Thema Kultur / Altertümer / Denkmalschutz
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2013-05-10 Feature:


Ohne Denkmalpflege
keine touristische Perspektive


Eine etwas andere Besichtigungstour zu Sehenswürdigkeiten am Mittelrhein 



ape. Mittelrhein. Auf den ersten Blick ist es eine Reisegruppe wie Tausende andere, die jedes Jahr per Bus und Schiff die Sehenswürdigkeiten am Mittelrhein ansteuern. Bei diesen zwei Dutzend Besuchern handelt es sich indes um Journalisten und Denkmalfachleute aus allen Ecken der Bundesrepublik. Auf Einladung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz bereisten sie jetzt drei Tage lang Koblenz und Umgebung. Ihr Ansinnen: An konkreten Beispielen das oft segensreiche, aber nicht immer spannungsfreie Verhältnis zwischen Denkmalpflege und Tourismus betrachten.



Die Reise beginnt in Schloss Engers, macht Station im „Kulturpark Sayn“ und in Koblenz, endet mit einer Schiffsfahrt nach Braubach und dem Besuch der Marksburg. Das in Kooperation mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) Rheinland-Pfalz auf die Beine gestellte Reiseprogramm umfasst ganz unterschiedliche Ausprägungen öffentlich genutzter Denkmäler. Wobei gleich am ersten Objekt, Schloss Engers, deutlich wird, dass aus denkmalpflegerischer Sicht eine Unterscheidung zwischen Ferntouristen und Besuchern aus der Umgebung nachrangige Bedeutung hat.

Das um 1760 erbaute Lust- und Jagdschloss ist als einziges erhaltenes Barockschloss am rheinland-pfälzischen Rhein-Abschnitt ein bauhistorisches Kleinod. Aber anders als etwa die Marksburg mit ihren 150 000 Besuchern jährlich zieht Schloss Engers auch nach seiner aufwändigen Restaurierung in den 1990ern keine großen Ströme von Besichtigungstouristen an. Signifikant ist allerdings: Die heutige Nutzung durch die Landestiftung „Villa Musica“ als musikalische Bildungs- und Konzertstätte sowie als Hotel/Restaurant hat einer lange schwächelnden Gemeinde zumindest im Schloss-nahen Ortskern einigen Auftrieb gegeben.

Der Neuwieder Oberbürgermeister spricht deshalb vor dieser speziellen Reisegruppe von der jüngsten Nutzung des Schlosses als „Sechser im Lotto für den Stadtteil Engers“. Der Hausherr im wenige Kilometer entfernten Schloss Sayn, Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein, unterstreicht später die gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung von Denkmälern generell mit diesen Zahlen: Allein die 3500 eintrittspflichtigen Denkmäler in Deutschland ziehen jährlich rund 100 Millionen Besucher an. Der volkswirtschaftliche Effekt geht in die Milliarden – zugleich sind all die historischen Örtlichkeiten einer der größte außerschulischen Bildungsvermittler.

Denn in einem ordentlich präsentierten Denkmal lernt man etwas über Geschichte, Kultur, Land, Leute und auch sich selbst. Ein interessanter Lerneffekt stellt sich quasi nebenher beim Besuch der Abteikirche aus 12./13. Jahrhundert im „Kulturpark Sayn“ ein. Deren Restaurierung auf Basis jüngerer Forschungen korrigiert eine im landläufigen Laienbewusstsein verbreitete Ansicht, wonach mittelalterliche Gebäude von farblicher Eintönigkeit und steinsichtigen Fassaden dominiert gewesen seien. Das Gegenteil war der Fall: farbenfreudige Ausmalungen und verputzte Wände allenthalben.

Der „Kulturpark Sayn“ kann als Beispiel gelten für ein auf Denkmäler gestütztes und auf Intensivierung des lokal nur schwach entwickelten Tourmismus zielendes Strukturentwicklungskonzept. In Sayn verbinden sich unter der Dachmarke „Kulturpark“ neben anderem die Abteikirche, die Reste der romanischen Burg Sayn, das seit 1980 wiederaufgebaute neugotische Schloss Sayn mit „englischem“ Park sowie dem bekannten Schmetterlingsgarten als moderne Erweiterung. Und am Rande des Ortes wird eifrig ein historisches Industrieensemble restauriert, das die Landesregierung Rheinland-Pfalz jetzt ins Antragsverfahren für den Unesco-Welterbestatus gegeben hat: die Sayner Hütte.

Dort trifft unsere Gruppe int Karl Ganser einen überregional renommierten Fachmann, der einer eventmäßigen touristischen „Bespielung“ von Denkmälern mehr als skeptisch gegenübersteht. Für ihn ist der Erhalt des historischen Erbes wichtiger als wohlfeile Besucherrekorde. Die Kritik des Professors an überbordender Kurzweil-Ausrichtung mancher Denkmalpräsentation kann als zugespitzte Extremposition einer ansonsten aber allgemeinen denkmalpflegerischer Sorge verstanden werden: Wie finden wir eine vernünftige Balance zwischen der Bewahrung des Kulturerbes und seiner Zugänglichkeit für möglichst vielen Menschen?

Welche Belastung der Denkmalsubstanz durch moderne Infrastrukturzwänge, Vermarktungsinteressen und Massenbesuche sind vertretbar? Mal geht es um Beleuchtung, Heizung, Toiletten, Cafés, Parkplätze, museale Ausstattung oder Veranstaltungsnutzung. Mal geht es um die vor allem in Mittelalterbauten schier unlösbare Aufgabe behindertengerechter Besucherwege. Und in Koblenz speziell sieht sich die Reisegesellschaft des Nationalkomitees sogleich mit der dort aktuell heiß diskutierten Seilbahn-Frage konfrontiert. Muss die zur Bundesgartenschau 2011 errichtete Gondelverbindung vom Deutschen Eck zum Naherholungs-/Museums-/Veranstaltungsareal Festung Ehrenbreitstein wie ursprünglich vorgesehen wieder weg, weil authentische Eindrücke von Bauwerken und Landschaft beschädigt werden? Oder soll sie Seilbahn wegen ihrer touristischen Attraktivität und ihrer Verkehrsqualität bleiben?

Die Meinungen unter den auswärtigen Journalisten und Fachleuten gehen ebenso weit auseinander wie die zwischen heutiger Koblenzer Mehrheit und Denkmalschützern im Land oder beim internationalen Rat für Denkmalpflege ICOMOS. Die Debatte klingt in der Reisegruppe  nach – bis am Horizont mit der Marksburg ein in Denkmalpflegerkreisen schon oft diskutierter neuer Streitfall auftaucht. Die Burg ist nämlich nur als Bauwerk historisch authentisch. Die Innengestaltung hingegen wurde erst im 20. Jahrhunderts von Bodo Ebhardt –  Gründer der Deutschen Burgenvereinigung mit Sitz auf der Marksburg – als Sinnbild einer Mittelalterburg veranlasst. Will sagen: Was die Besucher dort im Innern beeindruckt, ist nur die idealtypische Rekonstruktion einer Burg ums 15. Jahrhundert.

Die Burgenvereinigung macht daraus keinen Hehl, die Besuchermassen stört es wenig und der staatliche Denkmalschutz ist glücklich, dass die Burgherren denkmalpflegerisch korrekt und sorgsam die Bausubstanz erhalten. So lockt auf dem Berg die einzige nie zerstörte Höhenburg am Mittelrheintal Zehntausende auf „Mittelalter-Erlebnis“ hungrige Besichtigungstouristen an. Unten am Rhein-Ufer ringt derweil das dazugehörige, vom wirtschaftlichen und touristischen Strukturwandel des späten 20. Jahrhunderts arg gebeutelte Städtchen Braubach mit dem Phänomen: Alle Welt kennt die Marksburg, aber kaum jemand Braubach.

Dies Schicksal teilen diverse Orte in der Nachbarschaft: Man kennt Schloss Stolzenfels, aber nicht den Ort darunter; man kennt natürlich die Loreley, weiß aber nichts von St. Goarshausen. Ein  Spaziergang durchs allmählich wieder aufblühende historische Braubach stützt indes die Vermutung, dass seit der Anerkennung des Mittelrheintals als Weltkulturerbe Bewegung in diese Malaise kommt. Dies wohl nicht zuletzt dank eines wachsenden Bewusstseins dafür, dass ohne sorgsame Pflege und angemessene Präsentation der Kulturdenkmäler heute am Rhein keiner mehr von touristischen Perspektiven auch nur zu träumen bräuchte.                                                                                             Andreas Pecht      

(Erstabdruck/-veröffentlichung einer kürzeren Fassung außerhalb dieser website  am 11. Mai 2013)

Eine etwas andere Besichtigungstour zu Sehenswürdigkeiten am Mittelrhein 
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