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2016-03-04 Ausstellungsbesprechung:


Wortelkamp-Skulpturen im Dialog
mit Landesmuseum Mainz


Holz- und Bronzearbeiten aus fünf Jahrzehnten gezielt im Haus und auf dem Freigelände positioniert

 
ape. Mainz. Er ist neben dem bald 102-jährigen K.O. Götz der international bedeutendste im Westerwald ansässige bildende Künstler der ältesten Gegenwartsgeneration: der Bildhauer Erwin Wortelkamp (77). Im Landesmuseum Mainz eröffnet am Sonntag eine Präsentation mit 18 seiner Bronze- und Holzskulpturen nebst etlichen Papierarbeiten (bis 27. November). Unter dem Titel „Skulpturen draußen/drinnen” sind sie auf mehrere Stationen über das Museum sowie dessen Innenhof verteilt.



Das von Wortelkamp 1986 ins Leben gerufene „Im Tal” bei Hasselbach/WW gilt als eine der wichtigsten Kunstadressen im nördlichen Rheinland-Pfalz. 50 Künstler haben dort einen Landschaftsraum ausgestaltet, dabei stets ein inspirierendes wie angemessenes Verhältnis zwischen Natur und Kunst suchend. Diesen Sommer feiert „Im Tal” 30. Geburtstag, weshalb es passt, dass Wortelkamp in der Landeshauptstadt nach 1997 wieder eine Werkschau gewidmet wird.

Doch wie es ihm eigen ist, werden nicht einfach Werke ausgestellt, um nur für sich selbst zu sprechen. Sie sollen vielmehr Fühlung zur Umgebung aufnehmen, sollen sie interpretieren, (mit)gestalten, auf veränderte Art wahrnehmbar machen. Die Skulpturen sind von Wortelkamp gezielt für die Mainzer Bedingungen ausgewählt und positioniert. Er will neue Blicke auf altbekannte Räume und Architekturen öffnen, will auch in spannungsreiche Beziehungen zu den Werken anderer hier ausgesteller Künstler treten.

Den unteren Wandelgang des Museums trennt vom Innenhof eine Glaswand. An der Scheibe lehnt eine Holzskulptur: Gearbeitet aus dem Oberstück einer Eiche, weist der schräg stehende Fußteil nach innen, während das Kopfgeäst nach draußen zu winken scheint. Dort liegt ein gewaltiger Eichenstamm, in dessen Ende mit der Kettensäge kurz vor Ausstellungsbeginn ein großes Loch geschnitten wurde. „Liegend 1999 – 2016” heißt die Arbeit gemäß ihrer ursprünglichen Entstehungsphase und ihrer jüngsten Überarbeitung.

Besagtes Loch gewährt Einblicke ins Innere der Eiche und zugleich Durchblicke auf andere Wortelkamp-Skulpturen im Außengelände. Das sind dunkelbgraue Bronzen, die beim ersten Blick an Basaltbruch erinnern, beim zweiten Holzstrukturen offenbaren und beim dritten zu etwas eigenständig Anderem gerinnen. Deren Anordnung auf der Freifläche korrespondiert sowohl mit den Umgebungsbauten als auch einer rheinhessischen Weinrebenanlage im Innenhof. Sie gehorcht zugleich der Anforderung des Geländes als multifunktionalem Veranstaltungsraum.

Was dem Eichenstamm draußen beim Schaffen des Loches an Substanz genommen wurde, taucht drinnen im Museum als neue eigenständige Skulptur „Teil aus einem Ganzen” wieder auf. Das ist ein kompakter Holzkörper, zahllose Schnittflächen, Sägekerbungen, Kanten, Verwachsungen aufweisend, in der Grundform aber doch ungefähr kugelig.  So gesellt sich diese Arbeit quasi als jüngster Verwandter zu Wortelkamps berühmter „Köpfe”-Reihe aus den 1980ern.

Das erste Original jener Köpfe begegnet dem Besucher im Fahrstuhl zum zweiten Obergeschoss. Wie vergessen steht es in der Kabine, lädt zum Anfassen ein; was erlaubt ist, vom  Künstler nachgerade erwünscht. Denn es gibt etwas zu entdecken: Der Kopf besteht aus zwei Materialien, aus warmem Holz und deutlich kälterem Eisen. Oben im Saal für „Klassische Moderne” warten in einem eigenen Alkoven drei weitere Köpfe. Sie sind umgeben von Papierzeichnungen, die auf eine anfängliche Tragödie in ihrem Innern hinweisen: Brutal wurden Eisenwinkel ins Holz getrieben. Nachher aber sind sie "integriert", bilden Eisen und Holz ein neues  Ganzes. Die Wunden sind zwar mit Farbe übermalt, doch Schattierungen machen bleibende Narben kenntlich. Der Schmerz jener Brutalität freilich verbirgt sich nun im Innern.

Die schönste Korrespondenzwirkung in der Ausstellung erzielt eine Trias aus zwei Wortelkamp-Arbeiten und Wilhelm Lehmbrucks Skulptur „Die große Kniende” von 1911. Im Zentrum die in sich gekehrte und zugleich aus Schlichtheit  erwachsendes Selbstbewusstsein ausstrahlende Frau – der sich von der einen Wand zärtlich und beschützend ein Stück gesägte und gekalkte Eiche entgegenreckt, von der anderen die abstrakte Bronze „weiblicher Torso” neugierig herüberbeugt. „Achtungsgefüge” nennt Wortelkamp diese Art der äußeren wie inneren Begegnung seiner Kunst mit derjenigen Lehmbrucks.

Infos: >>www.landesmuseum-mainz.de     
                                                                                     Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung in leicht gekürzter Fassung außerhalb dieser website am 04. März 2016)

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