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2013-07-17 Analyse:

Kampfdrohnen sind eine
völlig neuartige Waffe



Töten jederzeit und überall,
ohne selbst je in Gefahr zu geraten


ape. Die Diskussion um militärische Drohnen wurde in Deutschland zuletzt vor allem unter der Überschrift „Skandalfall Euro-Hawk“ geführt. Im Zentrum stand die Frage: Gibt das deutsche Verteidigungsministerium hohe dreistellige Millionenbeträge für ein fragwürdiges Beschaffungsprogramm aus, das der Bundeswehr womöglich nur unbrauchbares Gerät geliefert hätte. Das Interesse an Minister Thomas de Maizières Rolle dabei überdeckte die eigentliche Grundsatzfrage: Sind unbemannte, ferngesteuerte Kampfdrohnen nur eine gewöhnliche neue Waffenentwicklung? Oder markieren sie, wie viele Kritiker meinen, „den Abschied von zivilisatorischen Standards, vom Völkerrecht und von humanitären Geboten“?  (Hans-Ulrich Jörges im "stern" )
            

Während die Auseinandersetzung um ethische Dimensionen der gezielten Tötung von Menschen ohne Gerichtsverfahren noch in den Anfängen steckt, haben CIA und US-Militär bereits in sieben Ländern stillschweigend „Drohnenkriege“ geführt: in Libyen, Irak, Jemen, Somalia, Mexiko, Afghanistan und Pakistan. Keiner dieser Kriege wurde je erklärt, keiner je für beendet erklärt, einige laufen noch immer – der Einsatz von Drohnen erfolgt in rechtsfreiem Raum nach geheimer Maßgabe zu beliebiger Zeit an beliebigem Ort.

Als unwahr hat sich herausgestellt, was CIA-Chef John Brennan noch 2012  behauptete:  Drohnenangriffe seien so genau, dass es bis dahin keine zivilen Opfer gegeben habe. Tatsächlich sind laut Bureau of Investigativ Journalism und anderer Organisationen seit 2004 allein in Waziristan (Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan) mehr als 3500 Menschen bei Drohnenattacken ums Leben gekommen. Überwiegend handelt es sich dabei um „Kollateralschäden“: um Unbeteiligte, Frauen, Alte und mindestens 168 Kinder. Der Anteil der eigentlichen „Operationsziele“ unter den Opfern – Talibankämpfer oder Kader des Terrornetzes Al Kaida – beläuft sich nach Schätzungen auf kaum fünf Prozent.

De Maizière liegt mit seiner Ansicht, Drohnen seien „ethisch neutral“, ebenso falsch wie jene Zeitgenossen, denen die unbemannten Flugkörper bloß als weiterentwickelte Distanzwaffe gelten. Drohnen sind nicht einfach Nachfahren von Wurfspeer, Schleuder, Pfeil und Bogen, von Gewehr, Kanone oder Kampfbomber. Sie sind eine völlig neuartige Erscheinung in der Militärgeschichte. Denn erstmals kommt hier eine Gefechtsfeldwaffe zum Einsatz, deren Bediener keinerlei Risiko fürs eigene Leben eingeht. Er lenkt per Internet und Satellit mit einer Computerkonsole seine Raketen-bestückte Drohne in eine „Kampfzone“, von der ihn Tausende Kilometer trennen.

In solch „komfortabler“ Situation befand sich kein Soldat jemals zuvor. Verglichen mit dem Drohnen-Lenker sind sogar Artilleristen in rückwärtigen Geschütz- und Werferstellungen hochgradig gefährdet, begeben sich Piloten von Kampfjets auf lebensgefährliche Missionen. Dem Mann am Joystick indes kann irgendwo auf einem deutschen US-Stützpunkt oder daheim in Langley keine Kugel, keine Granate, keine Rakete, nicht mal ein technischer Defekt etwas anhaben. Er sitzt völlig ungefährdet stets am längeren Hebel. Selbst dem perfiden Szenario des interkontinentalen Atomschlags wohnt noch eine Logik inne, die die Selbstgefährdung einzukalkulieren hat: Wer auf den  Knopf drückt, muss als Folge auch mit dem eigenen Untergang rechnen.

Die Ausschaltung des Eigenrisikos durch ferngesteuerte Robotwaffen bringt eine Fülle von Implikationen mit sich, deren Wirkungen auf das Militärwesen noch gar nicht übersehbar sind. „Kriegertugenden“, wie sie der soldatischen Tradition seit der Antike eigen sind, werden überflüssig: Mut, Tapferkeit, Selbstlosigkeit im Feld etc., all das braucht der Schütze an seiner Konsole am andern Ende der Welt nicht mehr. Wahrscheinlich wird aufseiten der Robot-Gerüsteten die Schwelle zum Feuerbefehl schneller überschritten. Und gewiss wird die eigene Verlustreduzierung einen deutlich wachsenden  Blutzoll auf  gegnerischer Seite zur Folge haben; „Kollateralschäden“ inklusive.

Zumal die mit Raketen bestückte Kampfdrohne quasi von Hause eine Waffe ist, die  hochtechnisierter Mächte gegen technologisch unterlegene, vor allem infanteristisch agierende Feinde einsetzen. In zwischenstaatlichen Kriegen hoch gerüsteter Länder wären Kampfdrohnen heutiger Art wohl keine besonders effektive Waffe: mit Flügelspannweiten von 10, 15, 20 oder mehr Metern zu groß, um ungeortet zu bleiben; mit Lastgeschwindkeiten meist nur zwischen 200 und 500 km/h zu langsam, um nicht bald Beute von Jagdjets oder modernen Boden-Luft-Raketen zu werden. Über beides verfügen die Taliban nicht. Weshalb bei den Stämmen Waziristans jeder Drohnenangriff als „feiger Überfall“ oder „heimtückisches Massaker“ verstanden wird – und den Freischärlern oder den Al-Kaida-Zellen neue Rekruten zutreibt.

Der Nutzen von Kampfdrohnen im Antiterrorkampf ist fragwürdig. Noch fragwürdiger ist, dass diese Waffe geschaffen wurde, um von unangreifbarer Warte aus jederzeit und überall aus dem Nichts heraus gezielt zu töten. Was unterscheidet dieses Verfahren de facto noch von Attentaten oder Anschlägen? Deutschland sollte die Finger von den Drohnen lassen.                   Andreas Pecht



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