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2014-05-13 Schauspielkritik:

Burgtheater Wien mit „Onkel Wanja” zu Gast bei  Maifestspielen Wiesbaden

Ein wunderbares Ensemble
aus lauter Koryphäen


 
ape. Wien/Wiesbaden. Elena gesteht dem Astrow, ein bisschen in ihn verliebt zu sein. Worauf dieser sein Körpergewicht einen winzigen Deut verlagert, etwas die Augenbrauen anhebt und die linke Handfläche in Richtung der Frau öffnet. Die nur kleine, fast beiläufige Haltungsänderung legt augenblicklich das ganze Lebensdilemma der jungen, schönen, aber ewig unentschlossenen Frau bloß mit der wortlos insistierenden Frage: Warum willst du dann in der Ehe mit dem alten, hypochondrischen Professor Serebrjakow verdorren, statt mit mir ein lüstliches Abenteuer zu wagen? Hier wäre die Chance, Dumpfheit, Langeweile, Leere und Bejammerung des eigenen Schicksals zu entkommen.  

Diese von Michael Maertens und Caroline Peters sehr leise, sehr genau, aber umso aufregender gestaltete Szene ist einer jener Momente, die hohe Schauspielkunst von guter Schauspielerei unterscheiden. Davon gibt es viele in Matthias Hartmanns Inszenierung des Tschechow-Klassikers „Onkel Wanja”, mit der ein Primus des deutschsprachigen Theaters, das Burgtheater Wien, jetzt bei den Maifestspielen Wiesbaden zu Gast war. Bei der Wiener Premiere 2012 hatte noch Gert Voss den quängeligen, tyrannischen, egomanischen Altprofessor gespielt, hier nun übernahm Peter Simonischek den Part.

Beneidenswert das Theater, das aus solch einem Fundus von Koryphäen der Darstellerzunft schöpfen kann, ja selbst kleine Rollen mit Meistern besetzen. Etwa die greise Kinderfau Marina: Die wird bei der bald 80-jährigen Elisabeth Orth mit wunderbar gesetzten Blicken, kleinen Gesten, ein paar Schlurfschritten und wenigen Sätzen zur Personifizierung einer das Geschehen hintergründig begleitenden Weisheit oder Mahnung, wonach das Leben allweil seinen Gang von der Geburt zum Tod geht.

Die Inszenierung des im Frühjahr 2014 als Intendant des Burgtheaters geschassten Hartmann reiht sich ein in einen jüngeren Regietrend: Tschechows Dramen mehr als Tragikomödien zu verstehen und daraus auch schier satirische Zeichnungen der Vertreter einer untergehenden Gesellschaftsklasse abzuleiten. Dieser legitime Ansatz findet in Wien/Wiesbaden mancherlei Schmunzeln machenden Ausdruck, wird in Nicholas Ofzareks Ausformung der Titelrolle scharf zugespitzt. Einerseits ist er von Selbstmitleid über vertanes Leben triefender, lachhafter Jammerlappen; andererseits tobt er wie ein wütender Stier gegen die durch keinerlei Leistung unterfütterte Selbstherrlichkeit des Professors.

Vor der Gefahr, beim Aufspüren der komisch-satirischen Elemente in Tschechows Werk, die Grenze zum Boulevardesken zu überschreiten, ist offenbar auch ein Theater vom Rang des Wieners nicht gefeit. Ofczarek überdreht teils bis zur Brüllaffigkeit und Sarah Viktoria Frick muss ihrer Sofja einen allzu kräftigen Schlag von dümmlichem Aschenputtel mitgeben. Da hat Hartmanns Regie  übertrieben, das überragende Wiener Personal hätte gewiss auch anders gekonnt.  

Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 14. Mai 2014)


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