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2013-10-28a Feature:

40 Jahre Stadthalle Lahnstein – Architektonisch wertvolles Vereinigungssymbol zweier Städte 


Nebst verrücktem Teppich ein bauliches Kulturdenkmal der Moderne


ape. Karneval anno 1973. Die neue Stadthalle am Lahnsteiner Salhofplatz war noch gar nicht fertig, geschweige denn offiziell eröffnet, da nahmen örtliche Vereine sie bereits in Gebrauch. Das Carneval Comité Oberlahnstein (CCO) feierte seine zentrale Sitzung „in der noch im Rohbau befindlichen Stadthalle“, wie die Vereinschronik verzeichnet. Auch der Niederlahnsteiner Carnevalsverein (NCV) nutzte  in der 73er-Session die noch unfertige Location, notiert aber in seiner Chronik: Die neue Halle sei „lange Jahre vom Niederlahnsteiner Publikum nur erschwert angenommen“ worden. Kein Wunder, steht doch die damals neue „gute Stube“ der neuen Stadt Lahnstein im Zentrum des alten Oberlahnstein. Da lag die Vereinigung der beiden vormals eigenständigen Orte Nieder- und Oberlahnstein gerade vier Jahre zurück und waren Jahrhunderte alte Gräben und Gewohnheiten längst nicht überwunden.



24. bis 27. Mai 1973. Die neue Stadthalle wird mit einem opulenten Fest-Wochenende offiziell ihrer Bestimmung übergeben. Das Programm: öffentlicher Festakt; Eröffnung einer Ausstellung der Künstlergemeinschaft Westerwald-Lahn-Taunus; SWF-Hörfunkveranstaltung mit Rundfunkorchester unter Emerich Smola; Jugendfete mit der Gruppe Blaumilchkanal; Modenschau; Tanzabend mit englischer Bigband; Kinderfest; Theatervorstellung der Landesbühne Rheinland-Pfalz. Der Rückblick auf das Nutzungsspektrum in jenen ersten Wochen 1973 führt die wesentlichen Funktionen vor Augen, die der städtische Bauherr (im Verbund mit der Volksbank) dem neuen Gebäude zugedacht hatte. Erstens: Veranstaltungsraum für die örtlichen Vereine. Zweitens: Veranstaltungsraum für Gastspiele und Präsentationen diverser Kulturgenres. Drittens: Zwei Jahre vor Gründung (1975) des Jungendzentrums „Die Baracke“ eine Örtlichkeit, die auch Lahnsteiner Jugendliche gelegentlichen Spielraum gibt. Schließlich viertens: Die neue Stadthalle als erstes großes gemeinsames, verbindendes, sozusagen integratives  Projekt der vereinigten Orte Nieder- und Oberlahnstein.

Wir schreiben das Jahr 2007. Die Halle ist längst reales wie ideelles Lahnsteiner Gemeingut geworden, hat gut drei Jahrzehnte bewegtes Leben hinter sich und eine Sanierung steht an. Der Rat der Stadt will u.a. einen neuen und ganz anderen Bodenbelag in Treppenhaus und Foyers, denn der alte Teppich dort besteht inzwischen fast mehr aus Flecken und Brandlöchern als aus Webfläche. Die Sache hat allerdings einen Haken: Für just diesen Teppich ist die Stadthalle weit über die Ortsgrenzen hinaus berühmt. Ob Jürgen von der Lippe, Gerhard Polt oder Volker Pispers, ob Skorpions, Klaus Doldinger, Udo Lindenberg, Johnny Winter oder Roberto Blanco: Jeder Bühnenakteur oder Zuschauer von auswärts erinnert noch nach Jahren von seinem Lahnsteiner Besuch vor allem den grellen, schockigen, schier schwindelig machenden, farbenfrohen Bodenbelag aus roten, gelben, lilablauen Rauten- und Winkelmustern.

Der vom renommierten Künstler Otto Herbert Hajek (1927 – 2005) als wesentliche Innenkomponente der künstlerischen Gesamtgestaltung der Lahnsteiner Halle entworfene Bodenbelag ist neuzeitlich so legendär wie historisch das dortige „Wirtshaus an der Lahn“, in dem 1774 Goethe, Lavater und Basedow miteinander dinierten.  Mehr noch: Im Dezember 2007 stuft das Landesamt für Denkmalpflege die Stadthalle mitsamt Teppich als Kulturdenkmal ein, weil sie ein „seltenes Zeugnis für die Architektur der 1970er-Jahre“ darstellt. Ergebnis: Die seinerzeit avantgardistische und bis heute zu munterem Ästhetik-Disput Anlass gebende Auslegware muss bleiben. Heißt praktisch: 2010 wird ein originalgetreu nachgewebter neuer Teppich verlegt. So
viel Glück war einigen kunstvollen Stelen auf dem ersten Treppenabsatz nicht beschieden. Sie standen in Widerspruch zu neuen Brandschutzbestimmungen – und wurden von Arbeitern „entsorgt“ noch bevor zuende überlegt war, ob dieser Teil der Kunst am/im Bau nicht doch irgendwie gerettet werden kann.

Wir treffen uns mit Walter Nouvortne auf dem Salhofplatz. Der 58-Jährige ist seit 2012 Hallenmanager, war zuvor viele Jahre Leiter des Lahnsteiner Jugendkulturzentrums und vor einem Vierteljahrhundert Mitbegründer des Festivals Lahneck Live. Der Mann gehört also quasi zum  örtlichen Urgestein der Moderne, zumal er schon als Jugendlicher in den 70ern im Keller der Stadthalle bei rockigen Musikproben mit Freunden das Schlagzeug bearbeitete. Während bei unserem Besuch in selbigem Mehrzweckraum eine Frauengruppe Gymnastik treibt, lenkt Nouvortne oben auf dem Salhofplatz die Aufmerksamkeit auf äußere Architekturmerkmale der Stadthalle. Unschwer erkennbar ist die sorgsame Eingliederung des aus Sichtbeton und Glas bestehenden neuzeitlichen Gebäudes in die hufeisenförmige Bauumfassung des Platzes. Wobei die Halle als jüngstes Element ein historisches Ensemble schließt, das aus königlichem Salhof (zurückgehend aufs 12. Jahrhundert mit Wurzeln im 10.), Teilen der mittelalterlichen Stadtmauer und dem ehemaligen Hotel Kaiserhof aus dem 19. Jahrhundert besteht.

Die Stadtmauer schließt direkt an die Halle an. Mehr noch: Ihr Wehrgang setzt sich optisch als Balkon und Fensterfront auf gleicher Ebene in der Fassade des 1970er-Baus fort. Und noch mehr: Das zentrale Segment der Hallenfassade besteht aus einem farbigen Betonrelief, das einerseits das Teppichmuster im Innern aufnimmt (oder umgekehrt), andererseits die natursteinerne Kleinteiligkeit der mittelalterlichen Stadtmauer auf moderne Weise spiegelt. Da hatten sich Hajek und die Wiesbadener Planungsring-Architekten sichtlich was gedacht, da fügen sich am Lahnsteiner Salhofplatz jüngere Architektur und historischer Baubestand verschiedener Zeitalter zu einem recht stimmigen Ganzen. Das hat man eher selten bei in den 70ern und 80ern in Deutschland vielfach entstandenen neuen Stadthallen und kommunalen Gemeinschaftshäusern.

Gut 800 Leute passen in den großen Saal der Stadthalle (bestuhlt und mit Empore), erklärt Nouvortne. Erweitert um den geöffneten kleinen Saal sind es etwas über 1000, mit Tischreihen rund 570. Und Tische braucht man gelegentlich, beispielsweise für Bankette, für traditionelle Karnevalssitzungen oder die alternative Fastnacht „Zores“, für den alljährlichen Ball Royal des Tanzsportclubs oder die Prüfungen, die IHK, HWK, Landesjuristen, Hochschule Koblenz und erstaunlicherweise die Universität Heidelberg hier abhalten. Die großen Tagungen der Gesellschaft für Gesundheitsberatung (GGB) haben hier Heimstatt oder seit 34 Jahren das überregional ebenso wie der Teppich zur Legende gewordene Lahnsteiner Blues-Festival.

Und mehrfach wurde die Stadthalle Kulminationspunkt örtlicher Kulturentwicklungen. So anfang der 1980er als die jungen Bands der lebhaften Lahnsteiner Musikszene zum großen Konzert im großen Saal antraten. Oder Mitte der 80er, als mit einem Festival unter dem Motto „30 Jahre Lahnsteiner Musikszene“ die Brücke geschlagen wurde zwischen diesen Jungen und der Vorgängergeneration der Elvis-Rocker, Beatniks und Jazzer. Und wieder scheint sich eben jetzt eine neue Traditionslinie abzuzeichnen: In seinem 4. Jahrgang zog das International Gitarren-Festival Lahnstein mit seinem Spiritus rector Lulo Rheinhardt in die Stadthalle um, weil das Jugendkulturzentrum den Besucherandrang nicht mehr bewältigen konnte. 400 Zuhörer erlebten laut Nouvortne im August 2013 einen denkwürdigen Abend gitarristischer Meisterschaft unterschiedlichster Provenienz. „Das hat richtig Potenzial; im nächsten Jahr sind wir voll“, meint der Hallenmanager.                        Andreas Pecht

Infos:  
>>www.stadthalle-lahnstein.de      


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
Woche 43/44 im Oktober 2013)

                                                                        

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