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2012-06-05 Schauspielkritik:

Roman von Thomas Mann am Staatstheater Wiesbaden für die Bühne zugerichtet 

Reife Lotte trifft alten Goethe in Weimar
 

 
ape. Wiesbaden Schön gesprochen, brav gespielt: ein paar Passagen aus Thomas Manns Roman „Lotte in Weimar“, durch die als Erinnerungsmomente auch Kurzszenen aus Goethes „Werther“-Roman geistern. Anika Bárdos hat aus den Lektüreklassikern einen Verschnitt für die Bühne verfasst, Slobodan Unkovski diesen jetzt am Staatstheater Wiesbaden inszeniert. Trotz Vorlagen-gemäß hohen Tones bei geringer Aktionsdichte sind zweieinhalb Schmunzelstunden herausgekommen.

 
Zwei Drittel des Abends bleibt der Dichtergott unsichtbar, dreht sich alles um Lotte. Genauer: um die gut 60-jährige Charlotte Kestner, die in Jugendjahren Goethe entzückt hatte und ihm Vorlage war für jene Frau, an die der unglückselige Werther im Roman sein Herz verliert. Mit ihrer Tochter fährt die Seniorin anno 1819 nach Weimar, um Goethe zu besuchen, um irgendwie an einstige Nähe anzuknüpfen. Abgestiegen im Gasthof „Zum Elefanten“ fiebert sie der Begegnung entgegen, empfängt derweil Fans: Goethes Exsekretär Riemer, Goethes Sohn August, Adele Schopenhauer etc.

Alle sprechen sie mit Ehrfurcht vom „Meister“, führen aber dann doch manchen verbalen Hieb gegen ihn. Die der berühmten Lotte da zudringliche Aufwartung machen, sind in der Wiesbadener Spielart deftige Komödienfiguren. Das Bravourstück in diesem Fach liefert Rainer Kühn als „Elefanten“-Faktotum, dessen untertänigste Dienstbarkeit der Frau Kestner zur entnervenden Überwältigung wird. Doch allzu saftige Komödie lässt die feine Ironie des Mann'schen Romans krachledern werden; wie auch aufgesetzt antiquiertes Tragödenspiel die Werther-Szenen drollig macht.

Der Regie-Fixierung auf Komödie fällt nachher auch Goethe selbst zum Opfer: Michael Günther Bard lässt ihn als skurrilen Alten dem Bette entsteigen, dann als egozentrischen Schwadroneur die unwillkommene Alt-Lotte abservieren. In der Sache haut das hin, schauspielerisch kommt das arg platt daher. So könnte man diesen neuerlichen Versuch, aus Literatur Theater zu machen, als   amüsant-pittoreske Belanglosigkeit abhaken –  wäre da nicht Monika Kroll und ihre fabelhaft  Darstellung der Titelfigur.

Genervt von den Besuchern, sonnt sie sich doch in deren Verehrung. Wissend um die Gebrechten des Alters, zwängt sie sich doch in jenes Jungfernkleid, in dem sie Jahrzehnte zuvor Goethe betört hatte und das dieser im „Werther“ verewigte. Ahnend, dass der Dichter jetzt ein anderer ist, als die Gestalt in ihrer Erinnerung, erschüttert dessen eitle Banalität sie doch gewaltig.

Kurzum: Monika Kroll hält den Abend zusammen mit herrlich nuancierten Ambivalenzen zwischen Mädchenillusion und Alterserkenntnis, glückseligem Traum und schnöder Realität. Ihre Leistung allein lohnt das Zusehen. Im Übrigen jedoch kann diese Theatralisierung von „Lotte in Weimar“ weder für die Literatur noch für die Bühne als Zugewinn verbucht werden.
                                                                               Andreas Pecht  

Infos: www.staatstheater-wiesbaden.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 5. Juni 2012)


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