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2015-01-20 Kurzkritik:

Zu Michel Houellebecqs neuem Roman "Unterwerfung"

Der Herr Professor mag es
geil und behaglich

 
ape. Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq (56) ist ein sehr guter Schreiber, sehr scharfer Denker und sehr gewiefter Provokateur. Es gibt etliche Romane von ihm -  "Ausweitung der Kampfzone", "Elementarteilchen" und "Plattform" -,die das belegen. Sein jüngstes, am vergangenen Freitag in deutschsprachiger Fassung erschienenes Werk "Unterwerfung" passt in diese Reihe, hinkt allerdings hinsichtlich der literarischen Qualität im Vergleich etwas hinterher.

Die mediale Aufregung um diesen Roman ist gewaltig, weil er für das Jahr 2022 die Wahl eines muslimischen Kandidaten zum Präsidenten der französischen Republik mitsamt weitreichender Islamisierung der französischen Gesellschaft konstruiert. Dazu kommt es infolge einer Kooperation schwacher Sozialisten und Konservativer mit einer stimmstarken Muslimpartei, um die Machtergreifung durch den noch stärkeren Front National von Marine LePen zu verhindern.

Nach Lektüre des Buches wird der politische Hype darum eher unbegreiflich. Der verbreitete Vorwurf, es sei "islamophob", ist kaum nachvollziehbar. Ebensogut lässt sich dem Roman sinnfällige, ja melancholisch warmherzige Islamfreundlichkeit nachsagen - als Ausfluss der für Houellebecqe typischen Grundkritik an materialistischer Sinnentleerung, geistigem wie emotinalem Phlegma und kultureller Dekadenz der westlichen Moderne.

Eigentlich ist "Unterwerfung" wohl vor allem als satirische Zukunftsfiktion zu verstehen - die dem deutschen Leser allerdings über weite Strecken recht fremd bleiben wird. Denn es ist doch ein recht französisch-intellektuelles Buch, das sich über viele Seiten an einem hierzulande nur den Wenigsten bekannten Spezialsegment französischer Literatur abarbeitet.
Trotz dem und einiger unlogischer Momente bleibt es in beträchtlichen Partien eine anregende, bisweilen sogar witzige Lektüre: über einen Pariser Literaturprofessor, in dessen akademischer wie sexueller Ermüdung, Abhalfterung, Midlife-Krise sich die ganze Leere und Erschöpfung heutiger westlicher Lebensart spiegelt.

Die Romansatire, wonach sich deshalb vorneweg Frankreichs geistige und politische "Elite" opportunistisch der "sanften" Macht des paternalistische Anleitung und Orientierung versprechenden Islam hingibt/unterwirft, findet ihre Zuspitzung in der spiegelbildlichen Entwicklung des Ich-Erzählers: Der konvertiert - trotz vorher gegenteiliger Neigungen - schlussendlich zum Islam, weil der ihm das Patriarchat mit vier folgsamen und willigen Ehefrauen verspricht sowie einen behaglichen Professorenjob an der islamisierten Sorbonne.

Houellebecq bleibt mit "Unterwerfung" seiner bekannten  Manier treu, berechtigt kritischen Befunden über die Selbstzersetzung abendländischer Kultur und Lebensart durch neoliberalen Ökonomismus wie herzlos-banale Libertinage die Hinwendung zu konservativen bis reaktionären Alternativen folgen zu lassen. Gewiss, das nervt, ärgert, provoziert - erzwingt aber immer wieder Nachsinnen darüber, welche Alternativen denn denkbar wären, ohne auf bloß andere Art die Freiheit doch auszuhebeln.   
                                                                                     Andreas Pecht

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