Thema Kultur / Theater
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2012-06-27a Gespräch/Analyse:

Gespräch mit Intendant Markus Dietze über schwierige Perspektiven und die Verantwortung der Politik


Theater Koblenz: Die Reserven
sind aufgebraucht


ape. Koblenz. „Ich habe Vertrag.“ So beantwortet Markus Dietze launig und kopfschüttelnd eine Frage, an der man bei Gesprächen mit dem Koblenzer Theaterintendanten derzeit gar nicht vorbei kann. Sie lautet: Die Staatstheater Mainz, Wiesbaden und Darmstadt suchen nach neuen Chefs; hat er Lust, seinen Hut in den Ring zu werfen? Es wäre ja nicht das erste Mal, dass etwa Mainz einen frischen Koblenzer Intendanten abgreift: Die Sache Delnon ist noch in Erinnerung. Wer wollte Dietze eine solche Bewerbung auch verdenken – angesichts der politischen Dauerbeharkung seines Theaters mit der Forderung „sparen, sparen, sparen!“. Der Bedrängte bleibt äußerlich gelassen: „Panik bringt ja nix. Aber man ist gut beraten, von Intendantenposten nicht zu erwarten, dass es da ums Lustprinzip geht.“

Die dritte Spielzeit unter seiner Intendanz neigt sich dem Ende zu. Dietze ist mit der Saison recht glücklich: „Künstlerisch ist da etliches sehr gut gelungen und wir hatten ein paar richtige Publikumsrenner.“ Cabaret, Lohengrin, Macbeth, und das Ballett „Ridicule“ führen die Auflistung an. Dazu kommt ein bemerkenswerter Rekord: Theaterpädagogische und andere begleitende Veranstaltungen des Hauses erreichten erstmals rund 10 000 Menschen. Umso schmerzlicher der Umstand, dass in der stadtpolitischen Diskussion von mancher Seite das Koblenzer Theater fast nur noch als belastender Kostenfaktor behandelt wird.

Dietze erinnert seinen Beginn am Ort: „In der ersten Spielzeit war der Etat zwar nicht luxuriös, aber auskömmlich. Alles, was wir uns vorgenommen hatten, konnten wir finanzieren.“ Doch schon mit dem reduzierten Haushaltsplan 2010 veränderte sich die Situation gehörig, mit der Erfüllung der kommunalen Sparforderungen 2011 an das Theater war Auskömmlichkeit dann vollends perdu. Mit dem 2012er Tarifabschluss für den Öffentlichen Dienst zieht nachgerade eine Katastrophe herauf. Denn politisch gewollt ist, dass das Theater diesen zusätzlichen Batzen nun aus eigenen Mitteln schultert. Das ist unmöglich und auch ein seltsames Phänomen: Kein Mensch käme auf die Idee, von Schuldirektoren oder Leitern kommunaler Ämter zu verlangen, sie sollten die Lohnerhöhungen für ihre Beschäftigten gefälligst im eigenen Verantwortungsbereich erwirtschaften. Nur für Kultureinrichtungen ist das in jüngerer Zeit Mode geworden.

Das ist ein trickreiches Verfahren, weil es der Politik erlaubt, sich vor der offenen politischen Entscheidung zu drücken, wieviel Kultur, in diesem Falle Theater, sie für das Gemeinwesen noch haben will. Der Schwarze Peter wird einfach an die Kunst durchgereicht nach der Devise: Seht zu, wie ihr klarkommt – aber bitteschön etatkonform. Doch „bei den Tariferhöhungen geht es in der Summe um Beträge, die kein Theater einsparen kann, ohne den Spielbetrieb zu gefährden“, erklärt Dietze. Diese Malaise will er nicht den Beschäftigten anlasten; die meisten Löhne an Stadttheatern sind ohnehin alles andere als komfortabel.

Er musste dem Koblenzer Theater zuletzt einiges zumuten: eine Produktion weniger im Großen Haus; Reduzierung des Kammerspielplans auf die Jugendstücke; Kürzungen bei Kostümen, Bühne, Werbung; Nichtbesetzung offener Stellen. Doch jetzt ist für Dietze das Ende der Fahnenstange erreicht. Das äußert sich beispielsweise in einer handfesten Problematik: „Wir haben keinerlei Reserven mehr.“ Reserven? „Auch Schauspieler oder Sänger werden gelegentlich krank. Dann steht man vor der Alternative: Vorstellungen ausfallen lassen, was Einnahmenverlust und Publikumsärger zur Folge hat; oder einen Ersatzkünstler engagieren, was zusätzliche Ausgaben bedeutet. Seit jeher brauchen alle Theater dafür finanzielle Puffer. Sind die nicht mehr da, wird in jedem Krankheitsfall so oder so Defizit produziert. Und vor dieser Situation stehen wir jetzt.“

Besorgniserregende Aussichten, zumal anhaltend die programmatische Einlassung des Oberbürgermeisters gilt, wonach auch das Theater weitere Beiträge zum Abbau des Koblenzer Schuldenberges zu leisten habe. Sieht Dietze die Zwangslage der Stadt nicht? Schon,  aber er erklärt, sinngemäß: Die Entscheidung über das öffentliche Kulturangebot in Koblenz liegt bei der Politik. Es kann nicht Aufgabe des Intendanten sein, festzulegen, ob und welche Gliedmaßen sich das Theater freiwillig amputiert. „Wenn politische Beschlüsse vorliegen, kann ich entscheiden: Mache ich das noch mit, oder packe ich die Koffer.“

Warnen aber kann er die politisch Verantwortlichen. Schon die nächste Sparvorgabe oder zusätzliche Finanzbelastung wird unumgänglich brachiale Eingriffe in die Grundstruktur des Theaters  zur Folge haben. Wobei schon eine weitere Tariferhöhung den Spareffekt, den etwa die Abschaffung der Tanzsparte brächte, wieder weggefressen würde. Eine Schließung der Opernsparte  würde das Abo-System aushebeln und zugleich das hiesige Staatsorchesters infrage stellen. Wegfall der Schauspielsparte? Dann kann sich Koblenz gleich vollends als Theaterstandort verabschieden.

Was hält Dietze von der Idee engerer Kooperation mit dem Theater Trier? „Mein dortiger Kollege und ich haben überhaupt nichts gegen interessante Kooperationsproduktionen. Aber beide sind wir aus langer Erfahrung skeptisch, ob sich darüber wirklich nennenswerte Spareffekte erzielen lassen. Dennoch: Die  Oberbürgermeister von Koblenz und Trier haben uns einen Prüfauftrag erteilt, den wir ernst nehmen. Weshalb wir einige gemeinsame Pilotprojekte verabredet haben, deren Wirkung nachher genau geprüft wird.“

Nach realistischen, fetten Sparpotenzialen klingt das alles nicht. Zumindest so lange nicht, wie die Stadtpolitik nach dem Motto verfährt „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Will sagen: das Theater soll erheblich weniger kosten – aber trotzdem glänzen, trotzdem seine Funktion als Ort urbaner Selbstvergewisserung erfüllen, trotzdem seiner heute immer wichtigeren Aufgabe als Zentrum humaner und ästhetischer Gesellschaftsbildung gerecht werden. Fürs Koblenzer Theater sind – in der Form wie wir es kennen – die Sparpotenziale ausgereizt. Wer noch mehr sparen will, müsste jetzt mit dem groben Werkzeug ans strukturell Eingemachte. Wer will? Das Theater und Dietze gewiss nicht. Die Politik hat Farbe zu bekennen – so oder so.    


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
Woche 26 im Juni 2012)


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