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2014-02-17 Ballettkritik:

Letzte Premiere von Stephan Thoss und Compagnie am Staatstheater Wiesbaden: "Der Duft der Dinge"

Zum Abschied ein Ballett der Düfte



 
ape. Wiesbaden. Mit Antritt der neuen Intendanz unter Uwe Eric Laufenberg wird zur kommenden Spielzeit am Staatstheater Wiesbaden auch ein Großteil des künstlerischen Personals ausgewechselt. Das bisherige nimmt nun peu à peu Abschied. Am Wochenende gab nach sieben Jahren Ballettchef Stephan Thoss mit der Uraufführung von „Der Duft der Dinge“ seinen Ausstand. Er und  Tänzerchoreograf Giuseppe Spota schickten dabei die ebenfalls scheidende Compagnie auf sehr verschiedene Wege des Erinnerns.
 


In Marcel Prousts gewaltigem Romanwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ lösen Duft und Geschmack eines Küchleins namens Madeleine lebhafteste Erinnerungen aus. Wohl in Anlehnung daran nennt Stephan Thoss in seiner Choreografie „Der Duft der Dinge“ eine Frau Madeleine (Romy Liebig), die einen Mann (Tenald Zace) durch allerhand Lebenserinnerungen führt. Sinnbildlich sind Gerüche Auslöser für seinen träumerischen Streifzug. Musikalisch getragen wird dieser durch Rodion Shchedrins Carmen-Suite nach Bizet, vom Staatsorchester Wiesbaden unter Wolfgang Ott in zupackender Farbigkeit gespielt.

Im Tanz tauchen Kindheitserinnerungen an eine Küche auf, in der es munter zugeht. An eine den Buben neckende Mamsell. An zärtlich-süße Spielereien mit einem von Schokolade triefenden  Mädchen. An den Jungen drangsalierende, nach Desinfektionsmittel müffelnde
Helferinnen beim Zahnarzt. Frauen, mit denen der heranwachsende Mann nachher liiert war, sind per Kostümfarben duftenden Blumen und ihnen nachgesagten Charakteren zugeordnet. Im Vergissmeinnicht (Valeria Lampadova) begegnet ihm sein erster Erotiktraum wieder. Mit der Dornenrose (Ludmilla Komkova) tanzt er schwärmend durch nur scheinbar echte Liebe. Die Akazie (Ayumi Sagava) erinnert ihn an eine durchweg tragische Zweisamkeit....

Thoss fächert hier noch einmal sein Repertoire weit ausschwingender, zu schnellem Fließen verwobener Figuren auf. Neben der ihm eigenen symbolhaften Innerlichkeit gibt er in manch kräftig buffoesker Szene auch dem Humor Raum. Dies ist nicht die bedeutendste seiner Arbeiten, aber doch eine appetitliche Madeleine, die uns später mal an interessante Wiesbadener Thoss-Jahre zwischen Staunen und Ratlosigkeit erinnern wird.

Vorangestellt ist Spotas Stück mit dem seltsamen Titel „/TRE“, in die jeder hineininterpretieren kann, was er mag. Ein mäanderndes Strömen mannigfach verwirbelter, oft wie improvisiert wirkender Tanzaktionen verbindet sich mit Videoprojektionen von Gérard Naziri sowie Minimalmusic von Steve Reich und Ezio Bosso zur mulitmedialen Performance. Laut Spota sind darin persönliche Erinnerungen an seine Zeit in Wiesbaden seit 2010 verarbeitet.

Heraus kommt eine verrätselte, aber poetische Reise durch Jahreszeiten und Befindlichkeiten – startend beim gefrierenden Spiegelbild des Wiesbadener Theaterraumes, endend mit wuseliger Bühnenarbeit dort. Dazwischen Impressionen: von Tanz und Leben unter blauem, bewölktem, verregnetem Himmel; von sprießender Tanzlust aus grünendem Lebensbaum; von Melancholie in herbstlichen Alleen; vom Zusammenwachsen einer Compagnie. Fast leitmotivisch taucht das Falten eines Papierkranichs auf – als Symbol des Traums von gestalterischer Entwicklung in Freiheit. Da schwingt das Bangen mit: Wohin mag es uns nun verschlagen?                                     Andreas Pecht


Infos: >>www.staatstheater-wiesbaden.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 16. Februar 2014)

                                                ***

Nachfolgend Links zu all meinen Kritiken über Choreografien von Stephan Thoss während seiner Wiesbadener Zeit:

2013-10-29:  "Loops and Lines". Auf den Spuren des Rudolf von Laban

2013-02-19: "True or not True" 

2012-10-30: "Made in Love"  mit neuen Choreographien von Thoss u. Spota

2012-02-29: "Romeo und Julia" 

2011-10-31:  "Magisches Kaleidoskop" mit Tanzstücken von Thoss und Kylián

2011-02-13: "Blaubarts Geheimnis" 

2010-11-01a:  „Imago“: Ballettabend mit Arbeiten von Thoss und Walerski

2010-04-12a "Dornröschen" von Stephan Thoss

2010-02-14  „Es war einmal...“. Thoss u.a. auf den Spuren der Gebrüder Grimm

2009-11-01 Thoss schickt seine Compagnie ins "Labyrinth"

2009-02-16 "Solitaire" und "Le Sacre du Printemps" 

2008-12-02 "Zwischen Mitternacht und Morgen: Schwanensee"
2008-10-20 "Das Auge der Welt", Ballettabend von Thoss

2008-06-15  "Professor Unrat" als Handlungsballett

2008-02-17 Neudeutung des Ballettklassikers "Giselle"

2007-10-21 Starker Einstand von Stephan Thoss als neuer Ballettchef in Wiesbaden mit „Musikalisches Opfer“ (UA), „Visions fugitives“ und „No Cha-Cha-Cha“

2007-02-23 "Das Mädchen mit den Email-Augen": Thoss-Stück zu Gast in Bonn



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