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2013-09-15 Rückblick:


Seit 40 Jahren ist die Rheinische Philharmonie Staatsorchester


ana/ape. 1973 wurde das Koblenzer Orchester vom eingetragenen Verein zur Landesinstitution gewandelt. Dies war ein weiterer Markstein in einer Historie, die sich über fast vier Jahrhunderte erstreckt. Ein kleiner Rückblick anlässlich des Festkonzerts am 15. September 2013 in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle.



Die jüngere Koblenzer Orchestergeschichte begann mit einer Anzeige in Schwarz-Weiß. Der Zweite Weltkrieg hatte Europa in Schutt und Asche gelegt, Koblenz war zu 80 Prozent zerstört, die Franzosen hatten in der Stadt die Besatzungsmacht übernommen, als im August 1945 im „Mittelrhein-Kurier“ folgender Text erscheint: „Für ein neu zu gründendes Philharmonisches Orchester suche ich einen Dirigenten. (...) Voraussetzung ist, dass die Bewerber nicht der NSDAP angehört haben.“ Der Mann, der den Text aufsetzt, heißt Anton Tilmann Veit und ist Herausgeber einer Tageszeitung. Eine Woche später sucht Veit auf dieselbe Weise die Besetzung für ein Sinfonieorchester in der Stärke von 54 Musikern. Das Ziel des Verlegers: Er will ein Musikradio aufbauen. Nun castet er per Annoncen das Orchester dafür zusammen.

Am 15. September 1945 findet das Vorspiel statt. Dieses Datum gilt als Gründungsdatum der Rheinischen Philharmonie in Koblenz. Bis heute wird es gefeiert – und mit ihm noch ein zweites Datum: der 1. Juli 1973. Der Tag vor 40 Jahren, an dem die Rheinische offiziell von einem Verein in ein Staatsorchester des Landes Rheinland-Pfalz verwandelt worden ist. Es sind zwei besondere Tage, die für eine wechselvolle Orchestergeschichte stehen. Zwei Marksteine an einem historischen Weg, der sich über mehr als 350 Jahre erstreckt.

Eingebettet in eine lange Tradition

Auf das Jahr 1654 lässt sich die Koblenzer Orchestergeschichte zurückführen. Damals wird unter Karl Kaspar von der Leyen, Erzbischof und Kurfürst von Trier, in Koblenz eine Hofkapelle mit 20 Musikern gegründet. In den ersten Jahrzehnten dient das Orchester der geselligen Untermalung höfischer Feste, besondere Glanztaten sind nicht verzeichnet. 1763, als Wolfgang Amadeus Mozart in der Stadt ist und für den gerade amtierenden Kurfürsten spielt, kann dessen Vater jedenfalls keine besondere musikalische Zugewandtheit des Hofes erkennen. Vielmehr vermerkt Mozart Senior in seinen Notizen: „Das meiste bestand in Essen und tapfer trinken.“

Erst unter dem letzten Kurfürsten von Trier – dem sächsischen Prinzen Clemens Wenzeslaus – erlebt die Orchesterkultur eine besondere Blüte: Die Koblenzer Hofkapelle ist in den letzten Jahren der höfischen Regentschaft am Rhein eine der größten in Deutschland. 1794 dann wird die Mittelrheinstadt von französischen Truppen besetzt. Der Kurfürst flieht. Die Kapelle löst sich auf. Für 14 Jahre wird es recht still in Koblenz. Erst 1808 kehrt das Konzertwesen wieder zurück: Koblenzer Bürger gründen damals das Musik-Institut. Dort spielt ein eigenes Orchester mit zivilen Berufsmusikern, die bei Bedarf durch Militärmusiker der Koblenzer Garnison verstärkt werden.

Das Bedürfnis nach Kultur ist stark: Auf Initiative des Intendanten des Musik-Instituts, Carl Wegeler, wird 1901 ein „Philharmonischer Verein“ gegründet, dessen Musiker ab 1913 auch in städtische Dienste übernommen und als Angestellte der Stadt bezahlt werden. 1930 jedoch muss man sie zeitweilig alle wieder entlassen – Wirtschaftskrise und Inflation machen der Stadt zu schaffen. Das endgültige Aus folgt im Herbst 1944, als auf Befehl des Reichspropagandaministers alle deutschen Kulturorchester stillgelegt werden. Nicht einmal ein Jahr später ist die Terrorherrschaft der Nazis vorbei. Und der Verleger Veit veröffentlicht seine eingangs erwähnte Anzeige. Aus den Trümmern des Krieges richtet sich die Musik auf wie eine erste Blüte.

Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg

In Bad Ems findet im September 1945 das Vorspiel für die neue „Rheinische Philharmonie“ statt. Im Kurhaus drängeln sich die Bewerber. Aus allen Richtungen und Zonen Deutschlands sind sie herbei geeilt, um sich beim Probespiel zu beweisen. Aus Gefangenenlagern sind sie angereist, auf teils abenteuerlichen Umständen: auf Lastwagen, Güterzügen, Fahrrädern, zu Fuß. Schlussendlich erhalten 80 von ihnen einen Vertrag. 500 Reichsmark gibt es für eine wöchentliche Beschäftigung von „mindestens 50 Stunden“. Bei „Eintritt höher Gewalt oder durch einschneidende Anordnungen der Militärregierungen“ ist der Vertrag zudem halbmonatlich kündbar. Doch 1945 ist das weit besser als nichts. Wer dabei ist bei der Rheinischen Philharmonie, der darf sich glücklich schätzen.

Erster Dirigent des neuen Orchesters wird Walter May. Am 14. Oktober 1945 beginnt der regelmäßige Sendebetrieb von Radio Koblenz; Musik und Unterhaltung dominieren, es gibt erste Konzerte, auch in der näheren Umgebung von Koblenz. Doch der Zauber des Anfangs verfliegt rasch. Es kommt zu Querelen zwischen Veit und der französischen Besatzung, bis der Verleger und Radiomacher schließlich von seiner Position suspendiert wird. An seiner Statt übernimmt im März 1946 der Südwestfunk das Studio. Als eine der ersten Taten kürzt er die klassischen Musiksendungen. Die Rheinische Philharmonie verliert ihren Arbeitgeber.
 
Doch das ist nicht das Ende, sondern – wieder einmal – ein Anfang. Denn das Orchester zerstreut sich nicht in alle Winde, sondern hält zusammen. Als freiwilliger Verein, der sich selbst verwaltet. Basisdemokratisch, sozusagen. Der Vereinsvorstand ist fortan auch für Finanzen, Marketing und Organisation zuständig, ein Orchestermitglied wird für die Geschäftsführung vom Dienst freigestellt.

Ein halbes Jahr später – am 20. März 1946 – gibt die Rheinische im zerstörten Koblenzer Stadtkern ein erstes Konzert. Auf wundersame Weise ist der Saal des ehemaligen UfA-Theaters, der „Filmpalast“, vom Krieg verschont geblieben. In diesem Raum, der 700 Plätze fasst, beginnt das konzertante Leben der Stadt von neuem. Auf dem Programm stehen die 1. Sinfonie von Beethoven und die 3. Sinfonie von Brahms sowie „Don Juan“ von Richard Strauss. Berührt schreibt der Rezensent des „Rheinischen Merkur“ am nächsten Tag: „Der Abend wird ein Grundstein im musikalischen Leben der Stadt Koblenz sein.“ Chefdirigent Walter May ist jedoch nur noch kurze Zeit Teil dieses Lebens. Zwischen ihm und den Orchestermitgliedern kommt es zu Unstimmigkeiten. Im Juli 1946 setzt ihn die Orchesterversammlung mit großer Mehrheit ab. Die neuen Chefs am Pult sind Otto Winkler als musikalischer Oberleiter des Stadttheaters sowie Carl August Vogt für die Konzerte.

Mutig, aber unsicher: das Orchester als Verein

Von Anfang an stemmt das Orchester trotz seiner wirtschaftlich prekären Lage ein enormes Programm. Es wirkt beim Festakt des wieder eröffneten Stadttheaters am 1. Juni 1946 mit, gibt Konzerte über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaus, präsentiert mit „Fidelio“ die erste Opernaufführung nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Koblenz. Und verbucht Erfolge. 1948 schwärmte eine Zeitung mit der Überschrift: „Wir erlebten das beste Orchester Westdeutschlands“ und gibt damit die Meinung eines Konzertbesuchers wieder.  Unvergessen bis heute bei vielen Kennern sind die Operettenfestspiele der Stadt Koblenz, an denen das Orchester mitwirkt. Extra für diese Inszenierungen wird 1950 auf dem Rhein eine Bühne installiert und erst 1970 wieder abgebaut. Anwohner hatten sich über die Lärmbelästigungen des Freiluft-Festivalbetriebs beschwert.

Es geht voran: 1955 wird die Rheinische ein eingetragener Verein, die Mitglieder bekommen jetzt Lohn nach Tarif. Der Orchestervorstand hat in Verhandlungen eine kontinuierliche Unterstützung durch das Land Rheinland-Pfalz erreicht. Die Koblenzer Rhein-Zeitung schreibt damals: „Heute kann die Rheinische Philharmonie als ihre schönsten Erfolge nicht nur die Überwindung ihrer Existenzschwierigkeiten verzeichnen, vielmehr hat sie auch gerade durch die entscheidenden Zuschussleistungen der Landesregierung eine tarifgerechte Gehaltslage der einzelnen Musiker geschaffen.“ 1958 wählt das Orchester Klaro M. Mizerit zum Chefdirigenten – er wird es bis 1969 bleiben. Herbert Charlier übernimmt die Leitung der Oper.

Trotz aller Erfolge – die Existenzangst bleibt. Immer wieder müssen das Orchester in Selbstverwaltung in diesen Jahrzehnten um sein Weiterbestehen bangen. 1967 beispielsweise, im Jahr der wirtschaftlichen Rezession, wird im Kulturbereich erheblich eingespart. Auch die Rheinische Philharmonie ist betroffen. Entlassungen stehen im Raum, der Fortbestand des Unternehmens scheint bedroht. Die Orchestermitglieder sehen nur eine Chance, die Auflösung ihres Klangkörpers zu verhindern: Sie verzichten für ein halbes Jahr auf 20 Prozent ihrer Gage, um den Korpus mit seinen mittlerweile 75 Musikern zu erhalten. Ein Solidarakt, der ihnen ein großes Medienecho und viel Sympathie in Bevölkerung und Politik einbringt.

Unterwegs zum rheinland-pfälzischen Staatsorchester

1969 erhöht das Land seine Zuschüsse für das Orchester wieder, die Musiker planen für die nächsten Jahre und ernennen Walter Crabeels zu ihrem neuen Chefdirigenten. Gesichert sind die sozialen Verhältnisse jedoch immer noch nicht. „Wir konnten die Planung, die für ein Orchester lebensnotwendig einen Vorlauf von zwei bis drei Jahren haben muss, nur unter großen Schwierigkeiten so abwickeln, dass auch die hochqualifizierten Musiker an den entscheidenden Positionen nicht ständig wechselten“, erinnerte sich in einem Interview Jahrzehnte später Erhard May. Der 2012 verstorbene May war in jenen entscheidenden Jahren Vordenker und Verhandlungsführer. 1947 als Bassposaunist zum Orchester gekommen, übernahm er 1962 die Geschäftsführung, ab 1975 die Intendanz des Orchesters.

Als das 25-jährige Jubiläum der Rheinischen naht, sieht May seine Zeit gekommen. Mit viel Engagement wirbt er bei der Politik für das Orchester. Und hat Erfolg: Die Landesregierung unter Helmut Kohl gratuliert nicht nur mit schönen Worten. Sondern hat auch Geschenke dabei. Zum einen: mehr Geld. 1970 rückt das Orchester von der Besoldungsstufe D in die B-Klasse auf. Und schließlich kommt der lang erhoffte Anruf aus Mainz. Erhard May: „Ich werde es nie vergessen, als mich der damalige Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag anrief und sagte: ´Endlich! Es ist geschafft, wir haben die Verstaatlichung erreicht!“ Zum Stichtag 1. Juli 1973 wird die Rheinische Philharmonie Landesorchester.

„Das Land Rheinland-Pfalz übernimmt das Sinfonieorchester des Vereins Rheinische Philharmonie e.V. mit Wirkung zum 1. Juli 1973 (...) Mit der Übernahme des Orchesters in seine Trägerschaft will das Land zu einer Intensivierung des Musiklebens im Lande beitragen.“ So steht es im Paragraf 1.1 des Übernahmevertrags. Das Staatsorchester ist geboren, mit 69 Musikern, einem Dirigenten, einem Geschäftsführer und einigen Angestellten. Musikbegeisterte Bürger und Politiker haben die Umwandlung vom eingetragenen Verein zum Landesorchester geschafft. Seither trägt es den Namen „Staatsorchester Rheinische Philharmonie“.

Erster musikalischer Leiter des neuen Staatsorchesters wird Wolfgang Balzer. Bereits in der Spielzeit 1972/1973 haben die Musiker den jungen Dirigenten gewählt, der zuvor 1. Kapellmeister der Frankfurter Oper war. Balzer leitet auch das Festkonzert anlässlich der Ernennung zum Staatsorchester am 5. September 1973. Zu Beginn der Spielzeit 1975/1976 wird Pierre Stoll Generalmusikdirektor – zuvor 1. Kapellmeister der Straßburger Oper und ein international gefragter Gastdirigent. Ihm folgt 1981/1982 James Lockhart als Generalmusikdirektor (GMD) nach Koblenz. Der in Koblenz bald sehr beliebte Schotte war zuvor Gastdirigent an allen wichtigen deutschen Häusern und Professor am Royal College in London. Als Lockhart 1991 das Orchester verlässt, ernennt ihn der damalige Ministerpräsident Rudolf Scharping zum Ehrendirigenten des Orchesters.

Es sind Jahrzehnte voller Schaffensdrang. Für den Südwestfunk und späteren SWR spielen die Koblenzer ab Mitte der 1970er-Jahre zahlreiche Aufnahmen ein, es entstehen in enger Folge mehrere Schallplattenproduktionen. Tourneen nach Süddeutschland, Frankreich und in die Schweiz stehen auf dem Spielplan. Es kommt auch – wieder einmal – eine Zeit des Abschieds: Erhard May, der umtriebige Vorkämpfer des Orchesters, geht 1984 in Pension. Doch bevor er sein Amt an Veit S. Berger übergibt, verschafft er der Rheinischen noch ein neues, dauerhaftes Zuhause.

1985 endlich auch ein eigenes Domizil

Denn ein Problem ist mit der Verstaatlichung 1973 weiterhin ungelöst: Die Philharmonie hat kein eigenes Domizil. Das Görreshaus, in dem die Musiker zu ihren Anfängen unter anderem geprobt hatten, war aus baulichen Gründen von der Polizei versiegelt worden. Das kunsthistorisch wertvolle, neugotische Haus des Katholischen Lesevereins drohte zu verfallen. Und das Orchester? Wechselt jede Probe die Säle. Mit einem Handkarren transportieren die Orchesterwarte dann die Instrumente quer durch die Stadt. Zwölf Jahre dauert dieser Zustand an. Jahre, in denen May so manche Mittagspause um das alte Haus herumschleicht und überlegt, wie es wohl zu retten sei. „Ich nutzte dann meine politischen Kontakte, insbesondere zum Koblenzer Oberbürgermeister Willi Hörter, sodass das Haus dann doch mit viel Aufwand instand gesetzt und restauriert wurde.“ Am 16. August 1985 ist es soweit: Zu ihrem 40. Jubiläum zieht die Rheinische mit einem Gala-Konzert und der 2. Sinfonie von Gustav Mahler ins Görreshaus als fester Heimstatt ein.

Immer stärker rückt die Rheinische Philharmonie nun ins Rampenlicht. Seit 1991 hat Christian Kluttig die Position des GMD übernommen – als Dirigent des Händel-Festspielorchesters in Halle ist er da bereits in Kennerkreisen bekannt. Unter seiner Leitung und der Intendanz (1986 – 1997) von Hans Richard Stracke schreibt die Rheinische wieder Musikgeschichte: Anlässlich der 2000-Jahr-Feier der Stadt Koblenz 1992 macht Kluttig die Festung Ehrenbreitstein zur Freilicht-Musikbühne. Beethovens „Fidelio“, gespielt in den historischen Gemäuern der preußischen Befestigungsanlage, wird zum sommerlichen Jubiläumsereignis. Gleiches gilt für die Aufführung von Mahlers „Sinfonie der Tausend“ in der Sporthalle Oberwerth, bei der nicht nur die Mitglieder der Rheinischen Philharmonie mitwirken, sondern auch ein Großteil der Musiker des Orchesters der Bonner Beethovenhalle. Mahlers Sinfonie erreicht 9000 Zuhörer – auch Haupt- und Generalprobe sind öffentlich. Das Medienecho ist groß und voller Lob. Der Kritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt: „Was Kluttig und das Staatsorchester Rheinische Philharmonie vollbrachten, war grandios, hatte wuchtiges, großstädtisches Format.“

Von nun an zieht es die Rheinische weiter hinaus in die Welt: 1998 wird Shao-Chia Lü als Nachfolger von Christian Kluttig neuer GMD. Der gebürtige Taiwanese hatte sich spätestens seit seinem triumphalen Debüt als Konzertdirigent bei den Münchner Philharmonikern einen Namen gemacht. Unter seiner Leitung – und der Intendanz von Rainer Neumann – geht es erstmals nach Asien. Vom 25. März bis 3. April unternimmt das Orchester eine China-Tournee mit vier Konzerten in Shanghai, Peking und Fuzhou. Und 2002 gastiert mit den Koblenzer Musikern erstmals ein abendländisches Sinfonieorchester im zentralafrikanischen Ruanda. Diese Afrika-Tournee anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda umfasst sieben Konzerte.

Von Reformplänen und Protesten

2003 taucht plötzlich ein mit der Verstaatlichung 1973 überwunden geglaubtes Gefühl wieder auf: Sorge um den Fortbestand der Rheinischen Philharmonie als vollwertiges Sinfonieorchester. Denn das Land muss sparen und plant deshalb eine Orchesterstrukturreform. In Rede steht für die drei landeseigenen Orchester in Ludwigshafen, Mainz und Koblenz eine erhebliche Reduzierung der Musikerstellen sowie ihre kooperative Vernetzung unter einer gemeinsamen Generalintendanz. Weil Musiker und Musikfreunde vor allem in Mainz und Koblenz einen die Spielqualität und Repertoirefähigkeit beträchtlich einschränkenden Aderlass befürchten, kommt es beiderorts zu mannigfachen Protesten gegen die Reformpläne.

Die ziehen sich über Monate hin. Dabei wird deutlich,wie tief und fest die Rheinische Philharmonie im öffentlichen Leben der heimischen Region verankert ist: Zahllose Bürger beteiligten sich an den Protestaktionen, gut 60 000 Unterschriften kommen für den Erhalt des Orchesters in seiner gewohnten Stärke zusammen. Der Protest ist weitgehend erfolgreich, es kommt zu einem Kompromiss – Koblenz und das nördliche Rheinland-Pfalz erfreuen sich weiterhin an ihrem „Staatsorchester Rheinische Philharmonie“.

Als im März 2004 rund 3000 Besucher zum Jubiläumskonzert „350 Jahre Orchester Koblenz“ in die Sporthalle Oberwerth strömen, wirkt der Schulterschluss zwischen Orchester und Öffentlichkeit nach. Der Abend ist nicht nur musikalisch ein denkwürdiges Ereignis. Shao Chia Lü dirigiert einen Musizierapparat, den Koblenz in solcher Größe noch nie erlebt hatte: das Koblenzer Staatsorchester, die Philharmonie Heidelberg, zehn Chöre, sechs Solisten – insgesamt 600 Mitwirkende sind für Arnold Schönbergs „Gurrelieder“ aufgeboten.

Stark in der Gegenwart, aufgestellt für die Zukunft 

„Eine Orchester ist keine bloße Institution mit mehr oder weniger Dienstjahren“, schrieb der Musikwissenschaftler Siegfried Borris der Philharmonie zur 25-Jahr-Feier ins Festheft. „Ein Orchester stellt eine Gruppe mit künstlerischem Selbstbewusstsein dar, eingebettet in Aufträge und Erwartungen der Gesellschaft. (…) Jedes Orchester“, so sah es Borris, „hat sein Schicksal.“ Zum Schicksal, oder, weniger tragisch formuliert, zur Geschichte der Rheinischen Philharmonie gehört, dass sie reich ist an Jubiläen. Als Gemeinschaft leidenschaftlicher Musiker hat sie 1970 das 25-jährige und 1995 das 50-jährige Bestehen begangen. 2004 folgte das Jubiläum zum 350. Jahr Orchester in Koblenz. Und heute, 2013, ist gibt es wieder einen Grund zum Feiern: 40 Jahre unter der Trägerschaft des Landes.

Die Übernahme in den Staatsdienst 1973 hat dem Orchester die nötige Sicherheit gegeben, um sich weiter zu entwickeln. Seit 2005 stehen die 65 – 69 Musiker unter der Stabführung von Chefdirigent Daniel Raiskin. Intendant ist seit 2010 Frank Lefers. Jede Spielzeit bestreitet die Rheinische 60 bis 70 Orchesterkonzerte nicht nur in Koblenz, sondern traditionell an vielen Orten im nördlichen Rheinland-Pfalz. Hinzu kommen Gastspiele im weiteren In- und im Ausland. Als angestammtes Hausorchester des Theaters Koblenz musiziert die Rheinische obendrein bei rund 140 Musiktheatervorstellungen. Stete Aufwertung und Intensivierung erfahren auch die Orchesterangebote für Kinder und Jugendliche. 

Deshalb ist dieser 15. September 2013 ein Tag der Freude: Das Staatsorchester Rheinische Philharmonie ist bereit für die Zukunft.

Text: Andrea Mertes und Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 15. September 2013)


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