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2012-12-11b Essay: 

65. Geburtstag der "reichsten Ente der Welt":
Der kapitalistische Sünder aus dem Bilderbuch



Zum Dagobert drängt, am Dagobert hängt doch alles Gold


ape. Es sei den Lesern/innen dringend abgeraten, in ein mit Münzen und Goldstücken gefülltes Schwimmbecken zu springen. Selbst wenn ihnen wider alle Wahrscheinlichkeit eines zur Verfügung stünde. Denn: Sie würden sich die Beine brechen oder den Schädel derangieren. Dem Dagobert Duck allein ist es seit 65 Jahren gegeben, Wertmetallbäder unbeschadet zu überstehen, sie gar als höchstes der Gefühle zu genießen.

Nicht nur beim Bade übt die 1947 vom Amerikaner Carl Barks erfundene Comicfigur eine seltsame Macht über Geld und Gold aus. In Abwandlung von Goethes berühmten Versen aus dem „Faust“ möchte man kalauern: Zum Dagobert drängt, am Dagobert hängt doch alles Gold. Fast jedes Abenteuer des DD ließ seinen quadtrillmilliardbillionen Talern im Geldspeicher über Entenhausen letztlich neue Millionen zufließen, selbst wenn die Unternehmung selbst mal schief ging. Wie das? Nun, das Kerlchen ist eben von schottisch-amerikanischem Schrot und Korn: Als Schuhputzer verdiente es seine erste Münze; mit diesem „Glückstaler“ im Gepäck arbeitete es sich via Goldsucher, Cowboy und Flussschiffer sparsam, zäh, fleißig zur „reichsten Ente der Welt“ hoch.

Zumindest geht so die Mär, mit der Barks nachher in Rückblicken und der Zeichner Don Rosa in einer Biografie dem Dagobert eine präsentable Vita nach US-Stil komponierten. Die vorherige Geschichte, wonach er als mieser Räuberbaron begonnen habe, geriet in Vergessenheit. Wie dem auch sei: Seit den 1950ern verlässt den superreichen Erpel sein goldenes Händchen nicht mehr. Fast ist es wie mit den Finanzzockern unserer Welt: Dagobert verdient sich immer eine goldene Nase, mag er auch noch so gewissenlos oder bisweilen dämlich verfahren.

Den Vergleich mit menschlichen Hasadeuren würde sich Onkel Dagobert allerdings verbitten. Er ist von anderem Schlage: spartanisch im Lebensstil, überaus sparsam beim Personal, extrem vorsichtig beim Einsatz von Kapital. Sein Neffe Donald, dessen Neffen Tick, Trick und Track nebst Mitstreitern wie Erfinder Düsentrieb, Sekretärin Rührig oder Butler Baptist können manches Lied davon singen: Haben sie Dagobert eben einen Millionenschatz eingefahren, zahlt der alte Geizhals ihre paar Kreuzer Lohn nur unter Gezeter und dem armen Donald manchmal gar nicht.

Allerdings lässt sich aus dem bisschen kauziger bis schäbiger Ausbeutung einer handvoll Verwandter und Angestellter kein Milliarden-Kapital schlagen. Zumal Donald einer der Produktivsten nicht ist und die Maschinchen von Meister Düsentrieb zwar manches abwerfen, aber gewiss keinen Gigantprofit. Den aber braucht es für die verschwenderische Manier des DD. Verschwenderisch? Gewiss doch: Dagobert leistet sich den unglaublichen Luxus, sein Geld als totes Kapital herumliegen zu lassen. Mit all den Milliarden in seinem Geldspeicher „unternimmt“ er nichts – außer privatim darin zu baden und sich ihrer als Symbol dafür zu erfreuen, dass er der reichste Kerl der Welt ist. 

Nach der Doktrin des Kapitalismus begeht er damit die schwerste Sünde. Denn der Daseinszweck des Kapitals ist, sich durch Umtriebigkeit zu vermehren. Und seine Daseinsberechtigung bezieht es eigentlich nur aus dem Umstand, dass hierfür Menschen in Lohn und Brot gebracht werden müssen, die mit ihrer Arbeit Nutz- und Gebrauchswerte für die ganze Gesellschaft schaffen. Was aber tut Duck? Er hockt auf seinen Geldsäcken und entzieht zwecks persönlichem Vergnügen der Realwirtschaft und den Kapitalmärkten unfassbare Werte. Würden sich alle Kapitalisten so benehmen, die Marktwirtschaft wäre womöglich schneller im Eimer als ein weiteres Comic-Büchlein gezeichnet.

Der Bankrott hätte Dagobert Duck längst selbst ereilt, ginge es im Comic mit rechten Dingen zu. So aber kam der Geldheld irgendwie zu einem Wirtschaftsimperium aus Bankhaus, Eisbahnen, Fluggesellschaften, Fabriken, Bergwerken. Das scheint überaus profitabel, obwohl DDs Verhältnis zu seinem Konzern hanebüchen einseitig ist: Er zieht nur Geld heraus, steckt aber keines hinein. Von Reinvestionen hat man nie gehört. Von angemessenen Steuerzahlungen übrigens ebensowenig, und über die Lage der Beschäftigten in den Duck-Firmen weiß man erst recht nichts. Wie ihr Erpel-Kapitalist gestrickt ist, dürfte es ihnen seit Jahrzehnten ziemlich dreckig gehen. Deshalb müssten liberale Ökonomen und Proletariat gleichermaßen der Panzerknackerbande die Daumen drücken: Auf dass es ihr endlich gelinge, dem Alten seinen nutzlos weggesperrten Zaster abzunehmen – und in belebender Konsumlaune den Wirtschaftskreisläufen zuzuführen.

Doch Dagobert zieht von Mal zu Mal ungeschoren in die Welt, nicht zuletzt um Schätze aus alten Zeiten und von fremden Völkern zusammenzuklauben. Beutegold ist ihm der liebste aller Badezusätze, weil nirgends sonst die Profitrate so hoch. Menschen kennen und pflegen dieses Prinzip seit kolonialen/imperialen Zeiten. Wie überhaupt viele Eigenarten des Enterichs Dagobert Duck dann doch recht humankapitalistisch anmuten, zumal heutzutage. Lockt ein fetter Extraprofit, macht es „pling!“ und DD springen Dollarzeichen in die Augen. Dann vergisst er alle guten Vorsätze, schmeißt Familienbande, Gemeinsinn, gute Sitten und Moral vollends über Bord, um  giergeifernd dem Ruf des Geldes, Geldes, Geldes zu folgen.

Weshalb des europäischen Lesers Sympathie eher Donald gilt – dem in seiner Verträumtheit, Trotteligkeit und Betulichkeit so liebenswerten Looser im großen Spiel um den sinnlosen Mammon.                                                                                    Andreas Pecht        

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
Woche 50 im Dezember 2012)


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