Thema Musik
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2014-09-22 Konzertbesprechung:

 

Leidenschaft zwischen
Euphorie und Melancholie

Saisonstart 14/15 beim Musik-Institut Koblenz mit Rheinischer Philharmonie und Solist Vadim Gluzman


ape. Koblenz. Der Saal gut gefüllt, die Zahl der Abonnenten etwa so hoch wie im Vorjahr; das Programm vielversprechend; mit Vadim Gluzman ein Sologeiger von Rang engagiert; die Rheinische Philharmonie unter Daniel Raiskin motiviert: So startete jetzt das Koblenzer Musik-Institut in seinem 206. Jahr mit dem ersten Anrechtskonzert in die Saison 2014/2015. Alle drei dabei gebotenen Werke stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihre Komponisten waren dick befreundet – Joseph Joachim mit Johannes Brahms und dieser mit Antonin Dvorák.
        

Die Herren haben einander beeinflusst, auch via durchaus kritischer Korrespondenz und "Plauderei" über die drei Stücke. Gleichwohl sind diese von ganz unterschiedlichem Charakter. Joachims Hamlet-Ouvertüre ist von theatralen Vorstellungen geprägt. Brahms' Violinkonzert D-Dur weist der Solovioline trotz höchster technischer Anforderungen doch „nur” die Rolle des Ersten unter Gleichen in sinfonischem Spiel zu. Dvoráks 7. Sinfonie krönt den Abend als Ausdruck purer Leidenschaft.

Joachim war ein Gigant unter den Violinisten seiner Zeit. Als Komponist erreichte er vergleichbare Bedeutung indes nie. Dennoch ist seine Hamlet-Ouvertüre eine hochinteressante Komposition – vor allem für den, der Shakespeares Tragödie beim Hören mitdenkt, wie Raiskin es beim Dirigieren offenbar tut. Zu sauberster Einstimmigkeit verschmolzene Geigen führen anfangs in eine Nacht, in der sich  geheimnisvolle Spannung aufbaut, aus der sich machtvolles Orchester-Pathos schält.

Der Geist-Auftritt des ermordeten alten Königs formt sich vor dem inneren Auge, ebenso nachher bei düsteren Wellenbewegungen der Streicher die Selbsttötung Ophelias durch den Gang ins Wasser. Auch jenseits konkreter Szene-Vorstellungen spiegelt die Komposition das Wesen der Shakespear'schen Dramatik auf faszinierende Weise: Jede Atmosphäre trägt in sich das Potenzial ihres Gegenteils, Licht gebiert Dunkel, Normalität und Wahnsinn sind zwei sich immer neue vermischende Elemente eines Fluids.
        
Viermal hatte Joachim übrigens als Gast des Musik-Instituts zwischen 1883 und 1898 in Koblenz konzertiert; Brahms höchstselbst zweimal. Bei dessen Violinkonzert erweist sich erneut, welch sicheres Gespür für den Umgang mit Gastsolisten das Koblenzer Orchester unter dem einstigen Bratschensolisten Raiskin auszeichnet. Gluzman hat, ganz im Brahms'schen Sinne, keine Neigung zu zirzensischer Virtuosenvorführung. Sein Herangehen lässt sich eher als ernsthaftes Understatement beschreiben, worauf sich Raiskin und Orchester gerne einlassen.

Ergebnis, über das im Hinblick auf die Rheinische die Meinungen im Auditorium durchaus geteilt sind: Eine bemerkenswerte Lautstärkeabstimmung, dichte und im Einklang atmende Zwiesprache zwischen Orchester und Solist, Glanz der aus Zurückhaltung erwächst. Dann ein Schlusssatz in gebremster Ausgelassenheit, der freilich mit einer bei diesem Werk selten zu hörenden augenzwinkernden Keckheit schmunzeln macht.

Hernach widerspricht die mal tänzerische, mal marschierende, bald sinnierende, bald aufbrausende, im Grundtenor aber positiv gestimmte Dvorák-Interpretation Raiskins all jenen, die der 7. Sinfonie des „böhmischen Brahms” schon immer eine düstere Stimmung zuschreiben.  Zurecht, wie wir finden. Dvorák war ein leidenschaftlicher Typ, dessen übersprudelnde Lebensfreude die natürliche Ambivalenz von Euphorie und Melancholie einschließt. Diese Art Leidenschaft wird in der Rhein-Mosel-Halle mitreißend zelebriert – von einem spielfreudigen Klangkörper, der in den letzten beiden Sätzen dann auch mit Intonationspräzision gefällt.

Andreas Pecht

 

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 22. September 2014)


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