Kritiken Theater
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2012-11-07 Schauspielkritik:

"Käthchen von Heilbronn"
auf der Show-Bühne
 

Philipp Preuss dekonstruiert Kleist-Klassiker

in Frankfurt zum Traumspiel


 
ape Frankfurt. Was Regisseur Philipp Preuss vor dem eisernen Vorhang im großen Schauspielhaus Frankfurt auf ein glitzerndes Show-Podest von Ramallah Aubrecht stellt, lässt sich als gefühliges Traumspiel bezeichnen. Wäre da nicht die Betitelung „Heinrich von Kleist: Das Käthchen von Heilbronn“, man könnte 90 Minuten durchaus kunstfertige Performance von eigenem Wert genießen. So aber liegt dem Abend quasi die Behauptung zugrunde, es handle sich um eine Einrichtung des berühmten Theaterklassikers aus dem Jahr 1810. Von eben dem aber ist hier recht wenig geblieben.

 
Immerhin avisiert das Programmheft Entfremdung vom Original, indem es den ursprünglichen Untertitel konterkariert. Der heißt jetzt: „KEIN großes historisches Ritterschauspiel“.  Wogegen  im Grunde wenig einzuwenden ist –  die meisten Theater spielen seit Jahrzehnten das opulente Werk aus Mittelalterepos und Märchenmysthik kaum mehr voll aus. Frankfurt dekonstruiert es jetzt allerdings mit selten erlebter Radikalität.

Das Handlungspersonal reduziert sich dort auf bloß zwei Mimen, Käthchen und Graf vom Strahl. Womit das Ansinnen der Inszenierung gleich auf den Punkt zu bringen ist: Völlige Konzentration auf die eigentümliche Liebe dieses seltsamen Paares. Besser sagt man wohl: auf ein Traumgespinst aus Aspekten dieser über sich selbst hinausweisenden Liebe.

Eingebettet ist das intensive, zwischen melancholischem Schwebezustand und bisweilen aufbrausendem Abwehrreflex changierende Spiel von Valery Tscheplanowa und Nico Holonics in stimmungsvolle Sphärenklänge. Die steuert ein großer, bisweilen auch szenisch präsenter Chor und der dirgierende Musikelektroniker Kornelius Heidebrecht bei. Zudem dient der eiserne Vorhang als Projektionsfläche für Videobilder, die in Übergröße Nahaufnahmen von den beiden Hauptdarstellern zeigen. Die singen als Leitmotiv immer wieder Teile des Evergreens „Dream a little dream of me“ in den Abend.

Wo bleibt bei all dem Heinrich von Kleist? Wer das Stück gut kennt und mit seinen Interpretionen vertraut ist, der kann einige der Fragestellungen nach seelischen Verwicklungen erahnen, die schon der Dichter mit der Beziehung zwischen Käthchen und Strahl verband. Problem dabei: In Frankfurt ist die Erzählung des Stückes, seine Handlung und damit auch sein Erdung komplett verschwunden. Weshalb die verbleibenden Sequenzen über die Liebe dazu neigen, sich im Nirwana vager Anmutungen zu verlieren.

So wird aus dem „Käthchen“ bei Preuss eine Art romantischer Fantasmagorie – durch die Strahl mal im Frack, mal im Glitzerpulli, Käthchen bald im Brautkleid, bald im Showkostüm geistern. Das ist wie gesagt hübsch anzusehen und bisweilen sehr anrührend, bietet auch ein paar schön gesprochenen Versatzstücke Kleist'schen Textes. Von einer Inszenierung des Stückes kann man allerdings nicht sprechen, von einem Beitrag zur Kleist-Interpretation ebensowenig. Die Wirkung auf den Zuseher hängt ab von dessen Erwartungshaltung: Wer auf  ernsthafte, moderne Bearbeitung des Klassiker hofft, dürfte enttäuscht, vielleicht genervt sein. Wem eine vom Kleist-Stück angeregte, intelligent gemachte Romantik-Performance reicht, der kommt auf seine Kosten.                                                            Andreas Pecht                 

Infos: >>www.schauspielfrankfurt.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 7. November 2012)


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