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2014-05-24: Ausstellungsbesprechung

Arp Museum zeigt Kunst aus 2000 Jahren über Körper zwischen Lust und Schmerz
 

Die leibhaftige Ambivalenz
des menschlichen Seins

 
ape. Remagen/Rolandseck. Ihre Entstehung liegt zwei Jahrtausende auseinander, demgemäß sind die ästhetischen Unterschiede zwischen der antiken Herakles-Statue und dem Großfoto einer heutigen Bodybuilderin gewaltig. Doch weisen die beiden Darstellungen vor der Kunstkammer Rau des Arp-Museums eine Gemeinsamkeit auf: kraftvolle Körperlichkeit als Ideal des menschlichen Äußeren. Beim Ideal bleibt es nicht in der Ausstellung „Leibhaftig – Der menschliche Körper zwischen Lust und Schmerz”. Gleich die erste Skulptur des mit 60 Exponaten bestückten Saales konfrontiert mit Verletzlichkeit und Vergänglichkeit des Leibes: Berlinde De Bruyckeres „Pietà” von 2008 streckt einen ausgemergelten Männerkörper aus Wachs ohne Kopf und Arme auf ein provisorisches Totenlager aus schmutzigen Kissen.



Die zentrale Positionierung der an ein Kriegsopfer erinnernden Skulptur verweist auf die Einbindung der Ausstellung in das allgemeine Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. Allerdings thematisiert das Museum jenen welthistorischen Schrecken nicht direkt. Vielmehr öffnen die 36 Exponate aus der dem Arp-Museum anvertrauten Sammlung Rau für Unicef plus 24 Leihgaben den Blick auf das, was der Mensch dem Menschen seit 2000 Jahren antut – und was er damit auch an Schönheit und Freude zerstört.

Im Schmerzens-Teil der Ausstellung reihen sich teils schockierende Meisterwerke der Kunst aus vielen Jahrhunderten über Folter und biblische Massaker zur Schreckenskammer. Der gegeißelte, ans Kreuz genagelte, blutig entstellt der Mutter in den Schoß gelegte Jesus ist hier ein großes Symbolthema. Die Drangsal der Märtyrer ein anderes: Da korrespondiert die Elfenbeinskulptur „Marter des hl. Bartholomäus” von Jacobus Agnesius aus dem Jahr 1640 mit der 2011 entstandenen, golden überzogenen Statue „St. Bartholomew – Exquisite Pain” von Damien Hirst.

Welche Qualen müssen die Gestreckten, Gepfählten, Gehäuteten erleiden. Dennoch sperrt sich die Kunst oft gegen völlige Entmenschlichung der Opfer: Manch malträtierter Körper behält einen Rest und mehr an Kraft, ja sogar erotischer Ausstrahlung. Der Totenkopf ist als Symbol der Vergänglichkeit auf vielen Bildern präsent; er bildet auch die Brücke zur Ausstellungsabteilung über Lebenslust. Da präsentiert Lucas Cranach d. Ä. eine gut gelaunte „Judith mit dem Haupt des Holofernes” oder legt Januarius Zick der halb entblößten „büßenden Maria Magdalena” einen Totenschädel auf den sündigen Unterleib.

Wie die Kunst inneren und äußeren Schmerz in der Qual des Körpers ausdrückt, so Freude in seiner Lust. Gustav Courbet hat im 19. Jahrhundert seine nackte „schlafende Bacchantin” mit solcher Vollsinnlichkeit gemalt, dass die gegenüber aufgestellte Antik-Statue eines dösenden Fauns von ihr zu träumen scheint. Oder richtet sich das wohlige Sinnen (beider) auf Frédéric Bazilles „Nackte Fischer mit Netz” von 1868?

Menschsein bewegt sich zwischen Geburt und Sterben. Weshalb die letzte Station Müttern mit Kind gewidmet ist. Der Bogen spannt sich von einer statuarischen Madonna mit Kind aus dem 15. Jahrhundert bis zu Mary Cassetts innig privatisierendem Gemälde „Louise, ihr Kind stillend” von 1899. Reines Glück und unermessliches Leid: das Arp-Museum vereint beides zu einer Ausstellung der Wahrhaftigkeit – über die Ambivalenz des menschlichen Daseins. 
                                                                                      Andreas Pecht


25.5. 2014 bis 25.1.2015
Di – So 11 – 18 Uhr
Infos: >>www.arpmuseum.org

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 24. Mai 2014)

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Parallel ist im Arp Museum bis 31.8.2014 u.a. die große Ausstellung zu sehen
"Von Menschen und Türmen in der Kunst" (Besprechung hier)


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