Thema Kultur / Geschichte / Altertümer
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2013-09-10 Ausstellungsbesprechung:


Die Wittelsbacher am Rhein

Doppelausstellung in Mannheim ist Höhepunkt der kulturhistorischen Dreiländer-Kampagne




ape. Mannheim. Mit der Eröffnung einer opulenten Ausstellung jetzt in Mannheim wird erst richtig begreifbar, was Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen zu einer gemeinsamen Wittelsbacher-Kampagne 2013/14 bewegt hat. Unter dem Titel „Die Wittelsbacher am Rhein“ entfaltet die kulturhistorische Doppelschau im Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen sowie im Barockschloss Mannheim ein großes Panorama zur Bedeutung der Wittelsbacher-Dynastie für die Kurpfalz und Europa.


Mannheimer Schloss. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Seit etlichen Jahrzehnten werden die Wittelsbacher gemeinhin primär mit Bayern in Verbindung gebracht, mit der Residenz München, den Schlössern Neuschwanstein oder Herrenchiemsee. Diese Wahrnehmung rührt wohl insbesondere vom letzten Jahrhundert ihrer Herrschaft. Das erlebte sie zwischen 1806 und 1918 als Könige von Bayern – die ab 1815 quasi nur am Rande ihr „Nebenland“ Pfalz mitregierten. Dieser Zeit und ihren pfälzischen Aspekten widmen sich im Wittelsbacher-Jahr schon zuvor eröffnete Ausstellungen im Historischen Museum Speyer und der Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben (wir berichteten; siehe Links am Ende des Artikel).

Bereits dort gibt es manchen Hinweis, dass der bayerisch dominierte Blick ein einseitiges Bild von der historischen Rolle der Wittelsbacher ergibt. So wird oft übersehen, dass die Bayernkönige des 19. Jahrhunderts allesamt einer Wittelsbacher-Linie enstammen, deren Wurzeln nach Zweibrücken, Birkenfeld, Meisenheim, Simmern reichen. Mehr noch: Die Mannheimer Schau erhellt nun eine für das gesamte Heilige Römische Reich wirkmächtige Dynastiegeschichte, deren eigentliches Zentrum vom frühen 13. bis ins späte 18. Jahrhundert in der Kurpfalz liegt, also im Rhein-Neckar-Raum mitsamt linksrheinischer Pfalz.

Im Mannheimer Zeughaus wird die mittelalterliche Phase der Wittelsbacher-Herrschaft und der Aufstieg der Kurpfalz zu einem der einflussreichsten deutschen Fürstentümer beleuchtet. Diese „Erfolgsgeschichte“ basiert auch auf der Bedeutung der Rhein-Neckar-Region als ökonomisch-politischem Kraftfeld des Reiches schon zu salischer und staufischer Zeit. Konkreter Ausgangspunkt für den Aufstieg der Wittelsbacher – und auch Anknüpfungspunkt für die jetzige Dreiländer-Kampagne –  ist das Jahr 1214: Der Staufer Friedrich II. gibt dem Wittelsbacher Ludwig I. die Pfalzgrafschaft bei Rhein zum Lehen. Da war Ludwig bereits Herr über Bayern, weil zuvor sein Vater von Barbarossa mit diesem Herzogtum belehnt worden war.

So gelangten zwei der wichtigsten deutschen Gebiete in die Hand der Wittelsbacher. Die stiegen nachher zu König- und Kaisertum auf oder beeinflussten als Kurfürsten deren Wahl maßgeblich. Davon zeugt in Mannheim etwa ein Original der Goldenen Bulle. Zentrum ihrer Macht wurde zuerst das Heidelberger Schloss, dem die Schau eine eigene Abteilung widmet. Reich vertreten sind auch wertvolle Handschriften aus der Bibliotheca Palatina und der Vatikan-Bibliothek. Sie dokumentieren das Interesse der Wittelsbacher an Wissenschaft und Kunst, dem auch die Gründung der Universität Heidelberg 1386 zu danken ist.

Die Stadt am Neckar erlebte als Wittelsbacher-Residenz große Blütezeiten, wie späterhin zwischen 1720 und 1777 auch Mannheim. Dort erbauten die Kurfürsten ihr neues Schloss, nachdem das Heidelberger im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688 – 1697) durch Truppen des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. zerstört worden war. Mit dieser neuzeitlichen Phase der Wittelsbacher-Epoche in der Kurpfalz befasst sich der Ausstellungsteil im Mannheimer Schloss selbst.

Neben Exponaten zu Wissenschaft, Künsten, Wirtschaft und der ganz Europa umspannenden Heiratspolitik der Wittelsbacher begegnet man in beiden Präsentationen immer wieder Waffen, Schlachtengemälden, Konfliktdokumenten. Das ist zwangsläufige Folge der Teilung des Hauses Wittelsbach seit Ende des 13. Jahrhunderts in pfälzische und bayerische Linien. Traurige Auswirkung: Innerfamiliärer Zwist verursachte mehrfach große Kriege. Den Landshuter Erbfolgekrieg von 1504/5 etwa. Gar den Dreißigjährigen Krieg, entflammt am Streit zwischen reformierten Wittelsbachern in der Kurpfalz und ihren katholischen Verwandten in Bayern.

Doch macht die Mannheimer Ausstellung auch deutlich: Trotz aller Konflikte waren die Wittelsbacher aufs engste gebunden an ein Denken, wonach dynastische Kontinuität zentraler Säule jeder irdischen Ordnung sei. Weshalb sie schon 1329 im Hausvertrag von Pavia vereinbart hatten: Sollte eine Familienlinie mal aussterben, übernimmt automatisch die andere die vakante Machtstelle mit. Dieser Fall trat 1777 ein:  Die bayerische Linie starb aus, der pfälzische Kurfürst übernahm folglich auch die Herrschaft in Bayern - und verlegte gemäß Hausvertrag seine Residenz nach München. Weshalb von da an bis zum Ende der Monarchie 1918 Bayern von pfälzischen Wittelsbachern regiert wurde.

Die Kurpfalz aber verschwand 1803 im Zuge der napoleonischen Neuordnung von der politischen Landkarte Europas. Geblieben ist im Rhein-Neckar-Raum erstaunlicherweise bis heute ein die bundesrepublikanischen Ländergrenzen überschreitendes „kurpfälzisches“ Heimatgefühl.                     Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung in einer kürzeren Fassung außerhalb dieser website 37. Woche im September 2013)

                                             ***

Ausstellungen im Wittelsbacher-Jahr                  

- Mannheim: „Die Wittelsbacher am Rhein“, Reiss-Engelhorn-Museen und Schloss, bis 2.3.2014.

- Heidelberg: „Die Grablegen der Wittelsbacher“, Kurpfälzische Museum, bis 2.3.2104.

- Speyer: „Königreich Pfalz“, Historisches Museum, bis 27.10.2013.

- Edenkoben: „Die Könige zu Besuch“, Villa Ludwigshöhe, bis 1.12.2013.

- Erbach/Odenwald: „Die kurfürstlichen Schenken von Erbach“, Schloss Erbach, bis 2.3.2014

Gesamtinfo unter:  >>www.wittelsbacher2013.de

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Vorherige Artikel zu den Ausstellungen in Speyer und in der Villa Ludwigshöhe auf dieser website

2013-08-31:
Könige zu Besuch in Edenkoben - Sonderschau der Villa Ludwigshöhe zum Wittelsbacher-Jahr 2013


2013-03-02:
Die Wittelsbacher im Südwesten - Historisches Museum Speyer eröffnet Drei-Länder-Kampagne


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