Kritiken Theater
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2014-04-25 Ballettkritik:

ballettmainz: Eine Zeit
des Zwiespalts endet



Pascal Touzeau und Compagnie verabschieden sich vom Staatstheater Mainz mit einem Dreiteiler


 
ape. Mainz. Etwas Wehmut ist immer dabei, wenn ein Bühnenensemble Abschied nimmt und seine Mitglieder anderwärts ihr Glück suchen (müssen). Die Spielleute ziehen weiter, das Publikum bleibt und erwartet mit Spannung die Neuen: So war es stets in der Welt des Theaters. Fünf Jahre durften wir am Mainzer Staatstheater Pascal Touzeaus ballettmainz begleiten, uns an einer Compagnie aus Könnern und manch interessanter Tanzproduktion erfreuen. Nicht selten indes hinterließen Choreografien des jetzt ebenfalls scheidenden Ballettchefs auch Ratlosigkeit, ja Missfallen.
So geht nun in der Mainzer Tanzsparte eine Zeit des Zwiespalts zu Ende.
 

Den Schlusspunkt setzt eine dreiteilige Produktion, die weder Geschichten erzählt noch Philosophie betreibt, sondern als pure Ballettkunst noch einmal das hohe tänzerische Vermögen des 18-köpfigen Ensembles auffächert. Touzeau lässt die Uraufführung seines eigenen neuen Stückes „Carpe Diem“ von zwei Arbeiten international renommierter Choreografen der mittleren und älteren Generation flankieren.

Den Abend eröffnet eine Uraufführung von Dougles Lee, einem seit Jahren mit dem Stuttgarter Ballett und dem Nederlands Dans Theater (NDT) verbundenen Choreografen. „The Fade“ ist ein faszinierendes kleines Werk enormer Schwierigkeit für drei Tänzer und zwei Tänzerinnen. Wie zu Denkmälern versteinert stehen sie auf Sockeln. Dann treten sie in erst puppenhaft steifen Bewegungen aus diesem Zustand heraus. Um schließlich in einem dynamischen Strömen komplexen Tanzens sich ständig verändernder Konstellationen aufzugehen. Schiere Triebhaftigkeit, Eleganz und der häufig wiederkehrende Sog zurück zu Steifheit und Versteinerung durchdringen einander. Fabelhaft.

Schwarze Tänzerdresses und nackte Haut, schwarzer Hintergrund und zwei Bodenstreifen eisigen Weißlichts: Zu Gavin Bryars Komposition „The North Shore“ lastet auf Touzeaus Raum für „Carpe Diem“ eine kalt-düstere Atmosphäre. Gern löst man sich von ihr angesichts der kunstvollen Tanzmomente, die die Compagnie in diversen Konstellationen zur beeindruckenden Parade ihres Könnens reiht. Maßvoll gebrochene Neoklassik hoher Güte in den Passagen nicht nur von Heiko Okawa und Guillaume Hulot, von Takako Nishi, Christian Bauch, Cristina Ayollon Panavera oder Mariya Bushuyeva. Um das zu genießen, bedarf es der an die Wand und auf Tänzerrücken projizierten Belehrung nicht: listen (hören), look (sehen), carpe diem (nutze den Tag).

Der Abend klingt aus mit einem berühmten Furioso des israelischen Choreografen Ohad Naharin: „Minus 16“, 1999 vom Nederlands Dans Theater uraufgeführt, benutzt Musikschnipsel von Vivaldi bis Techno, um ein schier unerschöpfliches Repertoire an Tanzbewegung durchzukneten.

Streng geformte Hochdampf-Ensembles, ein wunderbar zartes Pas de deux, scheinbar anarchisch explodierende Tanzpalast-, Disco- oder Streetdance-Nummern: Naharins fulminantes Werk kann nur am Ende stehen, weil es alle Tänzer völlig erschöpft, Publikum zum Mittanzen auf die Bühne holt, um es nachher bestens gelaunt in die Welt zu entlassen. Einen treffenderen Abschiedsgruß hätte das scheidende ballettmainz kaum wählen können. 

Infos: >>www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 25. April 2014)

                                         ***

Nachfolgend alle meine Besprechungen von Produktionen des ballettmainz unter Pascal Touzeau:


2014-02-10 Ballettkritik:
Touzeaus letztes Handlungsballett in Mainz: ein belangloses "Dornröschen"


2013-10-21 Ballettkritik:
Pascal Touzeaus beeindruckendes „Cinderella“-Ballett


2013-04-15a Ballettkritik:
ballettmainz mit drei Choreographien von Inger, Godani und Touzeau


2012-10-08 Ballettkritik:
ballettmainz gefällt mit einem neuromantischen "Schwanensee"


2012-04-16 Ballettkritik:
ballettmainz brilliert mit Kyliáns "Indigo Rose" , langweilt mit Touzeaus „360º“

 
2012-02-06 Ballettkritik:
"Voices" beim ballettmainz. Choreographien von Pascal Touzeau zu Musiken von Peteris Vasks


2011-11-06 Ballettkritik:
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2011-04-17 Ballettkritik:
"Heaven's Sky": Neues Ballett von Pascal Touzeau in Mainz


2011-02-06a Ballettkritik:
"Romeo und Julia" beim ballettmainz. Choreographie: Psacal Touzeau


2010-03-06 Ballettkritik:
"In48" neue Produktion von Godani und Touzeau beim ballettmainz


2010-07-06 Ballett:
Bilanz der ersten Saison beim "neuen" ballettmainz von Pascal Touzeau


2010-05-30 Ballettkritik:
"The Irin", Ballett von Pascal Touzeau in Mainz nur kryptischer Manierismus


2010-03-29a Anmerkung Ballett:
Pascal Touzeaus "Raymonda"-Bearbeitung


2009-12-20 Ballettkritik:
"Rebound" - zweite Produktion von Pascal Toudezau mit seinem neuen ballettmainz


2009-10-11 Ballettkritik:
Pascal Touzeaus Start mit dem "neuen" ballettmainz



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