Kritiken Theater
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2013-05-21a Schauspielkritik:

Wiener Burgtheater mit "Prinz von Homburg" bei Maifestpielen Wiesbaden zu Gast

Großes, ernsthaftes Theater in konzentrierter Reduktion

 
ape. Wiesbaden. Wiener Burgtheater mit Kleists „Prinz von Homburg“ bei Maifestspielen Wiesbaden zu Gast; Regie Andrea Breth; in der Titelrolle August Diehl; als Kurfürst Peter Simonischek. Diese Ankündigung machte hiesigen Schauspielfreunden glänzende Augen: Sie versprach Bühnenkunst höchster Kategorie – verbunden mit der Inaugenscheinnahme ihres angeblich grandiosen Scheiterns. Derart weit auseinander hatten zumindest die Großkritiker nach den Premieren 2012 in Wien und bei den Salzburger Festspielen gelegen.
 

Und wie waren die zweieinhalb pausenlosen Gastspielstunden nun? Wir meinen: hinreißend, zum Niederknien. Obwohl Breth „nur“ strenges, actionarmes, geradezu konservativ anmutendes  Steh- und Sprechtheater spielen lässt? Aber ja, denn da wird Heinrich von Kleists gewichtiger Diskurs über die Klüfte zwischen Gehorsamspflicht und Eigeninitiative, zwischen jungheldischem Auftrumpfen, Liebesschwärmen und Todesangst ernst genommen.

Dass der Prinz am Ende diesmal tot umfällt statt wie im Original nur in vorübergehende Ohnmacht, darf als schlüssige Interpretation einer Inszenierung gelten, die 1810 dramatisierte Ereignisse von 1675 mit heutigen Augen betrachtet. Die Regie folgt damit Kleists Blickwinkel, allerdings erweitert um die Kriegserfahrungen des 19., 20. und 21. Jahrhunderts, die ein Happy-End mit triumphalem Aufruf zur nächsten Schlacht unmöglich machen.

Martin Zehetgrubers Bühnenbild packt diese Perspektive in zwei Spielflächen: hinten ein düsterer „Park“ aus verkohlten Baumstümpfen; davor in kaltem Neonlicht ein klinisch steriler Portalraum aus Kunststoff und Aluminium. Dorthin stellt Diehl die diffizile psychologische Ausformung eines Prinzen, der so gerne großartiger Held des Krieges und der Liebe zugleich wäre, den jedoch jugendlich-romantischer Überschwang über beides stolpern lässt. Umwerfend, wie diese Figur mit Sprechnuancen und fein ziselierten Gesten von verträumten Ahnungen zu frech-forscher Selbstgewissheit aufsteigt, um bald fassungslos in die Abgründe gottserbärmlicher Todesängste abzustürzen.

Umwerfend auch, wie die Regie mitten in die Generalstabsbesprechung eine zweite Spielebene hineininszeniert, auf der sich allein via Blicklinien und variierenden Körperhaltungen Homburg und Natalie über die gesamte Bühnenbreite hinweg einander ins Herz turteln. Pauline Knof ist als erblühende, gleichzeitig kompromisslos liebende wie von Klugheit durchdrungene junge Frau ein Erlebnis: Nirgends schäumendes Getue, kein Moment von Exaltiertheit, stattdessen konzentrierte Reduktion und deshalb höchste Intensität der charakterlichen Wesenszüge ihrer Rolle als personifizierte Humanität.

In diesem Sinne fast noch radikaler verfährt Altmeister Simonischek mit der Figur des Kurfürsten. Mit stoischer Gelassenheit betreibt er das Herrscher- und Kriegsgeschäft. Emotional unbewegt verurteilt er den geschätzten und siegreichen Homburg wegen Nichtbeachtung eines taktischen Befehls zum Tode. Ebenso unbeeindruckt lässt er sich nachher auf dessen Begnadigung ein. Gehorsamspflicht oder Menschlichkeit? Das ist für diesen Fürsten keine Grundsatzfrage. Ihn interessiert allein: Was nutzt in welcher Situation der Staatsräson und seiner Herrschaft am besten. Man könnte Simonischeks Spielweise als Routine missverstehen. Tatsächlich aber ist sie trefflicher Ausdruck dafür, das der Fürst sein Herrschertum als quasi naturgesetzliche Selbstverständlichkeit lebt.

Andrea Breth hatte bis zur letzten Nebenrolle einige der besten Akteure des deutschsprachigen Theaters zur Verfügung. Sie hat damit zweieinhalb Stunden bestes Theater gemacht –  in kunstvoller Dichte und mit echtem Interesse die überzeitlichen Kleist'schen Fragen aufwerfend.                      Andreas Pecht          



(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 21. Mai 2013)


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