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2014-12-01 Schauspielkritik:

"Gefährliche Liebschaften" am Theater Bonn. Stimmige Inszenierung von Mirja Biel

Im Strudel eines frivolen Intrigenspiels

 
ape. Bonn. Zwei unmoralische Gestalten gehobenen Standes spielen frivoles Gesellschaftsspiel. Die Marquise de Merteuil und der Vicomte de Valmont wollen zwei Unschuldslämmer verführen: die eben von der Klosterschule kommende Jungfrau Cécile sowie die tugendhaft willig in ihre Ehe  ergebene Madame de Tourvel. „Gefährliche Liebschaften” heißt dies Spiel nach dem 1782 erschienen Briefroman von Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos. Das mehrfach mit prominenten Besetzungen verfilmte Werk hat am Theater Bonn nun Mirja Biel (Regie und Bühne) in eine kluge, berührende, nachdenklich stimmende Bühnenfassung gegossen.

Madame de Tourvel und ihr Verführer Valmont überleben das Spiel nicht. Beide fallen aus ihren  gegensätztlichen Selbstverständnissen. Sie bricht aus der Rolle der treuen Gattin aus, gibt sich begehrend dem Valmont hin, und zerbricht als dieser sie fallen lässt. Valmont geht mittelbar daran zugrunde, dass er sich wider Willen in sie verliebt, wo er doch die Eroberung der sprödesten Dame der Gesellschaft nur als Meisterstück seiner Verführerkarriere geplant hatte. Die Entjungferung der Cécile besorgt er nebenher, ist damit der Marquise gefällig, die sich des Mädchens große Liebe, den jungen Danceny, als Gespielen ins Lodderbett holt.

Die strippenziehende Marquise ist zugleich die älteste unter den fünf Protagonisten. Bald 50, wird sie von Ursula Grossenbacher in einer trefflich labilen Balance zwischen noch propper und schon verfallend dargestellt. Eine Video (Clemens Walter) zum Beginn des 100-minütigen Abend zeigt ihr Gesicht in Metamorphose von rosenumkränzter Schönheit zum Totenkopf. Will sagen: Der lustbetonten Lebedame kommt allmählich eines der wichtigsten Werkzeuge ihrer Herrschaft über Männer abhanden.

Auch Valmont gehört nicht mehr zu den jüngsten. Wie Andrej Kaminsky ihn im Leopardenmusteranzug (Kostüme: Petra Winterer) anmachen und baggern lässt, kommt er dem pomadigen Macho-Modell der 1960er ziemlich nahe. Rätselhaft fast, dass dieses Auslaufmodell die souverän in ihren Ehewerten ruhende Madame de Tourvel dann doch in außereheliche Abgründe locken kann. Johanna Falckner formt da schöne kleine Entwicklungsschritte der allmählichen Haltungszersetzung bei einer honorigen Dreißigerin.

Die komische Partie fällt den beiden Jüngsten zu. Cécile wird bei Julia Preuß zu einer quirligen Göre, in der sich Naivität, Widerspenstigkeit, romantisches Schwärmen und nachher von Valmont geweckte sexuelle Gier vereinen. Sie und Danceny sind gewissermaßen Romeo und Julia des Werkes. Nur kommen die beiden nicht zueinander, weshalb Benjamin Berger seinen Gitarre spielenden, singenden und Romantikbilder in eine große Schneeglaskugel projizierenden Danceny zur jammervollen Sammelgestalt aller Jünglinge macht, die je an Liebeskummer gelitten haben.

Biels Inszenierung folgt nicht der realistischen Erzählweise des Films. Die Bühne ist abstrakter Raum, steigt treppenartig an. Das sich dort über vier Ebenen erstreckende Spiel verschmilzt Orte, Handlungsstränge und Perspektiven des Romans zu beinahe kammerspielartigem Geschehen. In dessen Rahmen stoßen diverse Arten von Liebelei, Liebeslust, Liebesspiel, Liebesschwärmen aufeinander, denen es allerdings durchweg an einem mangelt: an wirklicher Liebe. Die beiden Alten, Marquise und Valmont, erkennen das am Ende, können aber nicht mehr aus ihrer Haut. Die beiden Jungen, Cécile und Danceny, spüren beim cool-geilen Tanz durchs Leben diesen Mangel (noch) nicht – und drehen das alte Rad auf neue Art weiter.

Andreas Pecht

Infos: >>www.theater-bonn.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 01. Dezember 2014)


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Theaterkritik, Gefährliche Liebschaften, Theater Bonn, Regie Mirja Biel

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