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2014-10-07 Schauspielkritik:

Staatstheater Mainz: DSE "Water by the Spoonful" von Quiara Alegría Hudes in neuer Spielstätte U17

Intensives Charakterspiel über Hoffnungen in der Sucht-Düsternis 

 
ape. Mainz. Sechs Stühle, ein Trinkwasserspender, ein Flügel und eine Pappbecher-Halde, ansonsten besteht Thomas Dreschers Bühne aus schmuckloser Leere: Mehr braucht es nicht, um tief im Untergrund des Mainzer Staatstheaters interessantes, packendes, wertvolles Schauspiel zu entfalten. Gegeben wird als deutschsprachige Erstaufführung unter dem Originaltitel das Stück „Water by the Spoonful”, für das die US-amerikanische Autorin Quiara Algría Hudes 2012 den Pulitzerpreis erhielt.

Mit der Premiere dieses wunderbar strukturierten und rhythmisierten Werkes wurde zugleich eine 17 Meter unter der Parterre-Ebene des Kleinen Hauses neu eingerichtete Spielstätte in Betrieb genommen: „U17”, vormals Probebühne, jetzt Kellertheater für 199 Zuschauer –  das nach den Vorstellungen von Intendant Markus Müller vor allem als Ort für Ur-, Erst- und Expetrimentalaufführungen reüssieren soll.

Sechs von Regisseur K.D. Schmidt ausgezeichnet geführte Schauspieler tun, was das Theater ureigentlich zum spannenden Raum der Reflexion über Mensch, Gesellschaft, Sein macht: Sie formen mit fein nuanciertem Spiel ganz unterschiedliche Charaktere aus, die ihre Geschichte und daraus erwachsene Psyche unter schwierigen Bedingungen in aktuellem Mit- und Gegeneinander weiterentwickeln. Finden sie Halt aneinander und Rettung aus der Crack-Sucht oder gehen manche, alle, elendiglich zu Grunde? Das ist die zentrale Frage des nur 100-minütigen, ungemein intensiv gearbeiteten Abends.

Per Internet-Chat betreiben sie Selbsthilfe: der ältere Finanzbeamte Clayton (Martin Herrmann), die blutjunge Madeleine im fernen Japan (Antonia Labs), der anfangs seine Sucht leugnende Großschwätzer John (Murat Yeginer) und als Moderatorin des Chats Odessa (Anna Steffens). Von den steil ansteigenden Zuschauerreihen blicken wir hinunter auf diese einander treibenden,  ermutigenden, tröstenden Menschen im täglichen Kampf gegen den Rückfall.

Sie sehen einander im Chatroom nicht, wir aber schauen ihnen zu wie sie sich auch leiblich krümmen oder aufrichten. Auf einer zweite Spielebene schlägt sich der im Irak-Krieg versehrte Elliot (Matthias Lamp) zusammen mit seiner Cousine Yasmin (Katharina Alf) mehr schlecht als recht durchs Leben. In schnell geschnittenem, aber nie hektischem Wechsel spielt das Stück mal im Cyberraum mal in der Realität. Und Zug um Zug bringt das Theater mit fast zärtlich-umsorgendem Gestus die Akteure beider Welten einander näher. Wissend, dass Vertrautheit, ja Liebe einziger Rettungsanker der Verzweifelten ist.

In der Düsternis wächst ein Hoffnungsschimmer auf, die Utopie von der Kraft zwischenmenschlicher Zuneigung – stets gefährdet durch alte Wunden wie neue Verletzungen. Und hintergründig steuert der Jazz mit John Coltranes Entwicklung vom harmonischen Sound zur Emanzipation der Disharmonie im Free-Stile den Groove zum Geschehen bei. Fabelhaft; ein schöner Start für U17 und ein prima Einstand für sechs am Mainzer Theater neue Mimen, deren Talent auf einiges hoffen lässt.

Andreas Pecht

Infos: >>www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 08. Oktober 2014)


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/Staatstheater Mainz: DSE "Water by the Spoonful"/

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