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2015-01-26 Kommentar:

Wahlen in Griechenland

 

Syrizas Wahlsieg ist ein Weckruf
zu sozialer Besinnung in Europa

 
ape. Selten gab es im demokratischen Europa so massive Versuche von außen, einem Volk vorab die Wahlentscheidung auszureden, die es an diesem Sonntag dann dennoch trotzig getroffen hat: Die Griechen haben mit Nea Demokratia und Pasok jene Parteien abgewählt, die ihr Land über Jahrzehnte in den Keller wirtschafteten, indem sie es als Selbstbedienungsladen für korrupte Klientelpolitiker und Oligarchen führten. Sie haben mit Syriza ein Parteienbündnis gewählt, das nicht mit diesem Sumpf verschwägert ist, ihn trockenzulegen und Verelendung wie Entwürdigung des griechischen Volkes zu stoppen verspricht.

Wären da nicht die europäischen Milliardenkredite für den kranken Mann an der Ägäis, man würde auch hierzulande diesen Wahlausgang eher mit „verständlich” oder „richtig so” kommentieren. Stattdessen werden weithin Katastrophenszenarien beschworen – gerade weil die Griechen per Wahlen die heimischen Verursacher ihrer Misere von den Schalthebeln der Macht wegzerren. Die bangste aller in Brüssel, Berlin, an den Börsen und in den Medien aufgeworfenen Fragen lautet heute: Werden Syriza und Alexis Tsipras die von den Vorgängern mit dem europäischen Rettungspaket eingegangenen Verpflichtungen Griechenlands weiter erfüllen oder sie aufkündigen?

Für die Griechen selbst steht indes eine ganz andere Frage im Mittelpunkt: Können Syriza und Tsipras es schaffen, die infolge dieser Verpflichtungen zu „Reformen” schon eingetretene und  fortschreitende Verarmung weiter Teile des Volkes zu beenden? Dass der von den Kreditgebern erzwungene Reformprozess an gravierender sozialer Einseitigkeit krankt, machen zentrale Ergebniszahlen deutlich: Renten um 30 Prozent gekürzt, Löhne um ein gutes Drittel gesunken, Zahl der Angestellten im öffentlichen Dienst ebenfalls, 25 Prozent der erwachsenen Griechen arbeitslos.

Obendrein sind 80 Prozent der Milliardenkredite für Griechenland gar nicht bei den Griechen angekommen, sondern direkt an die Banken geflossen. Dennoch hat kein anderes OECD-Industrieland seit 2011 ähnlich umfassende Strukturveränderungen vorgenommen und seiner Bevölkerung derart schmerzhafte Opfer abverlangt wie Griechenland – bei gleichzeitiger Aussparung der privilegierten, reichen Oberschicht. Wie auch andernorts und nicht zuletzt in Deutschland seit den späten 1980ern bekommt das Wort „Reform” hier einmal mehr den bitteren Beigeschmack unsozialer, ungerechter Schlagseite. Unverkennbar ist, dass der einseitig bloß auf Marktkonformität ausgerichtete „Reformprozess” im Falle der Griechen den Bogen des Erträglichen überspannt.

Insofern kann, darf, muss das Wahlergebnis vom Sonntag auch als Warnung an die europäische Politik verstanden werden, der Masse der einfachen Menschen nicht beliebig das Ausbaden von Miseren aufzubürden, für deren Verursachung sie nicht verantwortlich sind. Zugleich kann das Wahlergebnis als Mahnung gelten, den bisherigen Kurs für Hilfskredite an angeschlagene EU-Länder zu überdenken. Die kommenden schwierigen Verhandlungen zwischen neuer griechischer Regierung und EU bergen auch die Chance bei Kredit- und Rettungsprogrammen von einer rein marktwirtschaftlichen auf eine sozial-marktwirtschaftliche Politik umzuschwenken – und endlich dem Aspekt der menschlichen Balance jene Aufmerksamkeit zu widmen, die ihm nach gutem altem europäischem Selbstverständnis eigentlich gebührt. Denn einseitig unsoziale Reformen sind auf Dauer weder legitimierbar noch gegen ein Volk durchhaltbar.     
                                     
Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Publikusmedium außerhalb dieser Website am 27. Februar 2015)

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