Kritiken Theater
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2013-12-20 Schauspielkritik:

Eine Farce namens „Helmut Kohl läuft durch Bonn“
Uraufführung des Stückes von Nolte Decar jetzt ebendort

Der Altkanzler als Held
im absurden Theater


 
ape. Bonn. „Helmut Kohl läuft durch Bonn ODER Stahl Wald Benzin ODER Der Bomber von Oggersheim ODER In einer Republik vor unserer Zeit ...“. So beginnt auf der Werkstattbühne des Theaters Bonn in trockenem Wechselsprech eine endlose Reihung aus Wortbildern, Gedankensplittern und nachher kleinen Sketchen unter dem Titel „Helmut Kohl läuft durch Bonn“.
 

Der Text des Autorenduos Nolte Decar ist weder Kohl-Hommage noch -Persiflage noch bundesdeutsches Historiendrama. Am ehesten trifft der Begriff Farce auf den teils recht boshaften höheren Blödsinn zu, den Regisseur Markus Heinzelmann jetzt zur Uraufführung brachte. Je nach Geschmack: mal höher, mal blödsinniger – als hätten der Prädadaist Alfred Jarry und Comicus Helge Schneider gemeinsam  Versatzstücke von Shakespeares „King Lear“ über Coppolas "Pate" bis Kafkas „Verwandlung“ zur absurden Revue über das Leben des Altkanzlers und über manches vom Geist der Bonner Republik verwurstet.

Christoph Ernst hat unter Neonröhren einen tristen Raum aus schmutzig weißen Wänden, Plastikparkett, zerschlissenem Sofa, Kaffeemaschinenecke, Drumset, Regiepodest, Mikrophonen gebaut. Sieht aus wie der abgenutzte Probenraum einer Band aus den 70ern. Dort trifft eine Journalistin (Julia Keiling) auf die vom einstigen Neukanzler Gerhard Schröder gefeuerte Kanzleramts-Putzfrau (Mareike Hein) seines Vorgängers. Und die erzählt nun davon, wie der alte Kohl so war.

Was ordnender Rahmen des Abends hätte sein können, wird indes vom nächsten ODER sogleich wieder beiseite gedrängt. So ergeht es jedem erzählerischen Ansatz, jedem Gedanken, ja den meisten Bonmots: Nichts kommt zuende, stets knallt das nächste ODER dazwischen, lässt das Spiel zu anderen realen Aspekten wie fantasierten Möglichkeiten der Kohl-Vita und ihres Zeitgeistes springen. Etwa zur Verwandlung des jungen Helmut vom vermeintlich marxistischen Aufständler gegen die Eltern in einen Christdemokraten. ODER zur Verehelichung mit einer Hannelore, der hier Züge von Lady Macbeth anhängen.

ODER gleich wieder zu Shakespeare. Kohl verteilt das Reich an seine Söhne: Die Schleimer kriegen Westdeutschland und Ostdeutschland, der Meckerer das Sauerland. Der alte König muss hernach mit dem Narren Hallervorden auf dem Acker schlafen. Undank ist der Welt Lohn ODER ein schwarzer Geldkoffer ODER die Vereinigung Deutschlands, dann Europas, dann aller Länder unter dem Kohl'schen Mantel der Geschichte – durch die das Stück hemmungslos vor und zurück hüpft.

Mal lässt die Inszenierung Bernd Braun, Samuel Braun, Robert Höller und Sören Wunderlich als Kohl-Chorus antreten, mal weist sie ihnen die Rollen von Kohl-Zeitgenossen zu. Gleich gewandet in hellblaue Hemden, besticht das bundesrepublikanische Personal allerdings kaum durch individuell markante Unterschiede. Irgendwie sind sie doch alle Kohl. In Anlehnung an die Eier-Attacke 1991 in Halle, klatschen sich die vier am Ende wechselseitig rohe Eier an den Kopf. Wer ist da wer? Egal.

Bei der Lektüre erweist sich der Text als dynamisches, vielfarbiges, provokantes Konglomerat aus scheinbarem Unfug und hintersinnigen Assoziationen. Heinzelmanns Bonner Umsetzung kommt da nicht recht ran, krankt bald an künstlich kühlem Understatement, bald an bemühter Überdrehtheit. Beifall gab's dennoch reichlich für durchaus kurzweilige zwei Stunden.
                                                                           Andreas Pecht


Infos: >>www.theater-bonn.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 23. Dezember 2013)


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