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2012-06-25g Denkmalpreis RLP:

Dalberger Amtshof in Worms: Gelungene Umnutzung eines Kulturdenkmals als Wohnhaus


Wohnen wie ein reichsritterlicher Amtmann


ana. „Ist kein Dalberg da?“  Dieser Satz gehörte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zum Ritus jeder Kaiserkrönung. Ein Herold rief ihn in den Raum, wo die  Aristokraten des Reichs darauf warteten, vom neuen Kaiser zum Reichsritter geschlagen zu werden. Unter allen Anwesenden hielten die Dalberger, ein altes deutsches Adelsgeschlecht, das Privileg, als erste an der Reihe zu sein. Die Familie, die sich bis ins Mittelalter zurückkverfolgen lässt, kam aus dem heutigen Rheinhessen, und dort sind ihre Zeugnisse noch sichtbar. So wie der Amthof in Worms-Abenheim.

Der massige Putzbau mit Krüppelwalmdach ist einer der wenigen komplett erhaltenen Renaissancebauten im Wormser Raum. Sein Baujahr lässt sich dank einer Wappentafel der Dalberger ber dem Haupteingang genau benennen: 1556 entstand der Hof als herrschaftlicher Verwaltungsmittelpunkt mit Wirtschaftsgebäudeden auf großem Grundstück. Bei der bauhistorischen Untersuchung 2006 wurde entdeckt, dass erhebliche Teile der räumlichen Farbfassung noch aus den Anfängen im 16. Jahrhundert stammen. Bei der Ermittlung des ursprünglichen Raumprogramms stellte sich heraus, dass der Grundriss nahezu original erhalten ist. Kleinere Veränderungen gab es lediglich im 18. Jahrhundert, etwa bei Türen und Treppe; der Grundstückseingang stammt aus dem späten 19. Jahrhundert.

Heute wohnt hier, am Rand des alten Ortskerns, kein Dalberger Amtsmann mehr. Hans-Josef Schäfer heißt der jetzige Eigentümer. Die großee Zeit der Adelsfamilie endete mit der Franzöischen Revolution, dann hatte der letzte Verwalter das Gebäude aufgekauft. In den folgenden zwei Jahrhunderten wechselten mehrfach die Besitzer, Grund und Boden wurden aufgeteilt, ungeklärte Rechte verhinderten lange ein denkmalgerechte Instandsetzung des Amthofes. Irgendjemand aus der langen Reihe der wechselnden Bewohner klebte Blümchentapeten über die Renaissancemalereien, ein anderer baute ein Bad ein, wurde aber nicht fertig damit. 20 Jahre stand das Gebäude zuletzt leer. Das Dach begann bereits morsch zu werden. Dann trat Hans-Josef Schäfer auf den Plan und beschloss, den Hof grundlegend zu renovieren.

Eine der ersten Maßnahmen galt dem betagten Dach. Eine Analyse von Bohrkernen, gezogen aus den Balken, förderte Erstaunliches zutage: Über dem Haus erhob sich noch die ursprüngliche Dachkonstruktion aus dem 16. Jahrhundert. Sie wurde gerettet und mit historischen Ziegeln neu eingedeckt. Die nächste Überraschung kam, als Architekt Rainer Eschmann an die Renovierung der Innenräume ging: „Es war ein Riesenereignis, als wir die alten Malereien wiederentdeckten“. In zarten Pastelltönen umkränzten da Anmutungen antiker Säulen die Fenster, zeigte sich bunte Ornamentik an Kaminvorsprüngen und ber Türen.

Eschmann und die Familie Schäferer beschlossen, den Geist der damaligen Zeit wieder zurückzuholen – reduziert. Teile der renaissancezeitlichen Ausmalungen wurden restauriert und sichtbar gemacht, sie zieren heute die Wände wie kostbare Gemälde. Andere wurde sorgsam abgedeckt und können so unbeschadet kommende Zeitalter überdauern. Alle Elektroleitungen wurden unsichtbar verlegt und selbst Heizkörper auf das notwendige Minimum zurückgebaut. Möglichst wenig soll den ursprünglichen Charakter des Hauses stören. Das Resultat kann sich sehen lassen: Heute kombiniert das Haus den Wert des historischen Baudenkmals mit modernen Wohnansprüchen.

                                              ***

Ein Leben mitten in der Geschichte

Jeder Morgen ist ein Grund zur Freude. Wenn Marco Schäfer die Augen aufschlägt, schaut er auf die Renaissancemalerei, die sich über seinem Schlafzimmerfenster wölbt. „Schön ist das, auf diese Weise aufzuwachen“, sagt er. Gemeinsam mit seiner Frau bewohnt der Sohn des Eigentümers Hans-Josef Schäfer das erste Obergeschoss des Dalberger Amthofs – das Erdgeschoss ist Familienzusammenkünften vorbehalten.

100 m2 groß ist diese Wohnung – und eine Herausforderung. „Als wir eingezogen sind, haben wir eine ganze Weile nach passenden Möbeln gesucht, was gar nicht so einfach ist für ein solches Haus“, erinnert sich Schäfer. Die alten Holzbohlen sind eben nicht perfekt im Lot, die Wände nicht im rechten Winkel. Rechteckige Schrankwände und übliche Standardküchen funktionieren in einem solchen Objekt kaum und würden sowieso nur den Blick verstellen auf die Zeugnisse vergangener Zeiten. Also haben die neuen Bewohner sich in angepasster Reduktion eingerichtet, damit das Alte wirken und seine ganz eigene Wohnqualität entfalten kann: die floralen Türbeschläge, die Innentüren aus dem 18. Jahrhundert, das prächtige Wappen der Dalberger mit seinen sechs silbernen Lilien auf blauem Grund. Alle Zimmer sind einem speziellen Weiß gestrichen, das den Vorgaben des Denkmalschutzes entspricht.

Schäfers Lieblingsplatz aber ist ein kleiner Erkerraum, den er „meinen Bibliotheksturm“ nennt. Dort sitzt er in freien Stunden inmitten seiner Bücher und spürt: „Man lebt mitten in der Geschichte.“


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 20. Juni 2012)


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