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2014-10-17 Ballettkritik:

Uraufführung in Mainz:„My private Odyssey” von Weizman/Haver - Kopflastiges Reflexionsballett

Zwiespältiger Einstand
von „tanzmainz”


 
ape. Mainz. Drumherum zu reden, wäre gerade für einen Neuanfang wenig hilfreich. Die neue Intendanz des Staatstheaters Mainz hat jetzt ein Problem: Bei der ersten Premiere der unter dem Namen „tanzmainz” völlig umgekrempelten Ballettsparte erinnert nicht nur die Publikumsreaktion an den Start des vorherigen Tanzchefs Pascal Touzeau 2009/2010. Dessen erste Choreografien „Puzzle”, „Rebound”, „The Irin” waren damals mit gespanntem Interesse, aber geteilter Resonanz aufgenommen worden. Ähnlich erging es nun der Uraufführung „My private Odyssey” vom diesjährigen Mainzer Choreografen in residence Guy Weizman und seiner Partnerin Roni Haver: lautstarker Jubel hier, verhaltener Anstandsapplaus bis regungsloser Unwille da.
 

Das Problem: Es dauert in Weizmans „Odyssey” 65 Minuten bis zur ersten wirklich das Herz ergreifenden Szene, und die beschließt den Abend auch schon. Ein Mann wird von einem anderen Menschen zärtlich umfangen. Er windet sich aber ruckartig immer wieder aus der Liebe, Trost, Ruhe, Heimat versprechenden Umarmung. Ist das Odysseus, hin- und hergerissen zwischen dem Ende der post-trojanischen Irrfahrt und dem Aufbruch zu einer neuen? Ist sein Gegenüber Sohn Telemach oder Gattin Penelope oder nur Personifikation einer ideellen Lockung?

Erinnerung an die antike Story nutzt dem Zuseher kaum, denn die Choreografie erzählt sie nicht, sondern zieht nur Anregungen daraus, um im Tanz „das Leben als Reise mit unklarem Ziel” (Weizman) zu thematisieren. Diese Herangehensweise hat leider einige jener Phänomene zur Folge, die schon bei Touzeau oft recht ermüdend waren. Kopflastigkeit etwa, Überfrachtung des Tanzes mit Philosophie – hier signifikant durch Hinzufügung langer, scheinbar von Tänzern gesprochenen, aber tatsächlich aus dem Off kommenden Textpassagen. Die stammen nicht etwa von Homer, sondern von Ko van den Bosch, und lassen gedanklich den umherziehenden Odysseus über Sinn und Fragwürdigkeit seines Umherziehens nebst anderer Lebensaspekte räsonieren.

Unter den fünf Mainzer Tänzern, die für diese Produktion mit fünf Kollegen aus Weizmans eigenem niederländischen Ensemble verschmolzen sind, lässt sich indes weder der Titelheld noch sonst eine Figur aus Homers Opus identifizieren. Mit jeder Menge Stimmungslicht und zwischen beidseits der Bühne oft wild flackernden Wandelementen entstehen zwar tanztechnisch versierte, aber inhaltlich und emotional sehr vage Tanztableaus. Die sollen wohl unterschiedliche Kollektivbefindlichkeiten an diversen Stationen des menschlichen Lebensweges ausdrücken, erschöpfen sich aber bald im stetig wiederkehrenden Grundgestus vor allem aggressiven Drängens im gesamten Ensembles.

Nie wird ein individuelles Schicksal greifbar, kaum je ein individueller Tanzausdruck erkennbar. Daraus ergibt sich zusammen mit den teils interessanten, teils enervierenden Klang- und Geräuschkollagen von David Dramm und Tomoko Mukaiyama ein um bedeutungsschwangere Aufladung bemühtes, doch von uns weithin als seelenlos empfundenes Reflexionsballett. Dieser Einstand von „tanzmainz” scheidet die Geister. Man wird sehen, was am Haus des dort einst gefeierten Martin Schläpfer nach dem umstrittenen Pascal Touzeau noch kommt.

Andreas Pecht

Infos: >>www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 17. Oktober 2014)


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/UA in Mainz:„My private Odyssey” von Weizman & Haver/

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