Kritiken Theater
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2013-04-15a Ballettkritik:

ballettmainz mit drei Choreographien
von Inger, Godani und Touzeau


Dreiteiliger Abend macht richtig Freude
 

 
ape. Mainz. Drei Ballette von drei Choreographen. Das Spektrum der Ausdrucksformen breit, die Schwierigkeit hoch. Die neue Tanzproduktion am Staatstheater Mainz ist eine Herausforderung für die Compagnie. 16 Akteure nehmen sie mit Verve an. Sie bieten zwei einnehmende Stunden auf einem tänzerischen Niveau, das belegt: ballettmainz spielt noch immer in einer anderen Liga als die übrigen Truppen in Rheinland-Pfalz.
 

Den zwischen Wucht und Zartheit changierenden Anfang macht Johan Inger. Der schwedische Spitzenchoreograph überließ den Mainzern sein „Dreamplay“. Die anno 2000 vom Nederlands Dans Theater uraufgeführte Arbeit nutzt Strawinskys Ballettmusik „Le sacre de printemps“ (alle Musik vom Band), um augenzwinkernd das erotische Erwachen eines jungen Mannes auszutanzen.    

Marco Blazquez sieht die schöne Keiko Okawa, und fällt in Ohnmacht. Es folgen Träumereien, die beide einander näherbringen, wie Jugendliche eben einander näherkommen. Er und seine drei wie Kelten berockte Freunde steigen mit kraftvollem Imponiergetanze in den Turtelring. Sie antwortet mit einer Mixture aus Verletzlichkeit und Lockung. Alle bekommen sie es dann mit Mariya Bushuyeva zu tun, dem furienmäßig dazwischenfunkenden Konkurrenzmädchen. Kleine  Präzisionsschwächen signalisieren: Ingers komplexe Figuren-, Formations- und Atmosphärewechsel in Höchstgeschwindigkeit bringen die sechs Tänzer fast an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Aber eben nur fast.

Erzählen in „Dreamplay“ verfremdete Folkloreanklänge und tanztheatralische Momente eine kleine Geschichte, so mutet „Raw Models“ (rohe, unbearbeitete Modelle) vom Mainzer Zweitchoreografen Jacopo Godani eher abstrakt an. Allerdings ist, was sich da im Halbdunkel oder unter raffiniert nuanciertem Weißlicht zu Elektroklängen der Gruppe 48nord abspielt, keineswegs roh, sondern ausgesprochen artifiziell.

Basis sind wellenförmige Bewegungen, von vier Frauen und drei Männern sowohl in den Tanzausdruck jedes Körpers eingewoben wie auch auf die Ensemblebewegungen  im Raum übertragen. Godani fächert in abrupten Szenenwechseln mittels Lichtaus einen breiten Kanon der Darstellungsformen auf. Soli, Duos, Trios lassen aus der wellenden Grundstruktur Figuren von klassischer Eleganz bis Forsyth'scher Gebrochenheit herauswachsen. Wabernde Ensembles verschmelzen sie zur gespenstischen Monade. „Raw Models“ ist berückendes Erleben reiner Tanzkunst.

Schließlich die Uraufführung von Pascal Touzeaus „Les Noces“ zur gleichnamigen Komposition von Strawinsky. Es ist, als wolle der Mainzer Ballettchef Elemente seiner Kollegen  verbinden. Godanis Monaden tauchen als überschäumende Hochzeitgesellschaft wieder auf. Allerdings so wild-chaotisch, dass es unmöglich erscheint, daraus je eine Ordnung zu formen. Touzeau kriegt es hin. Er lässt aus dem in tausenderlei Parallelaktionen zerfallenen Gewusel wieder und wieder Rund-, Reihen-, Blockformationen entstehen.

Die erinnern in ihrer folkloristischen Art an Inger. Nur dass „Les Noces“ auf Bräuche und Tänze des alten Russland zurückgreift. Chaos versus Ordnung, Menschenbegegnung versus Ritual, zeitgenössisches Ballett nebst knuffig modernen Verfremdungen russischer Volkstanzmotive: Das Auge darf in sinnlicher Fülle baden, das Herz sich anrühren lassen – und der Kopf hat auch zu tun, ohne gleich zu brummen. Das gilt für Touzeaus Choreographie, das gilt für den ganzen Abend.

Infos: >>www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 15. April 2013)


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