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2015-03-31 Ausstellungsbesprechung:

Mel Ramos - My Age of Pop. Ausstellung im Ludwigmuseums Koblenz
 


Sex sells

 
ape. Koblenz. Nackte oder spärlich bekleidete Frauen in eindeutig sexuell aufgeladenen Posen: auf kubanischen Zigarren reitend, sich in Martini-Kelchen räkelnd, Pommestüten entsteigend, als kurvenreiche Comic-Heldinnen die Peitsche schwingend .... Das Ludwigmuseum Koblenz hängt derzeit voll mit Bildern, die auf den ersten Blick erscheinen mögen, als seien sie in den 1960er/70ern schummrigen Bars entlehnt oder Soldatenspinden entnommen. Als Pin-ups werden solche Motive gewöhnlich bezeichnet. In diesem Fall stammen die „frivolen” Arbeiten von Mel Ramos, einem anerkannten Altmeister der Kunstrichtung Pop Art. Was sie allerdings keineswegs vor der Frage schützt: Sind die Werke nicht sexistisch?



Ramos feiert im Juli diesen Jahres seinen 80. Geburtstag. Die rund 100 Exponate – vor allem Lithografien, Skulpturen und Zeichnungen – umfassende Schau „Mel Ramos. My Age of Pop” ist als Hommage auf ihn, einen der letzten noch lebenden, bedeutenden Vertreter der Pop Art gedacht. Zur Eröffnung war er persönlich aus den USA ans Deutsche Eck gereist. In den frühen 1960ern löste sich der Kalifornier vom bis dahin vorherrschenden Abstrakten Expressionismus und begann malerisch mit Comic-Figuren zu spielen. Superman, Batman, Fantomas und andere wurden Kunstgegenstand. Mit ihnen startet auch die Koblenzer Präsentation – um rasch zu jenem Sujet zu kommen, das dann mehr als fünf Jahrzehnte und bis heute wie ein schierer Fetisch im Zentrum von Ramos Schaffen steht: aufreizende Weiblichkeit als Instrument der Werbung.

Am Übergang von den Supermännern zu den sogenannten „Commercial Pin-Ups“ wirft sich auf drei Bildern Wonder Woman als weibliches Pendant der Mannshelden in Positur. Alle drei Ladies stecken in Sternenbanner-Höschen, machen jedoch unterschiedliche Figur. Die erste, 1979 gemalt, zeigt sich mit einem die Brüste spitz formenden Top über ausladendem Po. Das erinnert an die 50er/60er, an Doris Day oder Liz Taylor. Die Version aus dem Jahr 2010 fasst schwere Brüste in einen rundenden Goldharnisch, wirkt mit ihren in die Hüften gestemmten Händen und mit rotem Stern auf metallenem Stirnreif wie eine Kampfgenossin von Red Sonja aus den 70er/80ern. Die jüngste Wonder Woman von 2014 kommt mager wie ein Model der 90er im Tänzelschritt daher.

Es scheint, als seien Ramos' Bilder Rückblicke, als hinkten sie bei ihrer Entstehung dem realen Zeitgeist stets um etliche Jahre hinterher. Mehr noch: Ein Großteil seines Oeuvres mutet den Betrachter von heute an, als sei es ästhetisch in den ersten zwei bis drei Jahrzehnten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stecken geblieben. Schlüsselloch-Bilder mit Blicken auf die Reize von Marilyn Monroe spielen wie einschlägige Magazine jener Jahre mit dem Motiv des heimlichen Voyerismus. Wie einstige Werbeposter oder -plakate erscheinen viele Arbeiten auch aus jüngerer Zeit. Sie zeigen nackte Schöne, die sich auf länglichen und allemal mannsgroßen Kaugummipackungen, Bonbonrollen, Schokoriegeln räckeln, sich an pralle Cremetuben, aufrecht stehende Cola-, Wein-, Bierflaschen schmiegen.

Das beworbene Produkt als phallischer Magnet, dessen Anziehung die schönsten Frauen lustvoll nachgeben?! Oder umgekehrt das Versprechen, dass mit dem beworbenen Produkt kein potenter Mann der Lockung des Weibes widerstehen kann?! Ganz so einfach ist das bei Mel Ramos nicht, auch wenn sein Blick ein Männerblick ist und er erkennbar Freude daran hat, wohl proportionierte Frauen in erotisch anregenden Posen darzustellen. Denn was wie Werbung ausschaut, hat es in solcher Offenherzigkeit in der Werbung des 20. Jahrhunderts nie gegeben. Der Künstler legt die Gedankenbilder frei, auf deren Entstehen die Werbeindustrie mehr oder minder subkutan abzielt. Gewissermaßen parodiert er den Sexismus der Werbestrategie Sex sell's – mittels "Sexismus".

Dabei lohnt der Blick auf oft leicht zu übersehende Kleinigkeiten. Etwa im Vergleich der Bilder seiner ab 1996 entstandenen Havanna-Serie. Die Gesichtszüge der Frauen, die da mit provokanten Sexappeal überlebensgroßen Zigarren beliegen, ändern sich von einem Werk zum andern. Mal beglückt, mal schnippisch, mal zynisch, mal mit Schlafzimmerblick, mal skeptisch, mal herrisch, mal dem Weinen nahe lassen sie Anzeichen von Individualität jenseits des werblichen Normtypus erkennen. Darunter eine, die aussieht wie Uma Thurman und fast schaut wie die von ihr dargestellte Braut in Quentin Tarantinos Eastern „Kill Bill”. In Gedanken sieht man sie das Samuraischwert ziehen und, ach, der Tabakrolle damit zu Leibe rücken.

Erst recht lohnt sich die genaue Betrachtung von Mimik und Haltung bei Arbeiten aus den 60-/70ern. Hier die über ein Geländer gebeugte selbstbewusste Frau, die sich aus ihrer Barbusigkeit gar nichts macht, stattdessen den Betrachter spöttisch anlächelt. Dort ein Bunny, das im Gegenteil die Schultern verschämt nach vorne krümmt als wolle das Modell seine Brüste verstecken. Die Frage nach dem Sexismus in Ramos' Werk relativiert sich während des Ausstellungsrundgangs. Die Antwort neigt spätestens angesichts etlicher Anlehnungen in Pop Art-Manier an klassische Vorbilder wie Manet, Mondrian oder das seit Leonardo in der Kunstgeschichte vielfach variierte Motiv „Leda mit dem Schwan” zur Verneinung. Ramos' Oeuvre hat mit echtem Seximus so viel zu tun wie Pornografie mit Courbets Gemälde „Der Ursprung der Welt” oder mannigfach lustvoller Verarbeitung bacchantischer Antikenmotive in der Kunst des Barock.

Andreas Pecht

Bis 17. Mai 2015
Info: >>www.ludwigmuseum.org

                                                                                  

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