Kritiken Theater
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2014-02-15 Ballettkritik:

Ballett Koblenz macht
Seele der Musik sichtbar


Umjubelte Produktion zum neoklassischen Schaffen des Choreografen Uwe Scholz

 
 
ape. Koblenz. Mit „Tausend Grüße“ kam jetzt am Theater Koblenz eine bemerkenswerte Sonderproduktion zur Premiere. Das umjubelte Ballett gehört zu bundesweit 32 vom „Tanzfond Erbe“ der Bundeskulturstiftung geförderten Projekten, die zur „exemplarischen Aufarbeitung der Geschichte des zeitgenössischen Tanzes in Deutschland“ beitragen. Unlängst hatte sich im Rahmen dieser Reihe Stephan Thoss und das Ballett des Wiesbadener Staatstheaters mit dem Tanzforscher Rudolf von Laban (1879 - 1958)  beschäftigt (∇hier). Die Koblenzer Compagnie rückt nun einen der bedeutendsten Choreografen der Neoklassik aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ins Blickfeld: den 2004 verstorbenen Uwe Scholz.
 


Die ersten beiden Teile des zweistündigen Abends sind Rekonstruktionen der Scholz-Stücke „Dans la March“ von 1998 zur Musik von Udo Zimmermann und „Die 1000 Grüße“ von 1986 zu Liedern von Robert Schumann. Abschließend setzt sich Ballettchef Steffen Fuchs in einer eigenen Choreografie mit Scholz' 1987er Tanzinterpretation von Rachmaninows Suite Nr.2 für zwei Klaviere auseinander.

„Dans la Marche“ (Einstudierung: Christoph Böhm) ist eine tief berührende Arbeit. In Phasen der Stille am Anfang wie am Ende sehen wir eine Frau und einen Mann in minimalistischen Bewegungen aneinander Schutz, Trost, Halt suchen. Schwarz gewandet, nur von zwei Lichtspots verfolgt, explodieren die beiden mit einsetzender Musik vor der Projektion eines Stacheldrahtzaunes zum tänzerischen Leidensschrei.

Iskra Stoyanova fällt die Symbolfunktion für bodenlose Verzweiflung in unmenschlicher Umgebung zu. Sie löst diese Aufgabe mit wunderbarer Balance zwischen von Leid erschöpftem und ballettös elegant-gespanntem Körperausdruck. Michael Jeske ist ihr dabei nicht nur technisch eine hervorragende Stütze: Sein Tanz bringt intensiv das Bemühen des Mannes ums seelische Überleben der Geliebten zum Ausdruck.

Obwohl ein für Scholz nicht ganz typisches Stück, rührt die enorme tänzerische und emotionale Dichte von „Dans la March“ doch aus dem zentralen Zug seines Oeuvres: Das Ballett übernimmt kongenial Strukturen und Charakteristika der Musik. Scholz-Choreografien sehen, heißt buchstäblich: die Seele der Musik sehen. Die 13 Nummern in „Die 1000 Grüße“ zeigen das auf schön Weise. (Einstudierung: Eleonora Demichelis)

Wie Schumann Geist und Atmosphäre der Verse von Goethe, Rückert, Bruns in musikalischen Ausdruck gießt, so Scholz das Ergebnis in tänzerischen. Da wird nun die ganze romantische Gefühlswelt aufgefächert vom Liebespathos über schwermütige Innerlichkeit bis zum kecken Necken. Für die Tänzer ist das ein dankbares Divertissement, in dessen Verlauf sie sich solistisch oder im Duo präsentieren können. Fürs Publikum ist es ein Reigen, bei dem klassische Ballettformen und deren neoklassische Brechungen sich zu einem so recht Schumann'schen „Bilderbogen“ fügen.

Selten erlebte man die Koblenzer Compagnie so stimmig dynamisiert und präzise wie in dieser Produktion, insbesondere bei der Rachmaninow-Suite. Unverkennbar wirkt in Fuchs' Choreografie das Musikalitätsprinzip von Scholz fort. Das Tanzpersonal  – in „Klaviertasten-Dresses“ (Kostüme: Sasha Thomsen) – teilt sich entsprechend der Musikstimmen auf: zwei Trios für die beiden Klaviere, innerhalb der Trios stehen die Frau für hohe, die Männer für tiefe Stimmen. Tanzfiguren, ihr Fluss und Miteinander führen in frappierender Verwandtschaft, aber doch eigenständig interpretierender vor Augen, was (per Band) von Rachmaninow zu Gehör kommt. Ein humoriges Kabinettstückchen liefern im zweiten Satz Arkandiusz Glebocki und der Compagnie-Neuling Michael Waldrop als quasi konkurrierende Klavierpassagen. 

Für Steffen Fuchs ist „Tausend Grüße“ eine Wiederbegegnung mit der eigenen Vergangenheit, denn er tanzte viele Jahre unter Scholz und erfuhr durch ihn manche Prägung. Doch zeigt seine beeindruckende Rachmaninow-Choreografie auch, dass er inzwischen mit eigenem Ausdrucksrepertoir aus dem Schatten des Meisters getreten ist.                                         Andreas Pecht


Infos: >>www.theater-koblenz.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 15. Februar 2014)


---------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------


Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken