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2012-02-16 Nachruf:

Zum Tod von Hannes Houska, 1975 bis 1996 Intendant  des Stadttheaters Koblenz



Ein leibhaftiges Stück Theatergeschichte


ape. Koblenz. Im Juni 2011 war Hannes Houska hochbetagt noch einmal nach Koblenz gekommen, um der Verabschiedung von Anthony Taylor beizuwohnen. Fast drei Jahrzehnte zuvor hatte er als Intendant des dortigen Stadttheaters den Ballettchef engagiert und damit ein Kapitel örtlicher Theatergeschichte aufgeschlagen. Ein Kapitel von etlichen, die sich für den Zeitraum von 1975 bis 1996 zu einem  gewichtigen Abschnitt Koblenzer Kulturhistorie bündeln: der „Ära Houska“. An diesem Montag ist der 1931 in Linz an der Donau geborene Theatermacher im Alter von 80 Jahren gestorben.

Houska gehörte zu einem Schlage, wie es ihn heute kaum mehr gibt: Schauspieler, Regisseur, Intendant in einer Person – und in allen drei Rollen gleichermaßen mit Herzblut engagiert. 1947 stand er in Linz erstmals auf der Bühne, nahm als Statist in Goethes „Faust“ Theaterwitterung auf. Nachher zwar als Schullehrer für Sport und Gymnastik examiniert, landete er 1952 doch am Wiener Max-Rheinhardt-Seminar und wurde Schauspieler. In der Praxis sah sich der Jungdarsteller bald auch als Sänger, Tänzer, Regisseur an diversen Theatern in Österreich, der Schweiz und Deutschland eingesetzt. Ab 1967 wurde er erst Oberspielleiter in Regensburg, dann in Freiburg; hernach Theaterchef in Lüneburg. Von 1975 an war er schließlich für 21 Jahre bis zu seiner Pensionierung 1996 Intendant des Stadttheaters Koblenz.

Theater war Hannes Houskas Leben. Und zu seinen unerschütterlichen Überzeugungen gehörte, dass auch die Gesellschaft nie auf das Theater würde verzichten können. Befürchtungen, das Fernsehen werde zum Totengräber der Bühnenkunst, mochte er schon früh nicht teilen. Denn solch unmittelbare Erlebnisse wie das Theater könne kein elektronisches Medium je bieten, lautete sein Credo. Und den Unkenrufen, die allweil ein Verschwinden des Publikumsnachwuchses prognostizierten, hielt er in einem Gespräch, das wir kurz vor seiner Pensionierung führten, lachend entgegen: „Das Gejammer über die ausbleibende Jugend begleitet mich seit Jahrzehnten. Danach müsste das Theaterpublikum längst vollends weggestorben sein.“

Houskas Humor konnte so aufschäumend sein wie sein Ärger bisweilen aufbrausend. Besonders ärgerten ihn Vorwürfe, er stehe für ein antiquiertes, leichtgewichtiges Amüsier- und Kulinariktheater. Solche Kritik widersprach seinem eigenen Verständnis von der Funktion des Theaters. Das sah er stets als Ort der Unterhaltung und zugleich der Bildung, des Genusses und des Diskurses, der Klassikerpflege und des zeitgenössischen Experiments. Die von ihm verantworteten Spielpläne waren danach: Multithematische Dreispartenangebote von amüsant bis todernst, von klassisch bis avantgardistisch.

Er selbst inszenierte mit Vorliebe Musiktheater und Komödie nach eher traditioneller Manier. Was ihn jedoch nicht hinderte, modernen Stücken und modernen Regie- wie Spielstilen gebührend Raum zu lassen – und das keineswegs bloß auf der zu seiner Zeit als Experimentierstätte eingerichteten probe-bühne II. Houska ließ so manches auf die Bühne auch des Großen Hauses, das ihm persönlich eher weniger oder gar nicht zusagte. Und das, obwohl er ein erklärter Gegner davon war, altbekannte Werke zeitgenössisch umzuinszenieren.

Houska vertrat die Auffassung: „Man sollte mehr Uraufführungen machen, statt die bekannten Sachen so modern aufzubereiten, dass man sie nicht mehr erkennt.“ Gleichwohl ließ er anders gesonnene Regisseure, zumal damals junge wie etwa Manfred Molitorisz oder Thirza Bruncken, ihren Weg beschreiten. Das ging nicht immer ohne Reibereien ab, und der Intendant schimpfte gelegentlich nachher wie ein Rohrspatz, wenn ihm am eigenen Hause etwas missfallen hatte – und sei's eine neuzeitliche Inszenierung der „Zauberflöte“.

Seine Grundhaltung war: Man kann am Theater keine Dogmen aufstellen, wonach dies sein darf, jenes aber nicht. Und: Man kann es in der Kunst niemals allen Recht machen. Vor diesem Hintergrund widersprach er einerseits Forderungen, nur noch sichere Publikumsrenner zu spielen. Andererseits beharrte er stets darauf, die Theater dürften nicht „leer-experimentiert“ werden. „Wir wollen Publikum haben, und zwar möglichst viel, allerdings nicht zu jedem Preis“, fasste er seine Position bei einem Disput zwischen Intendant und Kritiker einmal zusammen. 

21 Jahre lang hatte Hannes Houska als Intendant das Geschehen am Koblenzer Theater geprägt, hatte als Schauspieler und Regisseur handwerklich versierte bis künstlerisch denkwürdige Beiträge beigesteuert. Er war ein Prinzipal alter Schule und lebenslänglicher Theaternarr zugleich. Kurzum: Er war einer jener Typen, ohne die sich das deutsche Theater des 20. Jahrhunderts gar nicht denken lässt. Und so wird er in Erinnerung bleiben – als leibhaftiges Stück jüngerer Theatergeschichte.    Andreas Pecht        

(Erstabdruck 15. Februar 2012)

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