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2013-03-08 Schauspielkritik:

Regisseurin Stephanie Jänsch realisiert die Kleist-Novelle mit nur drei Schauspielern


"Michael Kohlhaas" am Schlosstheater Neuwied: ordentlich und originell
 

 
ape. Neuwied. Die Neugier war groß, wie das funktionieren soll: Heinrich von Kleists opulente Novelle „Michael Kohlhaas“ aus dem Jahr 1808 von nur drei Mimen realisiert. Das Schauspiel Bonn hatte im Mai 2012 dafür immerhin 13 Akteure in einer  gigantischen Kulisse aufgeboten (vgl. hier) . Bei der kleinen Landesbühne Rheinland-Pfalz im Schlosstheater Neuwied fällt nun alles etliche Nummern bescheidener aus. Aber auch die dortige Übertragung des Literaturklassikers auf die Bühne darf als gescheit, sinnig und packend gelten.
 
Ein Theaterstück im klassischen Sinn ist die die benutzte Textbearbeitung von Franziska Steiof nicht. Sie bleibt eng an der Kleist'schen Vorlage, wird so zum Zwitter aus Erzählung und Drama. Regisseurin Stephanie Jänsch ist gut beraten, diesen Mischcharakter gar nicht erst aufheben zu wollen. Stattdessen kombiniert sie Elemente des Hörspiels und theatralische Szenen.

Die Erzählpartien werden von den drei Schauspielern live per Mikrofon bald chorisch, bald im Wechsel- oder Solovortrag mit Emphase eingesprochen. Die Spielszenen verdichten in fließenden Rollenwechseln die im 16. Jahrhundert spielende Entwicklung der Kohlhaas-Figur vom Pferdehändler zum aufrührerischen Mordbrenner. Thomas Hoffmann hat dafür eine raffinierte Bühne gebaut: ein abstrakter Raum, umgeben von drei schrägen, fast schwarzen Wänden mit  verdeckten Öffnungen, die vielerlei Anspielungen auf die Außenwelt erlauben.

Mal flattern aus einem Schlitz fortwährend Papiere herein: Sinnbild für endlose juristische Auseinandersetzungen, mit denen der vom Junker Tronka um zwei Pferde geprellte Kohlhaas sein Recht erstreiten will. Mal öffnet sich die Rückwand, um Feuerschein und Qualm ins Theater zu ergießen: Da hat der von feudalen Seilschaften ausgetrickste  Kohlhaas das Recht in die eigene Faust genommen. Mit einem wilden Heerhaufen schleift er Tronkas Burg und zündet Wittenberg an.

Eine Fülle theaterhandwerklicher Kniffe macht die zweistündige Produktion zu einer erhellenden und sinnlichen Umsetzung der berühmten Novelle. Erhellend auch im Hinblick auf den zugrunde liegenden Konflikt zwischen feudaler Willkür und dem im mittelalterlichen wie im aufgeklärten Rechtsverständnis verankerten Widerstandsrecht dagegen. Wobei die Inszenierung die Titelfigur in ihrer Zwiespältigkeit zwischen nach Gerechtigkeit dürstendem Revolutionär und rachsüchtigem Terroristen belässt.

Während Daniel Sonnleithner vorwiegend den Kohlhaas gibt und versiert die konventionelle Klaviatur des Charaktertragöden bedient, galoppieren Makke Schneider und Christiane Paulick durch eine Vielzahl von Rollen. Für Charakterspiel und große Kostümwechsel bleibt kaum Zeit. Aus der Not wird eine Tugend: Vor allem mittels Nuancierungen in Körperhaltung und Sprechweise formen die beiden etliche gut unterscheidbare Typen aus. „Michael Kohlhaas“ in Neuwied: Das ist nicht immer allerhöchste Kunst, aber allemal sehr ordentliches und zudem originelles Bühnengewerk. Für die Verhältnisse am Schlosstheater ein im ernsten Fach bemerkenswerter Abend.                                                                                                                            Andreas Pecht

Infos: >>www.landesbuehnerheinland-pfalz.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 8. März 2013)


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