Thema Kultur / Institutionen
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2013-05-27a Feature/Essay:

Das neue Leben des alten Mittelrhein-Museums

Umzug in die Koblenzer Einkaufsmitte läuft – „Forum Confluentes“ auf dem Zentralplatz startet am 20. Juni


ape. Koblenz. Wenn Menschen von einer Wohnung in eine andere umziehen, ist das mehr als nur ein Ortswechsel. Ihr Leben verändert sich. Das Heim ist ein anderes, die Nachbarn sind andere, Infrastruktur und Atmosphäre sind anders. Kurzum: Auf allen Ebenen tickt die neue Umgebung anders als die vorherige. So werden Umzüge zum Lebenseinschnitt, zum faktischen wie ideellen Umbruch der Biographie mit bisweilen beträchtlichen Folgen für die Persönlichkeit der Umziehenden. Was hat das mit dem laufenden Umzug des Mittelrhein-Museums vom Florinsmarkt in den „Forum Confluentes“ genannten Neubau auf dem Zentralplatz zu tun? Eine Menge.
 

Denn als ältestes Museum von Koblenz ist es mitsamt seinen Beständen Teil der historischen Identität der Stadt. Im Unterschied zu einem Dutzend Umquartierungen im Laufe seiner 180-jährigen Geschichte, zieht das Museum diesmal nicht einfach von irgendwoher nach irgendwohin. Die Institution wird vielmehr nach zuletzt 48 Jahren im historischen Kernbereich der Rhein-Mosel-Stadt in deren modernes Zentrum verpflanzt. Sie wird aus einem altehrwürdigen, denkmalgeschützten Umfeld herausgelöst und hineingeworfen in den Trubel einer neuzeitlichen Einkaufszone.

Dadurch verändern sich Wahrnehmung und Charakter des Museums. Auch die Ausstrahlung und Wirkung der ausgestellten Kunstwerke, Historika und Archivalien verändert sich. Dies nicht nur, weil das neue Domizil erstmals eine mit 500 Stücken sehr umfangreiche dauerhafte Repräsentativausstellung der Sammlung erlaubt. Vielmehr müssen die Exponate im kurzatmigen Profanumfeld des Zentralplatzes ihren überzeitlichen Wert behaupten. Und das vor Besuchern, die fortan von der geschäftigen Umgebung ganz anders eingestimmt sind als bisher am Florinsmarkt. Ob das begrüßenswert oder bedauerlich ist, sei dahingestellt. Es ist unvermeidlich.

Am 20. Juni wird das Forum Confluentes eröffnet. Von da an mag jeder für sich dem biographischen Umbruch des Mittelrhein-Museums nachspüren – und beurteilen, wie die Ansiedlung dreier unterschiedlicher Institutionen unter einem Dach das Museumserlebnis beeinflusst. Stadtbibliothek, Museum und Touristikzentrum zusammen in einem zeitgenössischen Neubau, der seinerseits mit einem neuen Einkaufszentrum zu einem neuen Schwerpunkt der  Einkaufsmitte der Stadt verbunden ist. Chance oder Last fürs Museum? Markus Bertsch, als Museumsleiter seit 2012 Nachfolger von Mario Kramp und Dieter Marcos, hofft auf Ersteres. Aber wissen kann man es noch nicht. Denn mit einer derartigen Konstellation gibt es in Deutschland keine Erfahrungen, weil bislang keiner auf die Idee kam, so etwas zu machen. Vor diesem Hintergrund lautet eine der wichtigsten Fragen: Gelingt es dem Museum, sich in solchem Umfeld als Insel der Ruhe zu etablieren? Als Ort, der jene Kontemplation erlaubt, ohne die sinnhaftes Erleben von Kunst unmöglich ist?  

Ortstermin drei Tage vor dem ersten Umzugstransport vom Florinsmarkt zum Zentralplatz. Der 1970 in Konstanz geborene Kunsthistoriker, Archäologe und Ausstellungsmacher Bertsch führt den Autor durchs Forum. Noch ist es eine Baustelle, sind überall Handwerker zugange. Aber man kann sich schon recht konkret vorstellen, wie es wird. Gemeinsames Foyer der drei dann hier beheimateten Institutionen, davon offen abzweigend deren jeweiliges Entree. Wir also rein ins neue Mittelrhein-Museum: Im Erdgeschoss Kasse und Shop, dahinter Räume für kleine Veranstaltungen, Technik, Museumspädagogik. Zu den Ausstellungsarealen führt ein Wendeltreppe: Treppauf geht’s zur 1700-Quadratmeter-Fläche der künftigen Dauerausstellung; treppab zum 360-Quadratmeter-Rundraum für Sonderausstellungen. Wer mag oder muss, kann den Lift benutzen.

Oben steht man vor der Wahl: Erst den äußeren Rundgang beschreiten, der einer kunsthistorischen Chronologie vom Mittelalter bis zur Moderne folgt, oder sich vorweg auf den stadt- und regionalgeschichtlich orientierten inneren Rundgang begeben? Weil zu diesem Zeitpunkt noch kein Exponat da ist, beschreibt Markus Bertsch, was sich späteren Besuchern als erster Eindruck bietet. Mich zieht es in die Raumtiefe des äußeren Rundgangs, wo vor dunkelblauen Wänden altmeisterliche Skulpturen und Gemälde aus dem 13. Jahrhundert das Tor ins Reich der Kunst markieren werden.

Von dort geht es durch die Epochen der Kunstgeschichte – hier in farblich verschieden grundierten Abteilungen vertreten durch die jeweils besten und interessantesten Werke aus den Museumsbeständen. Vor hellerem Blau Kunst des Barocks und das „Goldene Zeitalter“ der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Das 18. findet in weinroter Umgebung statt, Januarius Zick bekommt da einen eigenen Raum. Dunkelgrün ist das 19. Jahrhundert, stark vertreten mit Romantikern, Nazarenern, Düsseldorfer Schule. Es folgt auf grauem Grund die klassische Moderne: Hartung, Sprung, Traube, französische Graphik des 20. Jahrhunderts. Schließlich in weißer Umgebung die Moderne mit Werken von K.O. Götz und Rissa oder Heijo Hangen und Co.

Mehrere Öffnungen zum inneren Rundgang kann man ignorieren oder aber es mit Pendeln zwischen beiden Wegen versuchen. Ratsam ist allerdings, in der Spur zu bleiben: Denn die Hauptorientierung auf der vielfach gegliederten Museumsetage ist geknüpft ans Verfolgen der Rundgänge, die sich quasi wie ein Doppelring um die Zentralachse des Hauses legen. Mein Wege-Favorit wäre: Einmal im Kreis rum über den äußeren Kunstparcour, dann eine zweite Runde über den inneren Geschichtsweg.

Markus Bertsch musste den Gestaltungplan seiner beiden Vorgänger übernehmen. Er tat es, wie er sagt, gerne, weil es in den Grundzügen ein stimmiger Plan sei. Mit dem Farbkonzept, einigen Änderungen der Raumaufteilung und einer weniger dichten Hängung setzt er indes auch eigene Akzente. Ganz in seiner Initiative liegt die erste Sonderausstellung im Untergeschoss: Sie wird den Hamburger Jochen Hein vorstellen, der sich als Gegenwartskünstler unter anderem mit einem Traditions-Genre auseinandersetzt: der Landschaftsmalerei. Das könnte ein famoser Kontrast werden zur eher, sagen wir mal: volkstümlichen Landschaftssicht im „Romantikum“ der Touristiker nebenan.                                                               Andreas Pecht 


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
Woche 22 im Mai 2013)


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