Kritiken Ausstellungen
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2014-04-05 Ausstellungsbesprechung:

Arp-Museum zeigt anregende Ausstellung „Von Türmen und Menschen in der Kunst”

 

Dem Himmel näher kommen

 
ape. Eine Arbeit von Madeleine Dietz begrüßt den Besucher am Ende des unterirdischen Ganges zum Meier-Bau des Arp-Museums. Da steht ein 140 Zentimeter hohes Türmchen aus getrockneten Erdstücken, auf das per Dia ein Mädchen projiziert wird. Turmstruktur und Kindabbild durchdringen einander. Für Momente verschmelzen Mensch und Turm zu einem Ganzen. Mit diesem Gedanken im Kopf betreten wir das größte Exponat der neuen Ausstellung „Macht. Wahn.Vision. Rapunzel und Co. – Von Türmen und Menschen in der Kunst”: den Fahrstuhlturm des Museums in Remagen-Rolandseck.



Aus dunkler Tiefe hinan in lichte Höhen gleitet die gläserne Kabine an einem aus Kupferdrähten geflochtenen Strang vorbei. Ein Zopf ist's, 40 Meter lang, geschaffen von der Künstlerin Christina Kubisch in Anlehnung an das Märchen von der in einem Turm gefangenen Rapunzel. Droben im Ausstellungsaal weitere Turm-Kunstwerke. Mehr als drei Dutzend. Winzig kleine und riesengroße, historische und gegenwärtige, strahlend schöne und irritierend hässliche, scheinbar ewige und offenkundig flüchtige. Jedes für sich eingehender Betrachtung wert; alle zusammen beim Betrachter ein Gewitter von Empfindungs- und Gedankenblitzen auslösend, das lange nachgrummelt.

Turm und Mensch, das ist eine uralte Beziehung. So alt wie das Streben nach Über- und Ausblick, oder nach weithin sichtbaren Herrschaftszeichen, oder nach Nähe zum Himmel. Türme sind mal Ort der Freiheit und Schönheit, mal Hort der Sicherheit und des Schutzes, mal Instrument für Unterdrückung und Gefangenschaft. Die Beziehung Turm/Mensch ist so ambivalent wie die  Symbolik etwa in Paul McCarthys Arbeit „Stainless Steel Butt Plug”: Eine ebenmäßig aufgerichtete Phallusskulptur aus Edelstahl, auf Hochglanz poliert, wertig, schön – aber zugleich von eiskalter Selbstherrlichkeit, die Lustausdruck in Machtanspruch verwandelt.

Türme stehen auch für das Streben nach Höherem, Größeren. Bisweilen verlieren die Erbauer dabei Maß und Ziel. Viele Exponate der Schau wecken Gedanken an Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit. James Lee Byars Türmchen aus vergoldeten Messingwürfeln wirkt, als könne es beim kleinsten Luftzug umfallen. Erwin Wortelkamps fünf Meter hoher, gekrümmter Holzbalken lehnt sich vorsichtshalber an die Wand und heißt deshalb auch „Angelehnte”.

In der Skulptur „Brainstorm” von Thomas Virnich ist der Kölner Dom bereits (um)gefallen. Er hängt kopfüber an der Wand, die Baukonturen zerflossener Starrheit wie das Wachs von Tropfkerzen. Auch Pracht und Macht der Kirche sind vergänglich. Symbol für himmelstürmenden Irrsinn ist der Turmbau zu Babel, hier vertreten durch das Gemälde von Jan Brueghel d. J. aus dem 17. Jahrhundert und durch Raul Ortega Ayalas aktuellen „Babel Fat Tower” aus Tierfett. Das Fett schmilzt im Laufe der Ausstellung dahin – wie seit biblischer Zeit allemal wieder menschlicher Größenwahn.

Malachi Farrell hat seine Installation „Nothing stops a New Yorker” aufgebaut,  die auf irritierende bis provozierende Weise Bezüge zum Terroranschlag 9/11 herstellt.  Wolkenkratzer aus Pappe ragen aus einem Berg Abfallpappe heraus. Rundum tönt urbane Geräuschkulisse aus Zeiten vor, während und Jahre nach dem Anschlag. Den Hochhäusern sind bewegliche Flügel anmontiert, die nun zur Popmusik ein munteres Ballett flattern. Zu Schutt wurden sie, aus Schutt sind sie wieder geworden, und weiter geht’s im Takt. Eine von vielen nachdenklich stimmenden Arbeiten. Seien sie bitterernst wie der Turm des Afrikaners Romuald Hazoumè aus alten Benzinkanistern, in denen sich vage Gesichter Elender abzeichen. Seien es verspielte Metaphern wie Leiko Ikemuras „Turmwurm” aus Terrakotta oder Sonja Alhäusers „Das Willkommen”: in gläsernem Kühlschrank-Turm im Moment höchster Erregung eingefrorene Mannsfigur aus Margarine. Eine starke Ausstellung.

Andreas Pecht


Die Ausstellung dauert von 6.4.bis 31.8.
Infos: >>www.arpmuseum.org

                                                                                     
(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 5. April 2014)

---------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 

eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken