201210
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2012-10-04a Musikwelt / Reihe "Nach Dienst" :

 

Sport, Spiel, Spaß: Orchesterfußball


Seit 2011 erlebt der alte Mannschaftssport bei der Rheinische Philharmonie eine neue Blüte


ape. Koblenz.  Was tun Musiker/innen der Rheinischen Philharmonie, wenn sie nicht musizieren, proben, üben? Unsere Artikelreihe „Nach Dienst“ erzählt über nicht immer alltägliche Hobbys und Passionen von einigen. Die vergangene Folge berichtete über den Klarinettisten Paul Schmitt, der nebenbei einen Musikverlag betreibt. Diesmal richtet sich das Augenmerk gleich auf gut zwei Dutzend Orchestermitglieder: Männer und Frauen, die in ihrer Freizeit regelmäßig die Fußballschuhe anziehen.
                                          

Kunstrasenplatz auf dem Koblenzer Oberwerth. Dort läuft ein munteres Fußballspiel. Vier bis sechs Spieler auf jeder Seite geben ihr Bestes; darunter junge Leute ab Mitte 20, aber auch ältere weit jenseits der 40, gar der 50. Schweiß fließt in Strömen. Aufmunternde und fordernde Rufe hallen über den Platz, Spötteleien obendrauf. Denn der Ball macht nicht immer, was ihm zugedacht, und zum ligareifen Spielzug reichen bisweilen Puste oder Geschick der fußballerischen Amateure halt nicht ganz aus. Verbissen sieht das keiner: Dabeisein aus Spaß an der sportiven Freud ist wichtiger als siegen. Trotzdem wird das Spiel durchaus engagiert ausgetragen – freilich ohne schmerzhafte Fouls; man geht pfleglich, kollegial, freundschaftlich miteinander um.

Was verständlich ist, weil da eben Kollegen und Freunde aus freiem Entschluss gemeinsam ihren Schweiß vergießen. Die Szene vom Oberwerth beschreibt eine typische Schlussphase des Trainings, zu dem sich etliche Mitglieder der Rheinischen Philharmonie nach Dienst regelmäßig treffen. Wenn nicht jede Woche, so doch mehrmals pro Quartal. Das eigentliche Spiel macht etwa ein Drittel jeder Zusammenkunft aus, die übrige Zeit geht's um Kondition, Körperbeherrschung, Balltechnik, Übersicht und andere Feinheiten, die Fußball erst interessant machen. „Es wird nicht bloß rumgekickt, sondern ernsthaft trainiert“, betonen Michael Zeller und Mareike Schünemann beim Gespräch mit r(h)ein:gehört über die gegenwärtige Ausprägung der Fußballkultur beim Koblenzer Staatsorchester.

Das Training leitet ebenfalls ein Kollege. In Sachen Fußball ist Trompeter Andreas Schaaf allerdings ein Mann vom Fach, aktiver C-Klasse-Spieler mit Trainerlizenz. „Der nimmt uns richtig ran“, erzählen Zeller und Schünemann. Was den beiden Organisatoren des Orchesterfußballs und ihren Mitkickern offenbar recht ist. Denn, so die Cellistin: „Es ist toll, wenn du Fortschritte spürst, wenn du nach ein paar Trainingseinheiten nicht mehr verwirrt über den Platz eierst mit dem blöden Gefühl, es würden dort fünf Bälle gleichzeitig herumschwirren.“ Der Schlagzeuger weiß noch von ganz anderen Trainingserfolgen zu berichten: Im Februar 2012 holte die Männer-Auswahl der Rheinischen den Siegpokal bei einem Hallenturnier mit acht Orchestermannschaft in Darmstadt. Und im Juni beendete sie mit einem eindrucksvoll Sieg eine lange Niederlagenserie gegen die Mannen des Bonner Beethovenorchesters.

An dieser Stelle wird es Zeit, die Geschlechterverhältnissen bei den philharmonischen Fußballern in Koblenz zu erhellen. Da es einen Organisator und eine Organisatorin gibt, liegt die Vermutung nahe, dass es auch männliche UND weibliche Aktive gibt. So ist es. Männerfußball existiert bei der Rheinischen seit ihren Anfängen. Mal mehr, mal weniger intensiv, mal auch brachliegend. Nach dem spürbaren Generationenwechsel der letzten Jahre im Orchester, hat 2011 auch eine neuerliche Hochphase für den Musiker-Fußball begonnen. Die nächstliegende Herausforderung  hieß damals: Teilnahme am Deutsches-Eck-Cup 2011, einem Turnier von Koblenzer Betriebsmannschaften.

Zeiten ändern sich: Fußball ist nicht länger Männerdomäne. Und wenn auf der internationalen Bühne der deutsche Frauenfußball die Herren schier aussticht – „warum sollten wir Musikerinnen uns mit einer Rolle als Quotenfrauen oder gar Puschel schwingenden Cheerleaders begnügen?“ Mit vergnügtem Seitenblick auf Michael Zeller erzählt Mareike Schünemann von der Geburtsstunde des Frauenfußballs bei der Rheinischen Philharmonie. Händeringend hätten die Männer eine Frau für den Deutsches-Eck-Cup gesucht, weil dessen Reglement eine weibliche Mitspielerin je Mannschaft vorschreibt. „Wenn schon Fußball, dann bitteschön richtig und nicht bloß als Staffage für die Männer“, widersetzten sich die Orchesterladies seinerzeit solch einem Ansinnen. Es fand sich schließlich zwar eine Orchesterpraktikantin, die den Herren für ihren Eck-Cup-Start aus der Patsche half.  Aber viel wichtiger war: Die Idee vom Frauenfußball bei der Rheinischen wurde Realität.

Die Anfänge verliefen sehr lebhaft: Fast jede Woche erschienen reichlich Mitspielerinnen zum Training. „Inzwischen ist es ruhiger geworden“, stellt die Cellistin fest. „Wöchentlich klappt nur noch selten; aber alle zwei bis drei Wochen kommen sechs, acht oder mehr Kolleginnen auf dem Sportplatz zusammen.“ Alle regelmäßig oder immer wieder mal Mitwirkenden summiert,  zählt die fußballernde Damenriege der Rheinischen 16 Aktive. Da kommen  die Herren mit 14 bis 15 Aktiven derzeit nicht ganz heran. Aber man sieht das bei beiden Geschlechtern nicht so eng, denn es ist schwierig genug, überhaupt Termine zu finden, die möglichst vielen der fußballbegeisterten Musiker/innen in den Kalender passen.

Obwohl die Gruppen sich prima verstehen, wird zeitlich getrennt trainiert. Männlein und Weiblein bleiben für sich, vertrauen sich beide indes Andreas Schaaf an. Man hat zwar auch schon mixed gespielt, aber so das Gelbe vom Ei scheint das nicht zu sein: „Die Kerle stecken halt seit ihrer Kindheit im Fußball drin, während das für uns eine neue Welt ist. Außerdem sind wir nicht so spiel- und wettkampf-fixiert wie die Männer; wir Frauen können auch Spaß daran haben, einfach nur gemeinsam Sport zu treiben“, meint Mareike Schünemann schmunzelnd. Sie fügt noch einen Gedanken an, der wieder für beide Geschlechter gilt: „Weil es die Arbeitszeiten von Orchestermusikern kaum zulassen, in einem Sportverein mitzumachen, stellen wir unseren eigenen Sport auf die Beine.“

Abschließend die Frage nach weiteren Plänen der philharmonischen Fußballer/innen. Antwort auf Seiten der Frauen: Neue Mitspielerinnen gewinnen, wieder regelmäßiger trainieren. Bei den Männern bringt die Saison 2012/2013 ein Dreier-Turnier in Saarbrücken mit den beiden dortigen Orchestern. Dazu kommt die Ausrichtung des schon traditionellen eigenen Turniers an Himmelfahrt in Koblenz mit Orchestermannschaften aus dem deutschen Südwesten. Zunächst aber steht das wichtige rheinische Derby an: Rückspiel gegen das Bonner Beethovenorchester.

Die Mannschaftsaufstellung der Koblenzer könnte auf Basis der vorhandenen  Stammspieler etwa so aussehen: Im Tor – Bratsche. Abwehr –  Geige, Posaune, Klarinette, Orchesterwart. Mittelfeld –  Trompete, Schlagzeug, Cello. Sturm –  Trompete, Fagott, Posaune. Wie auch immer das „klingen“ und ausgehen mag, nachher werden die sportiven Musici aus Koblenz und Bonn wie üblich zusammen ein schönes Grillfest feiern.               Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
40. Woche im Oktober 2012)


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