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2012-11-27 Feature:


100 Jahre Rhein-Museum in Koblenz

 

Erstes Ausstellungshaus von europäischer Dimension
 

 
ape. Koblenz. „Kleines Heimatmuseum“, „interessantes Schifffahrtsmuseum“, Das sind so Bezeichnungen, denen man begegnet, wenn die Rede aufs Rhein-Museum in Koblenz-Ehrenbreitstein kommt. Dann zieht der promovierte Ethnologe Rainer Doetsch unwillig die Stirne kraus. Zurecht. Denn irgendwie ist an  diesen Begriffen zwar etwas dran, zugleich aber sind sie völlig falsch. Das wird im Gespräch mit dem Museumsdirektor bei einem Besuch der Institution deutlich, die vor 100 Jahren, anno 1912, als ambitioniertes Projekt europäischen Charakters ins Leben gerufen wurde.

Mit rund 1400 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist das Rhein-Museum nicht eben klein. Heimat im Sinne von Mittelrhein spielt dort zwar eine besondere Rolle, ist aber eingebunden in den übergeordneten Zusammenhang, die Kulturlandschaft des gesamten Rheins exemplarisch darzustellen – bei den Frühmenschen  beginnend, dann konzentriert auf das vergangene Jahrtausend und die Neuzeit. Selbstredend spielen für das Leben entlang der 1238 Stromkilometer seit Menschengedenken Boote und Schiffe eine zentrale Rolle. Weshalb die Entwicklungsgeschichte der  Flussgefährte von Fischerboot und Segelfrachter übers Dampfschiff zum Turbinenschuber ein großes, an Dutzenden getreulich nachgebauten Modellen veranschaulichtes Thema sein muss.

Und doch bemerkt der Besucher bald selbst, was Doetsch nie müde wird, zu betonen: „Dies ist kein Schifffahrtsmuseum, sondern ein kulturhistorisches Museum“ – gewidmet der Zivilisationsgeschichte an einer der einst wichtigsten Verkehrsadern Mitteleuropas, dem Rhein. Als solche verband der Strom die Alpen mit der Nordsee, das Imperium Romanum mit Germanien, die Schweiz mit den Niederlanden, Kurmainz mit Kurtrier und Kurköln, die Wittelsbacher mit den Hohenzollern, Deutschland mit Frankreich, Menschen von hier mit solchen von dort.

Romantisch ging es dabei selten zu, ist im Museum zu erfahren. Die Rheinromantik haben Dichter und Nachwelt erfunden, die Rheinburgen waren vor allem als Abkassierstationen und Pfründesicherungen zugunsten diverser Herrschaften entstanden. Für die einfachen Leut' am und auf dem Rhein war das Leben als Fischer, Schiffer, Treidler, Flößer, Handwerker, Bergarbeiter, Winzer, Bauer zumeist ein hartes Brot. Und als ob dies nicht schon schwer genug wäre, wurde das Rheintal wieder und wieder Kriegsgebiet, der Fluss zur umkämpften Grenze zwischen Machtsphären und Staaten, gar Symbol unseliger „Erbfeindschaft“.

Beim Gang durch die acht Themenabteilungen des Rhein-Museums beschreiten die Gedanken ganz von alleine die Wege der Geschichte, der Rhein-Geschichte. Das Schöne dabei ist: Die Exponate  stellen immer wieder Rückbindungen an das alltägliche Leben am, auf und mit dem Fluss her. Zur Entwicklung der Schiffstechnik, dargestellt an Modellen sowie originalen, teils gewaltigen Maschinen, tritt die Entwicklung der Flussquerungen von Strömungs- zu Motorfähren, von Pontonübergängen zu Stahl- und Betonbrücken. Alte Häfen verschwinden, neue werden gebaut. Und wo zuvor Kohle entladen, Schiefer, Bims oder Wein verschifft wurden, da tummeln sich nachher Rheinreisende aus aller Herren Länder.

Vater Rhein, Mama Mosel und die sirenische Männerfantasie von St. Goarshausen werden besungen, bedichtet, gemalt –  und bescheren dem Rhein-Museum eine schier unglaubliche Sammlung rheinromantischer Devotionalien von Postkarten und Papierschiffchen über Rheinlied-Musikalien bis zu Kinderbüchern oder Tabaksdosen. Kitsch die Menge, in der Gesamtheit sich allerdings zum kulturhistorischen Zeugnis verdichtend: Die touristische Vermarktung der Rheinlandschaft treibt seit dem frühen 19. Jahrhundert bald reizende, bald abstruse Blüten.

Davor steht man staunend bis kopfschüttelnd, wie auch vor den zahlreichen Gemälden, die die  Schau von der künstlerischen Seite her begleiten. Rheinlandschaften zuhauf, mal Schinken, mal Kunstwerke, mal realistisch, mal idyllisch überhöht. In summa auch dies ein Dokument der Rheinkultur – wie die Sammlung konservierter oder nachmodellierter Rheinfische, wie die hydrologische Abteilung mit ihren Messgeräten für Wasserstände und Co.

Kaum zu glauben, dass die opulenten Bestände des Rhein-Museums überwiegend erst nach dem Zweiten Weltkrieg und in ehrenamtlichem Engagement zusammengetragen wurden und weiter werden. Das ursprüngliche Domizil des Museums, ein Schulhaus in der Rheinzollstraße nahe dem Deutschen Eck (heute ein Weinhaus), war mitsamt Inhalt den Bomben zum Opfer gefallen. Damals stand der Gründer und Leiter der Einrichtung, Landgerichtsrat Wilhelm Spies, vor den Trümmern seines Projektes und seines Traumes vom „Rheinmuseum“, an dem sich sämtliche Rheinanlieger beteiligen. 

Denn in diesem Sinne hatte er 1912 die Initiative ergriffen, und es fertiggebracht, dass zwei Jahre vor Ausbruch des großen Völkergemetzels sämtliche Rhein-Anrainerstaaten das Vorhaben guthießen. Es kamen dann unzählige Honoratioren aus Rheinstädten von der Schweiz bis in die Niederlande nach Koblenz, um das Museum und den ihn tragenden Verein aus der Taufe zu heben. Gut 400 Mitglieder hatte der Verein zu seiner Spitzenzeit in den 1920ern, obgleich die damalige Sammlung  vergleichsweise bescheiden war. Aber, es handelte sich um die erste Präsentation überhaupt zur Rheinkultur. Und es war das wohl erste europäische Museum.

Nach der Ausbombung galt ein weiteres Überleben des Rhein-Museums durchaus als fraglich. Die Reste der Sammlung und neu hinzukommende Stücke wanderten von einem Provisorium ins nächste: Vom Wasser- und Schifffahrtsamt in die Alte Burg, dann ins Max-von-Laue-Gymnasium, hernach als Untermieter ins Landesmuseum auf der Festung Ehrenbreitstein. 1991 hieß es dann für den Trägerverein „jetzt oder nie“. Die Stadt stellte das gründerzeitliche Schulhaus und Geburtshaus des Schriftstellers Joseph Breitbach in Ehrenbreitstein zur Verfügung, der Verein wagte den Neuanfang: 1995 konnte dort das neue Rhein-Museum eröffnet werden. 2004 kam eine moderne doppelstöckige Halle hinzu – als Entree- und Sonderausstellungsbereich sowie eigens um ein 1998 vor Ehrenbreitstein geborgenes Holzschiff auf dem 17. Jahrhundert herumgebauter Ausstellungsraum.                       Andreas Pecht

Infos:  >>www.rhein-museum.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
Woche 48 im November 2012)

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