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2013-01-15 Schauspielkritik:

Sehenswerte Bühnenadaption des Fallada-Romans "Kleiner Mann - was nun?" am Schauspiel Frankfurt


Bescheidenes Glück kommt unter
die kapitalistischen Räder
 
 
ape. Frankfurt. Es wurden in den letzten Jahren viele Roman-Klassiker für die Bühne adaptiert. Oft lautete hernach unsere Empfehlung, doch lieber bei der Lektüre des literarischen Originals zu bleiben. Am Schauspiel Frankfurt hat sich jetzt Michael Thalheimer „Kleiner Mann – was nun?“ von Hans Fallada vorgeknöpft und ein glücklicheres Ergebnis erzielt. Im Einklang mit dem enthusiastischen Applaus des Premierenpublikums sei diesmal empfohlen: ansehen!
 
Minutenlang geschieht zum Anfang scheinbar gar nichts. Mutterseelenallein steht eine junge Frau in schlichten Klamotten an der Rampe. Sie schweigt und schaut – mit großen Augen mal zuversichtlich, mal ängstlich bald hinaus in die Welt, bald in sich hinein. Ein Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht, sachte legt sie sich die Hand auf den Bauch. Dort wächst im zweiten Monat das Kind heran, das ihr und ihres Mannes kleines Glück zur lieblichen Insel inmitten stürmischer Düsternis komplettieren soll.

„Doch die Verhältnisse, die sind nicht so“, lässt Brecht in der „Dreigroschenoper“ singen, beschreibt auch Fallada in seinem Roman über den Abstieg des Verkäufers Johannes Pinneberg erst zum Arbeitslosen, dann zum Elenden. Allerdings mag Thalheimer weder des Ersteren revolutionäre Schlussfolgerung teilen noch des Letzteren Empfehlung an Johannes und sein „Lämmchen“ Emma zur Besinnung auf ihre Liebe: Die Frankfurter Inszenierung endet in ergebnisoffener Finsternis, durch die nach zwei Stunden romantisierender Hintergrundmusik ein schriller Misston pfeifft.

Der stille, lange, aber mit seinem genauen minimalistischen Gestus doch so vielsagende Anfangsauftritt von Henrike Johanna Jörissen als Emma gibt den Stil des Abends vor. Im schmucklos umrandeten Bühnenportal durchlebt das junge Paar gleichermaßen betroffen erzählend wie Betroffene spielend sein privates Drama aus Hoffen, Sich-Mühen, Bangen und Verarmen. Hinter den beiden steigt der Bühnenboden in steiler Schräge an, ganz oben lauert im Zwielicht der ansonsten völlig leeren Bühne die Welt – zur breiten Front aufgereiht die Mitspieler: Kaltschnäuzige Chefs, missgünstige Kollegen, eine leichtlebige Mutter nebst halbseidenem Liebhaber, wütende bis mitfühlende Proletarier.

Was da bisweilen von hinten-oben herabsteigt und einwirkt auf die gegen den kapitalistischen Gang der Dinge naiv bis verzweifelt anliebende Zweisamkeit sind zu überzeichneten Archetypen verdichtete Romancharaktere. Der Ansatz mag irritieren, transportiert aber stimmig eine legitime Deutung von Falladas Vorlage. Und: Dieser außenweltliche Pol ergibt im kontrastierenden Zusammenwirken mit dem intensiven Seelen- und Charakterspiel von Jörissen und Nico Holonics eine spannende theatralische Form.

Natürlich verkürzt die Inszenierung den Roman. Aber seine Essenz geht in Thalheimers kaum auf Effekte, sondern im Zentrum ganz und gar auf Schauspielerkunst bauenden Arbeit nicht verloren. Dass Holonics gegen Ende des Johannes schieres Irrewerden überdreht, sei nachgesehen angesichts der tiefen Berührung, die das Paar bis dahin zu erzeugen vermochte – als einfache Menschen, die mit ehrlicher Arbeit nicht nach Reichtum, Macht, Ruhm streben, sondern nur nach einem sicheren, bescheidenen Glück. Und die – folgt man dem Blickwinkel der individuell Betroffenen – bis heute vielfach daran gehindert werden.
                                                                          Andreas Pecht

Infos: >>www.schauspielfrankfurt.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 15. Januar 2013)


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