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2013-11-26a Jubiläum:

Archäologische Dauerausstellung im Landesmuseum Koblenz seit 2003


 

Eine Million Jahre Zivilisationsgeschichte im Blick

 
ape. Koblenz. Sämtliche heute auf der Festung Ehrenbreitstein existierenden Ausstellungsbereiche sind im Zuge der Bundesgartenschau 2011 oder danach neu installiert worden. Bis auf einen: die archäologische Dauerausstellung des Landesmuseums Koblenz im Festungskomplex Contregard rechts. Das Kernstück dieser hochinteressanten Schau unter dem Titelt „Geborgene Schätze – Archäologie an Mittelrhein und Mosel“ gibt es bereits seit 2003. Weshalb unlängst mit einer Feierstunde ihr zehnter Geburtstag begangen wurde. Anlässlich des Jubiläums ist am Kopfende des Saales eine Sonderpräsentation eingerichtet (bis Frühsommer 2014).



In der kleinen Jubiläumsschau umreißt eine Auswahl von Highlights archäologischer Funde aus dem zurückliegenden Jahrzehnt Zeitepochen hiesiger Zivilisationsgeschichte über rund eine Million Jahre: von Hinterlassenschaften des steinzeitlichen Homo erectus bis zur Fünf-Zentner-Bombe aus dem 2. Weltkrieg.

Meine Gesprächspartner sind Brigitte Schmutzler, Chefin des Koblenzer Landesmuseums, sowie Axel von Berg, unlängst zum Leiter der Direktion Landesarchäologie Rheinland-Pfalz ernannt. Die beiden von ihnen vertretenen Institutionen verstehen sich quasi als die gemeinsamen Eltern der archäologischen Dauerausstellung. Ihr Zusammenwirken bei der Einrichtung des Schausaals 2003 kann durchaus auch als früher Prolog auf die spätere Gründung der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) Rheinland-Pfalz verstanden werden. Unter dem Dach der GDKE wurden 2007 Denkmalschutzbehörde, Burgen- und Schlösserverwaltung, Landesarchäologie und die drei Museen des Landes (Mainz, Trier, Koblenz) zusammengefasst.

Hochwertige Ausstellung bedeutender Artefakte

Mit der Archäologie-Dauerausstellung in der Festung entstand so 2003 ein permanentes Kooperationsprojekt, bei dem das Landesmuseum Koblenz ein Forum betreibt, auf dem die an Mittelrhein und Mosel tätigen Landesarchäologen wesentliche Resultate ihrer Grabungs- und Forschungsarbeit seit Gründung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz der Öffentlichkeit vorstellen. Und um auch das einmal zu sagen: Dem Autor ist diese quantitativ zwar nicht gigantische, aber qualitativ sehr hochwertige  Ausstellung seit ihrer Eröffnung vor zehn Jahren einer der liebsten und regelmäßig genutzten Anlaufpunkte in der Festung. Einfacher Grund: Wann immer die Beschäftigung mit der Zivilisationsgeschichte realen, authentischen Anschauungsmaterials bedarf – hier wird man fündig.

Was gerade Einheimischen bisweilen nicht recht bewusst ist, wird in der Ausstellung bei genauerer Beschäftung mit den Artefakten und den dazugehörigen Erläuterungen deutlich: Die hiesige Region gehört zu den archäologischen Hotspots in Westeuropa. Dafür lassen sich drei Ursachen ausmachen. Erstens: Die Mittelrhein-Region ist eines der ältesten menschlichen Siedlungsgebiete in Europa. Wie Axel von Berg erläutert, tummelten sich hier seit der Altsteinzeit vor einer Million Jahre nacheinander der Homo heidelbergensis als europäische Form des aus Afrika eingewanderten Homo erectus, der daraus hervorgegangene Neanderthaler und schließlich der Homo sapiens.

Laacher-See-Vulkan stiftete Schutzmantel

Zweitens: Ausgerechnet der bislang letzten urgewaltigen Naturkatastrophe in der Region – dem Großausbruch des Laacher-See-Vulkans anno 10996 vor Christus – ist es zu danken, dass die Relikte frühmenschlicher Besiedlung unter meterdicken Bimsschichten bestens konserviert wurden. Weshalb gerade Vordereifel nebst Untermosel sowie Neuwieder Becken mit rechtsrheinischem Anstieg zum Westerwald ein Eldorado archäologischer Forschung sind. Dies gilt, drittens, auch für die nachfolgenden Epochen, in denen aufgrund der naturräumlichen, geologischen und klimatischen Bedingungen am Zusammenfluss von Rhein und Mosel das Gebiet ein strategisch bedeutender Siedlungs- und Wirtschaftsraum etwa für Kelten und Römer wie für Mittelalter, Neuzeit und Moderne blieb.

Schicht um Schicht, Fundstelle um Fundstelle legen die Archäologen seit Jahrzehnten die Hinterlassenschaft all dieser Epochen frei. Und die Dauerausstellung in der Contregard rechts  versammelt die interessantesten von abertausenden Funden zum aufschlussreichen Rundgang durch die Geschichte der Mittelrheinregion – vom dort ersten Auftauchen einer Homo-Spezies in Deutschland bis zum Beginn der Neuzeit vor etwa 500 Jahren.

Die kleine Jubiläumspräsentation stellt eine aktualisierte Auswahl aus der Auswahl dar (ergänzt um ein in jüngerer Zeit immer wichtiger werdendes Forschungsgebiet: die Weltkriegsarchäologie). So lässt sich die Geburtstagsschau auch als kompakte Kurzeinführung in die dann wesentlich detailliertere Dauerausstellung nutzen. Die erste Station belegt mit frühzeitlichen, in Winningen und Güls gefundenen Steinwerkzeugen („Geröllgeräte“) die Anfänge der hiesigen Besiedlung vor einer Million Jahre, als die Region noch eine hügelige Hochebene war und der Rhein weit verzweigt auf heutiger Höhe der Festung Ehrenbreitstein dahinfloss.

Lebensraum für Kelten, Römer, Ritter, Neuzeitler

Die zweite Station springt über Jahrhunderttausende hinweg in die Bronzezeit zum „Hort von Ochtendung“. Auch dieser Fund wurde im Laufe der letzten zehn Jahre gemacht und umfasst 3000 Jahre alte Werkzeuge, Beile, Rohlinge und Materialbarren aus Bronzeguss. Das könnten Utensilien einer präkeltischen Schmiede sein. Interessant dabei: Bislang ging man davon aus, dass derart hochentwickelter Bronzeguss im Europa jener Zeit vor allem auf das Gebiet des heutigen Ungarn konzentriert war. Jüngste Materialanalysen zeigen aber, dass die Ochtendunger Fundstücke tatsächlich am Mittelrhein gefertigt wurden. Die nächste Station führt mit einem grausigen Fund aus Kobern-Gondorf in die Zeit um Christi Geburt: ein mit einem großen Eisennagel durchdrungener Menschenschädel zeugt vom Kult unserer keltischen Vorfahren, die Köpfe besiegter Feinde als Trophäe an die Hüttenwand zu nageln. Im vorliegenden Fall deutet manches darauf hin, dass es sich um einen römischen Legionär handelt, der beim Vormarsch Julius Caesars Richtung Rhein von keltischen Kriegern getötet wurde.

Brosche, Gürtelschalle, Öllampe, Grabsteinteile erzählen anschließend vom frührömischen Leben um den einst wichtigen Andernacher Imperiumshafen am Mittelrhein. Zwei prall mit Münzen gefüllte Töpfe aus einem Römer-Burgus im Hunsrück schlagen den Bogen zur Spätantike. Ein Dolchmesser der Karolingerzeit und ein Hiebschwert der Merowinger vertreten das Mittelalter, kunstvoll höfische Zierkeramiken aus dem Kannebäckerland die frühe Neuzeit ab 1680. Von dort geht es in der kleinen Jubiläumspräsentation mit Panzerfaust, Stahlhelm, Fliegerbombe direkt ins 20. Jahrhundert. Wie die Exponate der Dauerausstellung, so sind auch all die jüngsten Fundstücke der Jubiläumspräsentation Teile eines großen Puzzels, das die Archäologen über Jahrzehnte Stück um Stück zusammensetzen und das vom Landesmuseum in der Dauerausstellung als sich fortlaufend verdichtendes Bild vermittelt wird:  davon, wo wir herkommen und wie wir geworden sind.                                                                             Andreas Pecht


Infos:  >>www.landesmuseum-koblenz.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
48. Woche im November 2013)

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