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2014-12-08 Schauspielkritik:

"Arsen und Spitzenhäubchen" am Staatstheater Mainz

Mischung aus Salonkomödie, Grusical und Kasperltheater 

 
ape. Mainz. Auch ein Staatstheater kann, darf, soll ab und an leichte Unterhaltung bieten. Man erwartet von Stücken und Umsetzung dann allerdings etwas mehr Intelligenz, Esprit, auch Doppelbödigkeit als in den Unterschubladen des TV-Entertainments. Ein in diesem Sinne bewährtes Werk ist die 1941 uraufgeführte, 1944 mit Cary Grant verfilmte Komödie „Arsen und Spitzenhäubchen” von Joseph Kesselring. Ronny Jakubaschk hat es jetzt fürs Große Haus in Mainz inszeniert als knapp dreistündige Mischung aus Salongroteske, Grusical und Kasperltheater, für die es ordentlich Applaus gab.



Das Stück lebt von absurden Gegensätzen. Die Bösen sind hier die Sympathischen, die Normalen die Bekloppten. Zwei liebenswerte, völlig harmlos erscheinende alte Tantchen befördern einsame ältere Gentlemen im Dutzend mittels vergiftetem Holunderbeerwein ins Jenseits. Abby und Martha Brewster tun das mit größter Selbstverständlichkeit aus Menschenfreundlichkeit, und lassen ihren geistig verwirrten Neffen Teddy die Opfer mit Würde im Keller begraben. In dieser Rolle ist Armin Dillenberger als Imitation von Napoleon, Caesar, Kaiser Wilhelm oder Roosewelt der Schmunzeln machende Running-Gag des Abend. Die panische Aufgeregtheit, die den anderen Neffen, den Theaterkritiker Mortimer, bei Entdeckung des mörderischen Geheimnisses befällt, befremdet die beiden Ladies.

„Arsen und Spitzenhäubchen” taugt weder im Ernst noch im Unernst als Beitrag zur Diskussion um Sterbehilfe. Es handelt sich einfach um schwarzen Humor, dessen Wirkung aufs Zwerchfell sich nicht zuletzt aus sorgsam erspielter Situationskomik ergibt. Monika Dortschy und Andrea Quirbach schaffen in diesem Sinne als etwas tüttelige, doch bis zur Schnippigkeit selbstbewusste Mördertantchen dem Abend ein Zentrum aus beinahe britischem Understatement. Drumherum geht es freilich bald so kalauernd und turbulent zu wie in der historischen Commedia dell'arte oder eben ihrem Verwandten, dem Kasperltheater.

Der Mortimer von Rüdiger Hauffe tanzt ständig am Rande des Nervenzusammenbruchs herum, seine Verlobte Elaine wird bei Antonia Labs zur ebenfalls hypernervösen Kreischtussi. Ausstaffiert mit Merkel-Frisur und grünem Hosenanzug platzt Mortimers verschollener Bruder und irrer Massenmörder Jonathan in die Szenerie. Sein Kumpan ist der nicht minder irre Schönheitschirurg Einstein. Lorenz Klee und Denis Larisch geben ein Gespann wie aus dem Grusical-Genre. Die beiden Polizisten im Spiel reduziert die Regie vollends auf Knallchargen im Louis-de-Funès-Stil.    

Ähnlich wie in Frank Capras Verfilmung besteht die Mainzer Bühne (Ausstattung: Matthias Koch/Marina Stefan) aus einem großen Salon mit zentralem Eingang hinten und seitlicher Treppe hinauf zu einer Innenballustrade. Der unsichtbare Leichenkeller liegt unter einer Klappe im Fußboden. Wird die geöffnet, steigen Nebel und leise Musik herauf. Jakubaschks Versuch, Salonkomödie, schrilles Commedia-Spiel und Grusical zu vereinen, ist kurzweilig und ergibt manchen hübschen Lachanlass. Jedoch stehen die Formen öfter auch einander im Wege. Dann sehnt man sich nach Entgeisterung, Verwunderung, Wunderlichkeit, Bedrohlichkeit, Geheimnisserei, die mit weniger deftiger Direktheit, dafür mehr feinem Raffinement serviert werden.

Andreas Pecht

Infos: >>www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 09. Dezember 2014)


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Staatstheater Mainz, Arsen und Spitzenhäubchen, Kritik

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