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2012-10-15 Schauspielkritik:

Staatstheater Mainz experimentiert mit Dantes „Die göttliche Komödie“

Ein seltsamer Höllenritt

 
ape. Mainz. Dante Alighieris mittelalterliches Versepos „Die göttliche Komödie“ zum Bühnendrama ummodeln? Schon die Absicht wäre Größenwahn. Weshalb Textbearbeiter und Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson es jetzt in Mainz erst gar nicht ernsthaft versucht. Von der ursprünglich auf 100 Gesänge verteilten Reise Dantes durch Hölle und Fegefeuer ins Paradies bleibt am Staatstheater eine 90-minütige Kontrastmixtur aus Kabarett und drastischer Höllenpein.

Auf der Bühne legen Techniker noch letzte Hand an eine Bodendrehscheibe, da tritt Gregor Trakis im Smoking vor, begrüßt mit grinsgesichtiger Conference das Publikum. Bei archäologischen Grabungen in Mainz sei eine Spielfassung der „Göttlichen Komödie“ gefunden worden, die nun  zur Aufführung komme. Erstmal aber erteilt er Kollegen das Wort, auf dass sie mit gebildeten Vorträgen in Dantes Großwerk einführen.

Felix Mühlen verläuft sich in überdrehter Werkanalyse; Lisa Mies hustet bei ihrer Vorlesung blutige Federn; Pascale Pfeuti vertieft sich mit lachhaftem Ernst in Dantes Zahlensymbolik. Das ist zum arg länglichen Auftakt des Abends recht hausbackene Persiflage. Am Rande legt Stefan Graf mit Reclam-Bändchen einen Pfad aus, der dann doch noch bei Dante selbst landet. Mittig auf der Drehscheibe sitzt  Monika Dortschy, spricht endlich Originaltext und zitiert daraus Panter, Löwe, Wölfin herbei: Verena Bukal, Pfeuti, Mies im sexy Lack- und Glitzerdress.

Bei Varieté-Flitter unter Schneegeriesel bleibt es zum Glück nicht. Arnarssons Commedia-Projekt bezieht nach und nach einige bemerkenswerte Passagen aus den fließenden Übergängen von Humor-Spielerei in düstere, teils schwer erträgliche Darstellungen menschlicher Qualen bald im Hier und Jetzt, bald in den Schreckenskammern  mittelalterlicher Straf- und Sühneängste. Ein Protagonist wirft sich minutenlang wieder und wieder schmerzhaft auf den Boden; Wollüstige futtern Äpfel und speien blutige Brocken; der Papst wird an den Füßen aufgehängt ...

Solche Szenen entspringen nicht dem Mutwillen der Regie, es sind einige wenige Anlehnungen an  jene Grausigkeiten, von denen Dantes Original überquillt. Sie heutzutage in ähnlicher Brutalität auf die Bühne zu stellen, lässt sie allerdings wie billigen Ekel-Splatter wirken. Was noch dadurch verstärkt wird, dass die Inszenierung wiederholt  unversehens aus der Schreckenswelt herauspurzelt und auf Kabarett macht. Etwa wenn Tilman Rose blutüberströmt an die Rampe tritt, um als Komiker über Dantes erzieherische Absichten zu parlieren.

Es gibt in diesem Dante-Projekt einige bewegende und den Zuseher in durchaus „werktreuer“ Weise zurecht quälende Momente. Ob es indes sinnvoll ist, Werke der Weltliteratur, die nie für die Bühne gedacht waren, auf selbiger zu verwursten, die Frage stellt sich einmal mehr und in diesem Fall   ziemlich scharf. Denn es bleibt zwangsläufig bei Versatzstücken, aus denen sich das Große und Ganze kaum erschließt. Komische Beigaben helfen da auch nichts.                                                 Andreas Pecht


Infos: >>www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 15. Oktober 2012)


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