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2012-04-07 Schauspielkritik:

„Die Katze auf dem heißen Blechdach“ am Staatstheater Mainz. Regie: Sarantos Zervoulakos

Das Familienidyll steht weiter
unter Verdacht
 

 
ape. Mainz. „Kein leichter Abend, das! Keine erquickliche Unterhaltung!“ Dies schrieb Kritiker Friedrich Luft nach der Premiere von Tennessee Williams'  „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ 1957 in Berlin. Zwei Jahre nach der New Yorker Uraufführung tat sich das Publikum noch schwer mit derart schonungsloser Demontage bürgerlichen Familienidylls. Das Stück ist nun längst ein Klassiker, und bittere Familien-Sezierungen hat es seither von vielen Autoren auf allen Bühnen gegeben. Ein durchgenudeltes, abgestandenes Thema? Die Wirkung des Williams-Stückes jetzt am Staatstheater Mainz spricht dagegen.


Es ist per se bemerkenswert, dass ein Regisseur der jüngeren Generation auf  modische Zurichtungen in Schnodder-, Comedy-  oder Krawallmanier verzichtet. Sarantos Zervoulakos, Jahrgang 1980, belässt bei seinem Mainzer Debüt das Stück auch in der vom Autor gemeinten Zeit und sozialen Sphäre: im Millionärsmilieu des mittleren 20. Jahrhundert, als alle noch permanent qualmten. Was es an schrillen oder lachhaften Augenblicken gibt, entspringt der Schrillheit oder Lachhaftigkeit der Lügen, die da vorgelebt werden.

Familienherrscher Big Daddy (Marcus Mislin) wird  65. Söhne, Schwiegertöchter, Enkel haben sich zur Jubelfeier versammelt. Das ist ein durch und durch verlogener Aufmarsch, weil außer dem Alten und seiner Gattin Big Mama jeder weiß, dass der Jubilar demnächst an Krebs sterben wird. Heuchelei und Lüge sind hier Wesensmerkmal der Beziehungen. Verachtung, Abscheu, Hass sind unter dem hübschen Mantel der Kinder-, Eltern- oder Eheliebe herangewachsen. Das Gewand wird nun fadenscheinig.

Aus Gier nach dem Millionenerbe versuchen Sohn Gooper (Gregor Trakis) und sein gebärfreudiges Eheweib Mae (Verena Bukal) nebst vier Kindern den Vater mit dem Schein familiärer Glückseligkeit einzuschleimen. An solchen Schein klammert sich auch Big Mama (Monika Dortschy) – obwohl der Patriarch auf sie und ihren „fetten Leib“ nur noch mit Gehässigkeit reagiert, obwohl auch sie den Verfall der kinderlosen Ehe zwischen dem alkoholabhängigen Lieblingssohn Brick und Maggie nicht übersehen kann.

Tennessee Williams führt brutal die finalen Zuckungen einer in Auflösung befindlichen Familie von Vereinsamten vor. Und die Mainzer Inszenierung folgt ihm dabei mit einer fast konservativen Art des Spiels. Einen Anflug von Distanz schafft lediglich Raimund O. Voigts Bühne: Das 50er-Jahre Schlaf-/Wohnzimmer von Brick (Bernd-Christian Althoff) und Maggie (Lisa Mies), wo sich alles abspielt, ist in einen Glaskasten gebaut, der schräg mitten im leeren Raum steht. Eine geschlossene kleine (Familien-)Welt von gestern, auf die die große heutige Welt blickt wie auf die Geschehnisse in einem Terrarium.

Was sich dort zeigt, schafft Betroffenheit. Offenbar sind jene Tragödien gar nicht so weit weg von Problemen, Befürchtungen, Gefühlen unserer Tage. Zur dichten Atmosphäre des Abends trägt neben dem reihum feinsinnig aufspielenden Ensemble eine rhythmische Gesamtstruktur bei: Wechsel zwischen gewollt ausladendem Geplapper, sehr langem Schweigen und kurzen explosiven Momenten. Da wird manchmal vielleicht etwas zu viel des Guten getan, doch bleibt als Gesamtwirkung spürbar bewegte Gespanntheit im Publikum – die sich nachher in zurecht kräftigem Beifall entlädt.                                                                Andreas Pecht


Infos: www.staatstheater-mainz.com

(Erstabdruck 7. April 2012)

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