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2014-09-15 Schauspielkritik:

"Die Möwe" von Anton Tschechow am Theater Bonn. Regie: Sebastian Kreyer

Banale Karikaturen statt
Tschechow-Figuren


 
ape. Bonn. Erste Schauspielpremiere der Saison am Theater Bonn. Gegeben wird in den Kammerspielen Godesberg „Die Möwe”. Zwei Stunden dauert das. Nach 30 Minuten ist klar: Da hat es sich jemand zu einfach gemacht mit Anton Tschechows Stück von 1896. Ungehaltener gesagt: Regisseur Sebastian Kreyer interessiert sich für das Werk nur als Steinbruch, aus dem Brocken zu holen sind, die er zur launigen Sitcom meißeln kann.
 



Dies Bonner Spiel dreht sich um eine durchgeknallte Entertainment-Diva, neuzeitliche Star-Sucht und etliche verschrobene Beziehungskisten. Es ballert mit aufgepfropften Pointen nur so um sich – die Tschechows hintersinnig genaue Menschenbetrachtung alsbald von der Bühne schießen. Dabei ist die dem Krimi entlehnte Regie-Idee gar nicht schlecht, die Aufführung mit dem Stückende anfangen zu lassen: dramatische Musik, Licht an, im Swimmingpool treibt ein Toter; der unglückliche Kostja ist's, er hat sich umgebracht. Aus dem Off erzählt er nun, wie es dazu kam... Und das Spiel beginnt.

Keine schlechte Idee auch, das Stück vom altrussischen Landgut in eine etwas zerschlissene Ferienanlage der Gegenwart zu verlegen. Bühnenbildner Matthias Nebel hat einen  Appartementkomplex mit Innenhof nebst Palmbeet, Liegestühlen, Pool gebaut. Dort schmachtet Lehrer Semjon die Verwalterstochter Mascha an, die sich ihrerseits nach dem Jungdramatiker Kostja verzehrt, der seinerseits die Schauspielelevin Nina liebt, die jedoch mit dem berühmten Schriftsteller Trigorin anbandelt, der aber Geliebter von Kostjas Mutter Irina ist, einer nicht minder berühmten Schauspielerin.

Die verzwickte Konstellation stammt von Tschechow selbst, der „Die Möwe” tatsächlich als Komödie verstanden wissen wollte. Lange Zeit hatten viele Regisseure dennoch eine Tragödie daraus gemacht. Eine Künstlertragödie zumal, weil auch ein Generationenstreit zwischen überkommenen und neuen Kunstformen das Geschehen durchwirkt. In den letzten Jahren nimmt das deutsche Theater des Autors Kategorisierung der „Möwe” wie auch des „Kirschgarten” als Komödie verstärkt beim Wort – vergisst aber im Spaßfuror bisweilen, dass Tschechows Komik sich aus menschlicher Tragik speist. Weshalb die Herausforderung für ernsthaftes Inszenieren darin bestünde, die rechte Balance zwischen beidem zu finden.

Kreyer hat sie nicht gefunden, vielleicht gar nicht gesucht. Am nervigsten wird das an der Figur Irina. Die verzweifelte Egomanie, Unsicherheit, Manieriertheit einer alternden Diva verkommt bei Sophie Basse zur überdrehten Comedy-Karikatur von Diva. Gespielt wird nur schrille Oberfläche, wie auch die meisten Mitspieler mehr oder weniger plakative Oberfläche bleiben.

Die bildschöne Nina der Maya Haddad weckt anfangs als naiv-kluges Mädchen Interesse, wird aber mit wachsender Bedeutung fürs Stück seltsamerweise immer unscheinbarer. Jonas Minthes Kostja versinkt in derart bodenlosem Weltschmerz, dass er im Kalauer-geladenen Umfeld mehr deppert denn tragikomisch wirkt. Der Mascha von Mackie Heilmann geht es ähnlich. Auf den übrigen Positionen zieht man sich mit versiertem Boulevard-Spiel aus der Affäre. So ist das Ganze punktuell durchaus vergnüglich, hat mit Tschechows Kunst allerdings herzlich wenig zu tun.D

Infos: >>www.theater-bonn.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 16./17. September 2014)


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