Thema Kultur / Vermischtes
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2012-05-29 Städtebaukritik:

Wuchtiger Baukoloss dominiert nun
das Zentrum von Koblenz



Zentralplatz zerronnen,
aber wenig gewonnen


ape. Koblenz. Es wäre ein Leichtes, Hohn und Spott über das neue Outfit des Zentralplatzes in Koblenz auszuschütten. Das jetzt erkennbare Ergebnis der umstrittenen Bebauung bietet dafür reichlich Ansatzpunkte. Obendrein könnte der Spötter sich des Beifalls sehr vieler Zeitgenossen sicher sein. Denn die Begeisterung der Koblenzer über das Ensemble aus Einkaufszentrum und Kulturbau hält sich erkennbar in Grenzen. Allenthalben stößt man auf Vorbehalte, Befremden, Entgeisterung. Doch bloßer Spott wäre eine unangemessene Reaktion auf dieses für Jahrzehnte das Stadtzentrum dominierende und das Sadtsäckel belastende Großobjekt. Das gilt allerdings in gleicher Weise für die Bemühungen von interessierter Seite, das Ding partout schönreden zu wollen.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Also wird sich Koblenz an seinen neuen Zentralplatz gewöhnen, genauer: an die Abwesenheit seines zentralen Platzes. Gewöhnen müssen – weil städtebauliche Maßnahmen dieser Größenordnung eben für Generationen fixiert sind. Sie lassen sich leider nicht umtauschen, verschenken oder wegschmeißen wie neue Klamotten, bei denen man nachher merkt, dass sie ein Fehlkauf waren. Aber Gewöhnung heißt nicht Zustimmung oder Liebe. Zum urbanen Selbstverständnis gehört, Unwohlsein gegenüber diversen Gestalt- und Funktionselementen der eigenen Stadt nicht zu verschweigen, trotz zähneknirschenden Abfindens mit dem Unumkehrbaren. Denn Stadt ist ein lebendiger Organismus. Und zur Urbanität gehört der permanente Diskurs über Gewordensein und Werden dieses Organismus' – Sündenfälle, Schildbürgerstreiche, Irrtümer und Verblendungen inklusive.

Es seien nochmal die weitgehend unstrittigen Positivseiten der Zentralplatz-Neubebauung genannt. Erstens: Beseitigung eines maroden Stadtfleckens. (Dazu gehört jedoch auch die Feststellung: Mehr als zwei Jahrzehnte hat man diesen öffentlichen Raum sehenden Auges verkommen lassen. Ausgangspunkt war die Stilllegung der Brunnenanlage dort sowie die Auslieferung des Platzes an das Wohl und Wehe eines Kaufhauskonzerns.) Zweitens: Das neue Ensemble hebt sich wenigstens als Ideen-Ansatz einer modernen Architektur ab von der überwiegend banalen Kommerzbebauung der Umgebung. Drittens: Mittelrhein-Museum und Stadtbibliothek bekommen mit dem Kulturbau ordentlich Raum.

Viertens? Gibt es nicht, weil für das neue Einkaufszentrum im Grunde kein Bedarf besteht.  Koblenz ist mit einzelhändlerischer Geschäftsfläche längst überversorgt. Weshalb marktliberale Wachstumsideologie hier bloß ein weiteres Element für Verdrängungswettbewerb entstehen lässt, der ein Anwachsen der Leerstände in der Stadt zur Folge haben dürfte. Doch lassen wir alle Fragwürdigkeiten hinsichtlich der kommunalen Kosten sowie der Sinnhaftigkeit für die stadtwirtschaftliche Infrastruktur mal beiseite und betrachten die vor allem städtebaulich-ästhetischen Vorbehalte.           

Zu groß, zu wuchtig und teils kitschig: Das sind die derzeit häufigsten Einwände gegen den neuen Komplex. Bemerkenswert ist die sinnliche Diskrepanz zwischen der Bauwirklichkeit und den vorherigen Modellpräsentationen. Das Modell vermittelte den Eindruck eines elegant geschwungenen, harmonisch gerundeten, luftigen, ja leichten Ensembles. Von dieser Anmutung bleibt jetzt in der Realität herzlich wenig. Wer von der Löhrstraße her die Pfuhlgasse hinuntergeht, zuckt beim ersten Blick auf den Kulturbau unweigerlich zusammen. Da schiebt sich plötzlich brachial ein Koloss ins Blickfeld. Dem gewaltigen Bug eines Schlachtschiffes ähnelnd, stellt der Gigant sich himmelhoch aufragend dem Betrachter entgegen – auf Überwältigung und Einschüchterung der kleinen Menschlein zielend wie dazumal die christlichen Dome.   

Woher rührt die Kluft zwischen luftigem Modell-Eindruck und wuchtiger Realität? Das Modell zeigte idealisierte Ansichten vorwiegend des isolierten Ensembles selbst. Dessen Einbettung in die Umgebung war kaum je Gegenstand der ästhetischen Betrachtung. Die öffentliche Diskussion im Vorfeld konzentrierte sich auf ökonomische Aspekte und die Kontroverse über Neubebauung oder Grünfläche. Die städtebaulichen Gesamtwirkungen des architektonischen Konzepts blieben außen vor, die Dimensionen und Relationen des neuen Ensembles somit nicht vorstellbar. Weshalb erst mit Heranwachsen des Realbaus der Eindruck aufkam: Dieses Bauwerk könnte vielleicht recht schön sein, stünde es mit reichlich Freiraum drumherum auf einem Platz, der dreimal größer ist als der Zentralplatz. So aber quetscht es sich in ein für die eigenen Ausmaße viel zu enges Areal. Wo das Zentrum der Stadt einst Licht, Luft, offenen Raum hatte, herrscht nun gedrängte Überfüllung. Und: Dem Ensemble selbst kommt so alle Leichtigkeit und jeder Schwung abhanden; es wirkt nun feist, protzig, prahlerisch – für die kleine Stadt viel zu groß.

Dazu haben sich zuletzt irritierende Fassendengestaltungen gesellt. Symptomatisch die Fragen auswärtiger Besucher: „Das sind doch Bauzäune, die nachher wieder wegkommen?“ Nein, die grüne Plastikverkleidung an den Obergeschossen des Geschäftshauses ist kein Bauzaun, sondern bleibende Gestaltung. Auch die weiße „Verpackung“ des Kulturbaus ist kein Provisorium. Ließe sich über Letzteres immerhin noch streiten, so entzieht sich Ersteres jeder ernsthaften Erörterung über Architektur und Ästhetik: Die „größte Kunst-Rebe Deutschlands“ ist schlichtweg billiger, hochnotpeinlicher, blamabler Kitsch am Bau. Weil dagegen auch kein Gewöhnungseffekt hilft, darf den Betreibern nahegelegt werden: Reißt den grünen Plastikmist wieder weg! Lieber noch nacktes, ehrliches Parkdeckgerippe als diese Unsäglichkeit.
                                                                                      Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
Woche 22 im Mai/Juni 2012)


---------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------

Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken