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2014-11-25 Feature/Analyse:

„Rock am Ring” gegen „Der Ring – Grüne Hölle Rock”

Duell der Festivalgiganten
auf Eifelhöhen

Am Ende wird es wohl heißen: Es kann nur einen geben


ape. Es gibt ein Thema, das Rheinland-Pfälzer noch immer aufregt, obwohl sie davon längst nichts mehr sehen und hören wollen: Nürburgring. Politisches Endlosgerangel, wirtschaftliche Desaster-Serie. Und am vorläufigen Ende einer zur Geisterbahntour gewordenen Achterbahnfahrt steht einerseits Regierungsumbildung in Mainz, andererseits Übernahme des Rings durch einen russischen Krösus. Die gut zwei Millionen Musikfans, die in summa seit 1985 das alljährliche Festival „Rock am Ring” besuchten, interessiert der polit-ökonomische Endloszirkus um die Eifelrennstrecke mit Kirmes wohl weniger. Heimische Rockfreunde hören vielleicht noch ein bisschen hin. Denjenigen aus dem übrigen Deutschland und dem benachbarten Ausland sind die Mainzer Ring-Krämpfe ziemlich schnuppe. Ihnen ist der Gigantenkampf in der Eifel zwischen Lieberbergs Traditionsfestival "Rock am Ring" und der konkurrierenden Neugründung "Der Ring - Grüne Hölle Rock" von Ossy Hoppe wesentlich spannender.



Man frage in der Hamburger, Berliner, Brüsseler oder Amsterdamer Musikszene, wo „Rock am Ring” daheim ist, und die Antwort lautet: irgendwo jwd in der Eifel, südlich von Köln. Und wer schon mal dort war, ergänzt: ab Bonn oder Koblenz die Berge rauf. Für diese Leute ist das Duell zwischen dem heuer 30 Jahre alten Festival „Rock am Ring” von Marek Lieberberg und der Neugründung „Der Ring – Grüne Hölle Rock” von DEAG/Ossy Hoppe ein echter Hammer. Der Diadochenkampf aber zwischen den Landespolitikern Malu Dreyer (SPD) und Julia Klöckner (CDU) ist ihnen entweder unbekannt oder keinen Gedanken wert. Dies muss mal gesagt sein, weil die Perspektive der regionalpolitischen Nabelschau den Blick verstellt für den Umstand, dass heuer in der Eifel ein wichtiges Geschichtskapitel der (Rock-)Musikkultur in Deutschland geschrieben wird.

1985 organisierte Marek Lieberberg das erste „Rock am Ring”-Festival. 70 000 kamen zum Nürburgring, um an zwei Tagen auf zwei Bühnen 17 Bands zu erleben. Das war ein damals riskanter Versuch, die im Laufe der 1970er in Deutschland eingeschlafene Praxis der Post-68er-Rockfestivals unter freiem Himmel wiederzubeleben. Deren bundesweit ausstrahlende Speerspitzen waren die beiden British Rock Meetings 1971 bei Speyer und 1972 bei Germersheim. Veranstalter war die legendäre Agentur Mama Concerts von Marcel Avram und Marek Lieberberg. Auftritte hatten dort etwa Pink Floyd, The Faces, Deep Purple, Black Sabbath, Uriah Heep, Fleetwood Mac, Wishbone Ash, Osibisa.... Nicht wenigen heute gesetzten Damen und Herrn springt noch immer anarchisches Glitzern ins Auge, wenn die Rede kommt auf jene lauten, dreckigen, lustvollen Tage  – an denen fünf mal mehr als die erwarteten 10 000 Besucher jede Ordnung ins Nirwana tanzten, sangen, tranken, rauchten, liebten.
(Schön war's!)

Wie Rheinland-Pfalz mit den Waldeck-Festivals im Hunsrück während der 1960er einen wesentlichen Impulsraum für die politische Liedermacherei in Deutschland bot, so mit den British Rock Meetings in der Pfalz während der frühen 70er für die Rockmusik. Und Mitte der 80er erfolgte mit „Rock am Ring” in der Eifel wieder von Rheinland-Pfalz aus der Aufbruch in eine neue  Ära rockiger Großfestivals. Von einer zweijährigen Krise Ende der 80er abgesehen, zog „Rock am Ring” als scheinbar ewig junge Mutter dieser bundesweiten Eventströmung drei Jahrzehnte hindurch bis 80 000 Besucher an. Jetzt aber reißt die Tradition ab: Weil als Folge der politökonomischen Chaosspiele um den Ring der Konzertunternehmer Lieberberg und der neue Privatbesitzer des Areals (der von besagtem russischen Krösus schon wieder zum Ex-Besitzer gemacht wurde) sich übers Geld nicht einigen konnten.

Das war im Frühjahr 2014. Seither tobt medial, gerichtlich, auf dem Band-Markt und an den Vorverkaufskassen eine Schlacht um das Ringfestival. Stand heute (November 2014): Es gibt 2015 zwei konkurrierende Festivals, zeitlich nur eine Woche auseinander liegend, örtlich nur 30 Straßenkilometer voneinander entfernt, beide an drei Tagen je 90 Bands mitsamt schwergewichtigen Headlinern ins Feld führend, beide Ticketpreise um 170 Euro aufrufend. Lieberberg zieht mit „Rock am Ring” (5. - 7. Juni) ein paar Eifelhöhen weiter auf den Flugplatz Mendig um. Im angestammten Ringareal setzen die neuen Eigentümer von der Firma Capricorn Nürburgring GmbH  zusammen mit der Deutschen Entertainment Agentur (DEAG) ein ganz neues Festival namens „Der Ring – Grüne Hölle Rock” (29. - 31. Mai) aufs altbewährte Gleis. 

Kleine Ironie der Musikgeschichte: Mit dem 64-jährigen Ossy Hoppe sorgt ausgerechnet ein Veteran, der im Stall des heute 68-jährigen Lieberberg das Musikbusiness gelernt hat, für die rockige Qualität des Festivalneulings. Es geht Lieberberg mit Hoppe wie dereinst Fritz Rau (2013 verstorbener Seniorpionier unter den deutschen Konzertveranstaltern) mit Lieberberg. Geschäft ist eben auch im Rock'n'Roll primär Geschäft – und da nutzt es nix, dass Hoppe und Lieberberg in jungen Jahren bei einem jüdischen Fußballverein in Frankfurt gemeinsam den Ball traten. Jetzt treten sie einander. Lieberberg hat für die erste Runde in seine Mendiger Mannschaft als Starspieler berufen:  Tote Hosen, Foo Fighters, Slipknot, Motörhead. Hoppe hält mit Metallica, Kiss, Muse, Judas Priest, Face No More dagegen. Selbst für die zweite Reihe haben beide alles eingekauft, was derzeit gut und diesmal besonders teuer ist. Denn die Band-Agenturen hätten, so ist zu hören, angesichts der besonderen Situation in der Eifel die Honorare spürbar in die Höhe gepokert.

Doch ums Geldverdienen geht es beiden Festivals 2015 wohl weniger. Für Lieberberg ist es eher eine Frage der Ehre, dass sein „Rock am Ring” sich auch im 30. Jahr und weiter als Platzhirsch behauptet. Und sei es halt nebenan auf dem Flugplatz Mendig. Für Hoppe, DEAG und Capricorn geht es erstmal darum, mit ihrer Neugründung den Alten vom Platz, sprich: aus der Eifel zu schießen. Rheinland-pfälzische Hoffnungen, es möchten sich in engster eifelanischer Nachbarschaft gleich zwei hochkarätige Gigantfestivals dauerhaft etablieren, dürften bald verfliegen. Denn was wir da jetzt erleben, wird am Ende ein recht trauriges Kapitel Musikgeschichte sein: ein ganz banaler kapitalistischer Verdrängungswettbewerb – nach der Devise „es kann nur einen geben”.   

Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
48. Woche im November 2014)

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