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2013-04-05 Analyse:

Fracking führt nur in eine Sackgasse


 

Der fatale Traum von einem
neuen Öl- und Gasjahrhundert


 
ape. 2009 sprach der kanadische Premierminister Stephen Harper von seinem Land noch als kommender Energiesupermacht. Inzwischen plagt Kanada ein gehöriger Energie-Kater, weil es sein Erdöl nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Preisnachlässen los wird. Der Hauptgrund liegt beim Nachbarn USA. Der deckte bislang 27 Prozent seines Ölbedarfs aus kanadischer Förderung, war damit der Hauptabnehmer für Kanadas Öl. Damit ist nun Schluss: Die Amerikaner bauen neuerdings mit Feuereifer bislang brachliegende eigene Öl- und Gasvorkommen ab.
 

Die Energiepreise haben ein Niveau erreicht, das die Erschließung diverser Tiefenvorkommen in den USA rentabel werden lässt. Schätzungen über die mittels „Fracking“ abbaubaren Mengen an Öl und vor allem Gas beispielsweise aus der Bakken- und der Marcellus-Formation im Norden und Nordosten des Landes prognostizieren enorme Reserven. Präsident Barack Obama schwärmt von „Gas für fast 100 Jahre“. Im Augenblick ist eine enthusiastische  Öffentlichkeit überzeugt, dass die USA bald ihre Energiebedürfnisse vollends aus heimischen Fossilquellen befriedigen können – und damit ein mächtiger Aufschwung ihrer Wirtschaft einhergeht.

Der eben verpuffende kanadische Traum war auf Sand gebaut, genauer: auf Teersand-Vorkommen vor allem in der Provinz Alberta. Der neue US-Traum baut auf Schiefer, genauer: auf Schiefergas und Ölschiefer. Beide „Quellen“ unterscheiden sich in einem Punkt wesentlich von herkömmlichen Öl- und Gasvorkommen: Die Rohstoffe liegen nicht als unterirdische „Seen“ oder „Blasen“ vor, die man wie im Mittleren Osten einfach anbohren und abpumpen könnte.

Beim meist nahe an der Oberfläche lagernden Teersand muss zuerst die Öl-Vorstufe Bitumen aus einem Gemenge von Tonen, Salzen und anderen Stoffen herausgewaschen und aufbereitet werden. Schiefergas hingegen muss man überwiegend aus Gesteinsschichten extrahieren, die in zwei bis fünf Kilometern Tiefe liegen. Die Methode dafür ist das Fracking: Mit starkem Druck wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und mehrere Hundert teils toxischen Stoffen ins Bohrloch verpresst, um das in Abermilliarden Gesteinsporen eingelagerte Gas freizusprengen.

Wasser- und Flächenverbrauch sind im Falle des Teersand-Abbaus gigantisch, die Umweltbelastungen bekanntermaßen sehr groß. Die möglichen Mittel- und Langfristwirkungen des Fracking sind noch nicht einmal im Ansatz erforscht. Dennoch werden mittlerweile in fast 30 Bundeststaaten der USA Monat für Monat einige hundert neue Fracking-Bohrungen niedergebracht. Etliche Zehntausend wären nötig für die Realisierung des amerikanischen Traums vom neuen Öl- und Gasjahrhundert.

Doch die Gewinnung von Öl aus Teersand ist wesentlich energieintensiver und teurer als die herkömmliche Ölförderung. Gleiches gilt für das Fracking: Jede Bohrstelle verschlingt bis zu 11 Millionen Dollar; Umweltfolgekosten nicht eingerechnet. Damit sich das rentiert, müssen die Handelspreise der Rohstoffe hoch sein. Aber das im aktuellen Förder-Boom entstehende Überangebot in Nordamerika treibt die Erlöse in den Keller. Ein Dilemma, das die Energiekonzerne aktuell vernehmlich mit den Zähnen knirschen lässt. Hinzu kommt, dass die Fracking-Euphorie erste Dämpfer erhält: Mit jeder neuen Bohrung mehren sich Hinweise, die Lagerstätten könnten weit weniger förderbares Gas enthalten als angenommen. Für die Marcellus-Formation etwa korrigierte die US-Energieagentur 2012 ihre Schätzung um die Hälfte nach unten.

Ähnlich erste Erfahrungen in Europa, wo Fracking ebenfalls Begehrlichkeiten weckt. Denn Schiefergas gibt es auch hier an vielen Stellen. Für Polen etwa wurden Gasvorkommen von 5,3 Billionen Kubikmeter prognostiziert. Doch schon nach ein paar Probebohrungen musste Warschau einräumen, dass 10 Prozent davon wohl realistischer sind. Die Fracking-Begeisterten hier und in Übersee ficht das im Moment allerdings kaum an. Es herrscht Goldgräberstimmung – und die Wall Street stürzt sich mit der gleichen Blindwütigkeit in den Gas-Boom wie ehedem in den Dotcom- und den Immobilien-Rausch.

Das Gasfieber überrollt in den USA derzeit alle ökologischen Bedenken. Dass die neu erschließbaren Vorkommen bei den noch zu erwartenden Wachstumsraten des Verbrauchs die globalen Reserven bestenfalls um zwei Generationen strecken, scheint ebenfalls niemanden zu interessieren. Und aus dem Blick gerät auch ein noch gewichtigerer Faktor: Jeder verbrannte Liter Öl, jeder verheizte Kubikmeter Gas belastet das globale Klima.

Maria van der Hoeven, Chefin der Internationalen Energieagentur IEA, formulierte es unlängst in einem "Zeit"-Interview so: „Die mittlere Temperatur soll um nicht mehr als zwei Grad ansteigen. Wenn das wirklich ernst gemeint ist, dann muss die Energiepolitik entscheiden, ob die vorhandenen Mengen Kohle, Öl und Gas verbrannt werden – oder ob wir einen anderen Weg einschlagen: Effizienz und erneuerbare Energien.“  Vor diesem Hintergrund ist der Traum vom neuen Öl- und Gasjahrhundert eher ein Albtraum – und der Aufbruch ins Fracking-Zeitalter eine Sackgasse.         
                                                                                     Andreas Pecht


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