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2013-04-25a Feature:

Im zweiten Jahrgang „gegen den Strom“


Lahn-Festival bildet mit fast 50 Veranstaltungen ein Kaleidoskop aus Musik, Literatur, Philosophie






ape. Region Lahntal.
Diethelm Gresch ist Renter. Einer der ganz rührigen. „Ein Verrückter“, sagen die, die mit ihm zu tun haben. Aber sie sagen es voller Respekt – und lassen sich für das Mitmachen bei  „Gegen den Strom“ begeistern. Denn um das so betitelte Festival dreht sich nun der (Un)Ruhestand des Mannes, der einst Theaterwissenschaften, Kunstgeschichte und Philosophie studiert hatte. Die Künste nebst Nachdenken über Mensch und Welt sind seine Passion geblieben, weshalb sich Gresch nach Rückkehr aus dem großen Berlin 2006 im Kulturgeschehen seiner Kindheitsregion, dem Lahntal, engagierte. Weil er als ehemals leitender Operator u.a. in der IT-Branche gut im Organisieren ist, kam es wie es kommen musste: Er hatte ehrenamtlich bald den Vorsitz des Vereins Peregrini Arnstein und die Projektleitung des Festivals „Gegen den Strom“ an der Backe.

„Genug von mir, reden wir über das Festival“, würde Gresch an dieser Stelle in dem ihm eigenen Schnellsprech einwerfen – und auf Programmentwürfe, Konzeptpapiere, Vorjahresflyer verweisen. So geschehen bei unserem Gespräch Mitte April in Lahnstein über die gedanklichen Hintergründe für „Gegen den Strom“. 2012 aus der Taufe gehoben, findet das Festival heuer von 24. Mai bis 3. Oktober zum zweiten Mal statt. Damit ist es der Benjamin unter den hiesigen Festivals, doch mit rund 50 Einzelveranstaltungen in acht Lahn-Gemeinden nicht eben klein. Und es ist beinahe irritierend anders.

Musikfestivals unterschiedlichster Couleur kennen wir seit vielen Jahren an Rhein, Mosel und drumherum. Mit Literaturfestivals sind wir ebenfalls ganz gut vertraut, und selbst philosophische Salons hat man schon erlebt. Alle drei „Sparten“ aber in einem Festival zusammenzuführen und sie  dabei sich wechselseitig durchdringen zu lassen, so etwas ist hierzulande neu. Wenn zudem an etlichen Abenden sich versierte Vertreter Alter oder Neuer Musik, jazzigen, rockigen oder folkloristischen Stils die Bühne nicht nur teilen mit Schriftstellern, Poeten, Theaterleuten oder Filmemachern, sondern auch mit ernsthaft referierenden Gelehrten diverser Fakultäten, dann reibt man sich die Augen. Denn das scheint vom Ansatz her allen gängigen Maximen heutiger  Eventkulinarik zu widersprechen.

Da schmunzelt Diethelm Gresch schelmisch: „Genau. Eben gegen den Strom. Gegen den Mainstream.“ Dieser Deutung des Festivalnamens gesellt sich ein Bezug bei, der auf  Ereignisse vor rund 1700 Jahren zurückgreift. Im 4. Jahrhundert hatte dort ein gewisser Lubentius frühchristliche Missionierung betrieben. An der Mosel begraben, soll der Legende nach eine Flut seinen Leichnam lahnaufwärts bis nach Dietkirchen geschwemmt haben – gegen den Strom also. So schlägt der Festivalname eine Brücke zwischen Spätantike und Gegenwart, weshalb nicht zufällig das Kloster Arnstein in Obernhof quasi Keimzelle und ideelles Zentrum des dennoch weltlichen Festivals ist: ein ins Mittelalter zurückreichender Ort der Geistlichkeit wie der betrachtenden und bildenden Geistigkeit, in dem heute auch eine Jugendbegegnungsstätte daheim ist.

Im Kloster wurde schon 2009 die Saat für das spätere Festival „Gegen den Strom“ gelegt: Mit einer vom Peregrini-Verein und Gresch auf die Beine gestellten Faksimile-Ausstellung historischer Prunkhandschriften nebst 15 Vortragsveranstaltungen zum thematischen Umfeld. 2010 folgte ebendort eine Reihe mit Konzerten und Vorträgen unter dem Motto „Hören über Grenzen“, das Gregorianik in Musik, Text, Bild mit Blickwinkeln und Stilen bis zur Moderne in Verbindung brachte. Im BUGA-Jahr 2011 dann das „Arnsteiner Florilegium – eine Blütenlese aus Musik, Malerei und Poesie“. 2012 schließlich erstmals „Gegen den Strom“ als 50 Veranstaltungen umfassendes Regionalfestival am rheinland-pfälzischen Lahn-Abschnitt. Gresch und Mitstreiter werden da zum Zentrum eines vom Kultursommer Rheinland-Pfalz und lokalen Partnern unterstützten Netzwerkes, das an etlichen Orten von Lahnstein über Bad Ems und Nassau bis Diez  vorhandene Kulturressourcen bündelt.

So hat sich etwa das Jacques-Offenbach-Festival ebenso unter dem Dach von „Gegen den Strom“ eingefunden wie das 2013 erste Filmmusikfestival Bad Ems. Auch diese beiden vereinen Kunsterleben mit hintergründiger Betrachtung. Bei Ersterem tritt etwa zur halbszenischen Aufführung von Offenbachs Buffo-Einakter „Der Schuster und der Millionär“ ein Vortrag des Münchner Uni-Professors Elmar Koenen über „die Finanzwelt und das Sozialbewusstsein im 19. Jahrhundert“. Bei Letzterem werden nicht nur interessante Filme und Filmkunstprojekte mit Livemusik vorgestellt, sondern wird ebenso das Entstehen von Filmmusiken im Kontext des Filmemachens erhellt. Dazu wird u.a. Schriftsteller Patrick Roth aus seinem Buch „Die amerikanische Fahrt“ Stories eines Filmbesessenen lesen oder Filmschauspieler Axel Prahl und sein Inselorchester konzertieren.

Zum Zeitpunkt unseres Gespräch ist das Programm noch nicht druckreif; viele Acts müssen noch abschließend festgeklopft werden. Aber wir finden darin junge Musiker aus Wien wie aus der hiesigen Region, Opernsolisten aus Wiesbaden, Kammerensembles aus Frankreich, Folkrocker und Jazzer aus Deutschland, Klezmer-Musiker, Romantikstreicher, Troubadoure, Gitarrenvirtuosen aus Italien, Dänemark.... Wir finden Martin Walser, der mit zwei Musikern einen Abend um die „Die schöne Magelone“ gestaltet, und Burkhard Driest, der eigens ein Stück geschrieben hat, das an der Lahn uraufgeführt wird. Wir finden eine Veranstaltung, wo der Erzbischof von Luxemburg mit dem Historiker Christian Meier und dem Philosophen Holger Zaborowski diskutiert über  "Europas Wurzeln. Was hält den alten Kontinent noch zusammen?". Wir finden die Ankündigung eines großen Friedenskonzertes und allerhand mehr.

Viele Veranstaltungen kosten keinen Eintritt, andere nur wenig. Und ob sie in großen Kirchen oder  winzigen Kapellchen, in mondänen Sälen oder auf Kleinbühnen stattfinden, ob mit Starbesetzung oder von Nachwuchskünstlern realisiert: Diethelm Gresch scheinen sie alle gleich lieb – wenn nur was Interessantes mit Niveau passiert. Über das Lahntal hinaus weiß man von „Gegen den Strom“ bislang wenig. Das sollte sich ändern.
                                                                                   Andreas Pecht


Das Gesamtprogramm wird dieser Tage ins Netz gestellt bei >>www.peregrini-arnstein.de     


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
17./18. Woche im April 2013)


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