sichtlich nach Sünde lechzenden Prachtleib.

Worum geht es in diesem Bestarium, für das Regisseur Engel und Kerstin Schmidt die Kostüme, den Puppenbau und eine ebenso schlichte wie wirkungsstarke Wechselbühne aus grob gemalten Stuben und offenem Raum besorgten? Die Übersetzung der italienischen Namen der Beteiligten gibt Hinweis auf eine alte Tierfabel: Mosca meint Fliege, Voltore ist ein Geier, Corbaccio die Krähe... – und alle gehen sie Volpone, dem listigen Fuchs, auf den Leim. Der stellt sich tot, lockt so die Aasfresser an und verschlingt sie.

Von Ben Jonson auf gesellschaftliche Verhältnisse übertragen, spielt ein stinkreicher Geldsack (Volpone) den Sterbenden, um anderen reichen Gierhälsen Aussicht auf ein pralles Erbe vorzugaukeln. Die Chancen eines jeden stiegen, so die von Mosca kolportierte Annahme, durch zuvor wohlfeile Liebesgaben an den vermeintlich Todkranken. Das erahnbare, dann aber doch etwas unerwartet ausfallende Ende sei hier nicht verraten. Stattdessen ein gern getroffenes Urteil über den zweistündigen Abend: Handwerklich ist er sehr gut gewirkt. Das obligate Komödien-Maschinchen schnurrt bestens geölt, Stellungs- und Bewegungstiming stimmen auf den Punkt.

Besonders schön: Wegen der Maskerade muss Mienenspiel durch Körper- und Sprechausdruck ersetzt werden, was hier in gekonnter Weise einen ganz eigenen Reiz entfaltet. In summa ist diese Inszenierung ein gelungener Spaß mit etwas Hintersinn – insofern die ganze Bagage gewissermaßen aus Marionetten besteht, die an unsichtbaren, aber wirkmächtigen Fäden der Geldgier zappeln.

Andreas Pecht


Infos: >>www.theater-koblenz.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Pressemedium außerhalb dieser website am 9. Mai 2016)


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